Zum 85. Geburtstag von Otto Rehhagel

„Egal wo ich war, hier hatte ich meinen Anker“

0 10.08.2023

Man sieht es ihm nicht an, und so mancher wünscht sich seine Fitness: Otto Rehhagel, der seine Fußballlaufbahn als Vertragsspieler bei RWE begann und es von Bergeborbeck bis zum Fußballolymp brachte, feiert kleines Jubiläum. Beim Essener Lokalderby zwischen Rot-Weiss und dem ETB vor wenigen Wochen zeigte das Essener Chancen-Gründungsmitglied wieder sein Können.

Georg Melches, der in den goldenen fünfziger Jahren von RWE systematisch eine Spitzenmannschaft aufgebaut hatte, gelang 1960 noch einmal die Verpflichtung eines echten Nachwuchstalentes. Für eine Ablösesumme von 3.300 DM wechselte der 21-jährige Amateurnationalspieler Otto Rehhagel von TuS Helene zu Rot-Weiss Essen. Seinen Lebensunterhalt hatte der junge Verteidiger bisher als Maler und Anstreicher auf der Zeche Helene verdient. Jetzt sollte er für 540 Deutsche Mark im Monat bei der Essener Coca-Cola-Niederlassung pinseln. Als Vertragsspieler erhielt er eine Entschädigung von 160,- DM, dazu gab es zum Einstand einen VW-Käfer.

Von Altenessen an die Hafenstraße

Der Nachfolger des ehemaligen Meistermannschaftsspielers Willi Köchling debütierte am 14. August 1960 beim 3:0-Sieg gegen Preußen Münster im rot-weissen Dress. Die Sportpresse bescheinigte ihm eine solide und gute Leistung. In den drei Spielzeiten bei RWE nahm Abwehrspezialist Otto Rehhagel an allen 90 Meisterschaftsspielen teil und erzielte drei Tore.

Den Abstieg aus der Oberliga West konnte er aber nicht verhindern. RWE stellte in der Spielzeit 1960/61 zwar die viertbeste Abwehr, erzielte mit nur 32 Treffern zugleich aber die schwächste Torbilanz und stieg am Ende der Saison 1960/61 aus der Oberliga West ab. Der rot-weisse Sturm war in zwölf Spielen ohne Torerfolg geblieben. RWE-Trainer Willi Multhaup schmiss hin und wurde 1965 mit Werder Bremen Deutscher Meister – die letzte Bremer Meisterschaft bis zu Otto Rehhagels Erfolg 1988.

Otto Rehhagel blieb der Hafenstraße trotzdem noch weitere zwei Jahre treu. Und das hatte einen ganz einfachen Grund: „RWE hat mir die Möglichkeit gegeben, mich als Profi und Mensch zu entwickeln. Hier spielte ich mit den Idolen meiner Jugend Penny Islacker, Fritz Herkenrath, Heinz Wewers und Willi Vordenbäumen in einer Mannschaft. RWE war für mich der Startschuss zu meiner langen Karriere als Fußballer und Trainer.“

Eine Anekdote aus seiner Anfangszeit ist ihm immer noch gegenwärtig und er erzählte sie beim jüngsten Lokalderby am Uhlenkrug: „Nach dem Training ließen sich die Stammspieler regelmäßig massieren. Da habe ich mich auch angestellt, um mal dranzukommen. Auf der Massagebank lag Islacker und fragte mich: ,Was willst Du denn hier?‘ Ich antwortete: ,Mich massieren lassen.‘ Penny: ;Dann komm in zwei Jahren wieder.‘

Bundesligazeiten

Trotz seiner Verbundenheit zu Rot-Weiss Essen wollte Otto Rehhagel natürlich auf Dauer nicht in den Niederungen der 2. Liga West spielen. Vor seiner dritten Spielzeit garantierte ihm der Verein die Freigabe mit Ablauf der Saison 1962/63. Der Start der Fußballbundesliga warf seine Schatten voraus. Im Juni 1963 unterschrieb Otto Rehhagel einen Vertrag in Berlin und wechselte für eine Ablösesumme von 10.000 DM von der Ruhrgebietsmetropole in die Weltstadt mit Insellage. Bis 1972 spielte das Kind des Ruhrgebietes in 201 Spielen im Fußballoberhaus für Hertha BSC Berlin und den 1. FC Kaiserslautern und erzielte dabei insgesamt 22 Tore.

Für den 1. FC Kaiserslautern war er beim 1:1 in der ersten RWE-Bundesligasaison 1966/67 im Georg-Melches-Stadion sogar als Torschütze erfolgreich. Auch seine weitere Bundesligabilanz als Spieler gegen Rot-Weiss Essen ist ausgeglichen: ein Sieg (5:2), zwei Unentschieden (0:0 und erneut 1:1) und eine Niederlage (0:4).

Als Trainer arbeitete er anschließend unter anderem für Borussia Dortmund, Fortuna Düsseldorf, Werder Bremen, Bayern München und den 1. FC Kaiserslautern. Neben seinen verschiedenen Titeln mit Bremen führte er die Pfälzer 1997 zurück in die Bundesliga und holte 1998 erstmals mit einem Aufsteiger direkt die deutsche Meisterschaft.

Auch als Trainer traf er in der Bundesliga noch fünfmal auf Rot-Weiss Essen. Mit Kickers Offenbach kassierte er drei deutliche Niederlagen (1:5, 1:3 und 0:4). Mit dem BVB konnte er dafür in der letzten RWE-Bundesligasaison 1976/77 zwei Siege feiern (5:1 und 4:2). Auch als Zweitligatrainer war er gegen RWE mit Werder Bremen erfolgreich (1:0) und in der Aufstiegssaison 1996/97 mit dem 1. FC Kaiserslautern.

Mit den Pfälzern hatte er am 11. Oktober 1996 beim 4:1 Erfolg in seiner Funktion als Trainer seinen letzten Auftritt im Georg-Melches-Stadion an der Hafenstraße. Zuschauerrekord, das Stadion war zum einzigen Mal in der Saison ausverkauft. Auch im Rückspiel hatte sein Team mit 3:2 die Nase vorn, obwohl RWE bis zur 82. Minute noch 2:0 geführt hatte. Rot-Weiss Essen stieg am Ende der Saison aus der 2. Bundesliga ab. Otto Rehhagel gelang dagegen mit dem 1. FC Kaiserslautern der Aufstieg und wurde ein Jahr später sensationell als erster Bundesligaaufsteiger Deutscher Meister. Vier Jahre zuvor war er mit einem 3:1-Sieg gegen RWE am 14. Mai 1994 im Berliner Olympiastadion mit Werder Bremen DFB-Pokalsieger geworden.

„König Otto“ – Der größte Erfolg

Seinen größten Triumph feierte „König Otto“ aber bei der Europameisterschaft 2004 in Portugal als Nationaltrainer von Griechenland. Mit dem EM-Außenseiter gewann er den Titel und wurde von der Presse zum „Ottokrates Rehhakles“ ernannt. Seine Spieltaktik mit der vielzitierten kontrollierten Offensive war erfolgreich. Und auf die immer wieder aufkommende Frage, warum er denn damals noch mit Libero gespielt habe, sagte er vor wenigen Wochen beim jüngsten Lokalderby am Uhlenkrug: „Wir haben zweimal Gastgeber Portugal geschlagen – im Auftaktspiel und im Endspiel. Dazu haben wir gegen Tschechien und den Weltmeister von 1998, Frankreich, gewonnen sowie gegen Spanien unentschieden gespielt. Da kann ich nur sagen: Alles richtig gemacht. Klappe halten, Beifall klatschen.“ Kurzanalyse im feinsten Ruhrdeutsch.

Zurück in Essen

Die Verbundenheit mit seiner Heimatstadt hat das Bergarbeiterkind nie verloren. Mit seinem Engagement als Nationaltrainer Griechenlands verlegte der Meistertrainer seinen Wohnort wieder nach Essen und besuchte seitdem auch immer wieder Spiele im Georg-Melches-Stadion und im heutigen Stadion an der Hafenstraße. Dort stand er auch noch einmal als Trainer beim „ran-Jahrhundertspiel“ am 8. Juni 2014 mit fast 75 Jahren an der Seitenlinie. Eine Vielzahl ehemaliger Welt- und Europameister traf sich im Duell Deutschland gegen Portugal noch einmal auf dem Platz.

Auf der Jahreshauptversammlung am 28.06.15 ernannten die RWE-Mitglieder Otto Rehhagel einstimmig zum Ehrenmitglied von Rot-Weiss Essen. Sichtlich gerührt bedankte sich die Essener Trainerlegende und erklärte: „Egal, wo ich in meiner Karriere war, hier hatte ich immer meinen Anker.“

Gemeinsam mit seiner Frau Beate gehört Otto Rehhagel zu den Gründern der seit 2012 bestehenden rot-weissen Sozialinitiative Essener Chancen.

Georg Schrepper

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