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0 25.10.2024
BORBECK. Landwirtschaft und Viehzucht – davon hat man jahrhundertelang rund um die Stadt Essen gelebt. Mehr oder weniger gut – auch früher gab es schon Wetterkapriolen, die unausweichliche Folgen hatten: Viehseuchen, zu viel Regen oder Dürre, Sturm und Hagel, machten schon damals den Bauern zu schaffen. Kein Wunder, dass sie nicht nur in solchen Fällen auf Wunder hofften und auch um himmlischen Beistand flehten. Dafür stehen vier Namen, die tief in die Geschichte der Region führen. Es sind Donatus, Antonius und zwei Brüder, die am 25. Oktober auf dem Kalender stehen.
Wenig bekannt mag sein, dass die Dionysiuskirche in Borbeck neben dem Hauptpatron noch einen zweiten Patron hatte, der perfekt ins Anforderungsprofil einer so von der Natur abhängigen ländlichen Bevölkerung passte: Donatus, ein Katakombenheiliger und Soldatenmärtyrer der „Legio fulminata“, dessen Festtag am 30. Juni gefeiert wurde, galt als Schutzheiliger gegen Unwetter, Blitzschlag, Hagel und Feuersbrunst. 1767 führten die Jesuiten im Stift Essen Donatusandachten ein, empfahlen ihn als unübertrefflichen Wetterpatron und eine von Heinrich Heckmann aus Eiche gehauene Büste des Heiligen schmückte seitdem die Kirche St. Dionysius. Bis in die 1920er Jahre fanden ihm zu Ehren am dritten Sonntag eines Monats Andachten statt, man sang das Lied „Sankt Donatus, Fürst der Helden. Glanz der ersten Christenheit!“ und 1921 wurde ihm eine neue Glocke mit seinem Bild und der Inschrift „Beschütze uns von oben, wenn Blitz und Wetter toben“ geweiht. Noch 1955 verewigte man ihn auf der zweitgrößten Glocke des neuen Nachkriegs-Geläuts im Kirchturm mit der Inschrift „HEILIGER DONATUS + BESCHÜTZE UNS VON OBEN + WENN BLITZ UND WETTER TOBEN + A. D. 1955.“ Seitdem ist aber ist er aus der öffentlichen Wahrnehmung vollständig verschwunden. Mit den Kirchenreformen des 20. Jahrhundert und dem Konzil nahm man Abschied von vielen nur legendenhaft überlieferten Heiligen.
In ihrer ursprünglichen Bedeutung sind auch andere Namen vergessen, die für die Menschen früherer Zeiten eine erheblich größere Rolle spielten. Sie zeugen von uns heute kaum mehr präsenten Lebensumständen und bringen uns auf deren Spuren. So hatte die Region mit ihrer landwirtschaftlichen Produktion durchaus auch Bedeutung in der Lederindustrie, denn das dafür benötigte Grundmaterial gab es in ausreichender Menge: Die intensive örtliche Schweinezucht stellte es bereit. Mitteilungen zeugen von Weidegründen in der feuchten Vogelheimer Mark, die wie die Wälder ringsum für die Schweinemast ideale Bedingungen bot. Dass sie sicher eine hohe Bedeutung hatte, macht die Borbecker Pfarrchronik deutlich: Im Zusammenhang mit Plünderungen der Kirche wird berichtet, dass in der Sakristei das mit einer Kette gesicherte Zucht- und Herdbuch der Schweinezüchter in der Bauerschaft aufbewahrt wurde.
Sie vertrauten jedoch in Borbeck nicht nur auf feste Mauern, die ihren kostbaren Besitz beschützten: Gleich neben der Sakristei, die damals von der Kirchplatzseite aus betreten wurde, lag im vorderen Innenschiff der Kirche auf der rechten Seite ein Seitenaltar, der dem Hl. Antonius Eremita (251-356) gewidmet war. In diesem Patrozinium für Antonius den Großen, auch Antonius Abbas genannt, steckt ein weiterer deutlicher Hinweis auf diesen örtlichen Wirtschaftszweig, denn der durch manche Legenden populär gewordene frühchristliche ägyptische Wüstenvater galt jahrhundertelang als der ganz besondere Schutzpatron des Borstenviehs, der Haustiere, der Metzger und Bauern, gegen Geschwüre, Lepra und Viehseuchen.
Seine Verehrung verbreitete sich seit dem 5. Jahrhundert im Abendland und über Nordfrankreich bis in unsere weitere Umgebung: Schon 861 schenkte etwa Bischof Liudbert von Münster dem Stift in Freckenhorst Reliquien des Abtes, der als Bauernpatron zunehmende Popularität in der ganzen Region gewann. Im Volksglauben übernahm Antonius eine extrem wichtige Aufgabe: Da er der Legende nach in seiner Einsiedelei von quälenden Visionen heimgesucht worden sein soll, wurde er zum Namensgeber für das gefürchtete „Antoniusfeuer“ (Ergotismus), eine grausame Krankheit, die durch einen vorwiegend im Roggen wachsenden Getreidepilz (Mutterkorn) verursacht wurde und ganze Landschaften verheerte. Hunderttausende Menschen wurden durch die damals unerklärlichen sehr schmerzhaften Vergiftungen und durch das damit verbundene langsame Absterben aller Gliedmaße in den Wahnsinn getrieben. Um sie kümmerte sich ein nach Antonius Abbas 1059 benannter Orden, der in ganz Europa rund 400 Hospitäler baute und dafür mit „Antonius-Schweinen“ bezahlt wurde – sie durften mit ihren Glöckchen überall wühlen - darum verpasste man dem Heiligen auch den Spitznamen „Swinetüns“.
Der dem heiligen Einsiedler Antonius der alten Dionysiuskirche geweihte Borbecker Seitenaltar besaß eigene Äcker und Wiesen, die zur 30. August 1370 genehmigten „Antonius-Vikarie“ gehörten. Schenkungen, vor allem Abgaben in Form von Getreide, wurden über Jahrhunderte beurkundet, für die Stifter wurden jeweils eigene Messen gelesen, denn aus der Vikarie bezog der jeweilige Vikar der Pfarre so seine Einkünfte. Nach einem Inventar der Kirche von 1836 war der Heilige über dem Altar mit einem von Jacobus Udalricus Graffweg gemalten großen Ölgemälde verewigt, das beim Neubau der Kirche verschwunden ist. Heute erinnert in der Borbecker Kirche an Antonius nichts mehr, wohl aber in Schönebeck.
Verantwortlich dafür ist ein sehr bekannt gewordener Vikar an St. Dionysius: Der ab 1895 tätige Kaplan Heinrich Brauns, nach dem die Straße an der Dampfbierbrauerei benannt ist, war nicht nur engagierter Kämpfer für Arbeiterrechte, sondern bewies Sinn für Geschichte, als er den Kirchbauverein für die wachsende Bergarbeitergemeinde in Schönebeck begründete: Die spätere Pfarre St. Antonius Abbas übernahm den Namen der Antonius-Vikarie und setzte so einen Teil der Ortsgeschichte fort. Als der neue Kirchenbau in Schönebeck mit großen Mühen vollendet war und am 8. Mai 1927 die Kirchweihe gefeiert wurde, feierte der damals amtierende Reichsarbeitsminister Heinrich Brauns dort die erste Messe – in all seinen politischen Verpflichtungen war die Kirche unter diesem Patronat eines seiner Lieblingsprojekte.
Der Plan der abgerissenen alten Dionysiuskirche verzeichnet zwei Figuren an den Säulen: Crispinianus (l.) und Crispinus (r.)
Standen Donatus für die Bitte um gutes Wetter und der Heilige Antonius für die Sorge um das Wohl und Wehe des Viehs, so gibt es noch zwei weitere mit der alten Borbecker St. Dionysius-Kirche verbundene Namen, die Spuren in die Vergangenheit legen: Sie weisen darauf hin, was man mit dem aus der gegerbten Haut gewonnenen Schweineleder nun ganz praktisch anstellte. Die beiden Namen sind auf einem Plan der Kirche zu entdecken, der ihren Zustand vor dem Abriss 1860/61 zeigt. Denn an den beiden Säulen, die das Kirchenschiff in der Mitte stützten, gab es zwei Figuren, die ganz ausdrücklich für das Schuster- und Gerberhandwerk stehen: Es waren Statuen der frühchristlichen Heiligen Crispinus und Crispinianus, die seit dem Bau der heutigen Kirche verschollen sind. Die beiden waren die Schutzpatrone für die örtliche Schusterzunft, die einzige Zunft von Handwerkern überhaupt, die für Borbeck verzeichnet ist. Sie hatte alljährlich zum Hochfest ihrer Heiligen am 25. Oktober 15 Stüber und 2 Reichstaler für Kerzenwachs an die Dionysiuskirche zu entrichten, wie für das Jahr 1784 überliefert ist, und hatte durch ihre reine Existenz ganz sicher eine besondere Bedeutung für die um Borbeck liegenden Bauerschaften.
Auch wenn die Namen von Crispin und seinem Bruder Crispinianus heute sicher vielen seltsam in den Ohren klingen mögen: Frühere Jahrhunderte wussten mehr mit ihnen anzufangen. Die Geschichte dieser Märtyrer im frühen Christentum reicht bis ins 3. Jahrhundert zurück. Die Söhne einer vornehmen römischen Familie flohen nach den überlieferten Legenden vor der Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian aus Rom nach Soissons im heutigen Nordfrankreich. Dort sollen sie ihren Lebensunterhalt als Schuhmacher verdient haben, Arme mussten für die Schuhe nichts bezahlen und sie gewannen bis zu ihrem Tod in der Diokletianischen Christenverfolgung um das Jahr 287 viele für den Glauben.
In Soissons entstand über ihrem Grab eine große Kirche, Reliquien wurden schon 570 durch die Franken ins heutige Saarland gebracht und dort in den Altar der neu geweihten Kirche in Saarlouis eingemauert. Weitere kamen 803 unter Karl dem Großen als Gründungsheilige nach Osnabrück, das zum Zentrum ihrer Verehrung in Europa wurde und beide erscheinen auch bald in den Festtagskalendern von St. Gallen und Köln. Von Rom aus, wo man in der Kirche San Lorenzo in Panisperna ihre Köpfe aufbewahrt, kamen weitere Reliquien von Crispin und Crispinianus 838 nach Fulda, in den frühesten Kölner Festkalendern aus dem 9. bis 10. Jahrhundert sind sie mit ihrem Festtag am 25. Oktober aufgeführt. Und ihre Geschichte, in denen zudem drastisch ihre Folter beschrieben wird, verbreitete sich sehr schnell auf dem ganzen Kontinent.
Auch bis nach Essen strahlten die Patrone der Schuhmacher, Sattler, Gerber und Handschuhmacher aus – ein Patrozinium, das auch durch ihre wie so oft blutig überlieferte Hinrichtungsart bestärkt wurde. Danach wurden sie mit Ahlen malträtiert, Werkzeugen, die im Schusterberuf üblich sind. Man übergoss sie mit flüssigem Blei, warf sie ins Feuer und eiskaltes Wasser und versuchte sie mit Mühlsteinen um den Hals zu ertränken – schließlich wurden sie enthauptet. Dargestellt finden sie sich mit Märtyrerpalme, Mühlstein, aber auch mit Schuhen, Schustermesser, Zangen oder Ahlen.
Verantwortlich für ihre wachsende Verehrung war vor allem das Zunftwesen. In der Stadt Essen sind seit dem Jahr 1400 die Statuten der Zünfte schriftlich überliefert, durch die Kaufleute und Handwerker in klare Regeln eingebunden sind. Die ältesten überlieferten Statuten des Schusteramtes datieren aus dem Jahr 1544: Die Pergamenturkunde für die „schoemecker gilde-broederenn“ war mit dem großen Siegel der Stadt versehen, die Mitgliedschaft in der Gilde allein Einwohnern der Stadt vorbehalten. Die Satzung bestimmte die Beiträge, die Zunftordnung und Aufgaben der Gildenmeister, die Lehrordnung sowie Fragen der Herstellung und des Verkaufs. Aber die Artikel regelten auch die religiöse Bindung der Zunft, wie sie bei den anderen Zünften ebenfalls üblich war. Und hier kommen auch die beiden antiken heiligen Schuhmacher wieder ins Spiel.
So hatte der regierenden Amtsmeister drei Tage vor dem „Pflichtstag“, zum „sunth Crispinens dach“ am 25. Oktober, die Pflicht, das ganze Amt zu befragen, ob es Streit oder Misshelligkeiten gebe. Sie sei „wo möglich gütlich abzuthun, damit die folgende Zusammenkunft des Amts möge in Friede und Freundschaft angefangen und vollendet werden.“ Zur jährlichen Hauptversammlung auf Crispinus sollte das Amtsbuch allen deutlich vorgelesen werden und die Schustergilde stiftete mit der „Staelkersse“ eine Kerze für die Kirche, die auf einem besonderen Leuchter vor dem Bilde ihres Schutzheiligen aufgestellt wurde.
Eine Schusterzunft bestand jedoch nicht nur in der Stadt, wo sich die Zunft in die Berufe in der lokal wichtigen Waffenproduktion, einem damals großen Wirtschaftsfaktor einreihten. Es gab noch zwei weitere Schusterzünfte im eigentlichen Stift Essen: Zum einen die Schusterzunft für die Stadt Steele, das Steelische Quartier und die Bauerschaft Stoppenberg, zum anderen die Schusterzunft für das Borbecker Quartier „(Borbeck, Betingrade, Mülhoven, Frintrop, Delwig, Gerschede, Vogelheim, Bochholt)", die Bauerschaft Altenessen und die „drei Bauerschaften" (Altendorf, Holsterhausen und Frohnhausen).
Die Schuster in der Stadt Steele und den nächstliegenden Orten wurden am 18. Januar 1751 durch Fürstäbtissin Francisca Christina zu einer Zunft privilegiert. Ihre Statuten erneuerte Fürstäbtissin „Maria Cunigunda von Gottes Gnaden Königl. Princessin in Pohlen und Lithauen, Hertzogin zu Sachssen, des heil. Röm. Reichs Fürstin und Abtissin der Kayserl. freyweltlichen Stiftes Essen und Thorn...“ zum 30. September 1776 fast wörtlich. Zugleich bestimmt die Fürstin am 2. Oktober 1776: „Auf Bitten der in dem Borbeck'schen Quartier und in den drei Bauerschaften, wie auch in der Bauerschaft Altenessen wohnenden Schuster willfahrt, dass sie ein Ammt ausmachen und sich nach folgender Zunftordnung richten sollen."
In dieser Ordnung von 1776 - im selben Jahr erklärten die USA ihre Unabhängigkeit von England - finden sich nun die Bestimmungen, die die inneren Verhältnisse des Berufsstandes auch im Borbeckschen Quartier ordnen: Es sind zwei Jahre Lehre zu absolvieren, dafür sind dem ältesten Zunft-Meister 15 Stüber zu zahlen und der „Borbeck'schen Kirche" - St. Dionysius - ein Pfund Wachs für die Kerzen zu zahlen. (§ 1) Nach Ablauf der Lehre hat der Lehr-Geselle den Ort zu verlassen und darf zwei Jahre lang nicht mehr zurückkommen. (§ 2) Gegenseitige Abwerbung von Lehrjungen und Gesellen ist verpönt: Sie müssen zuvor erst bei ihrem Meister einen „redlichen Abschied“ nehmen.
Den Beruf ausüben dürfen das Handwerk „im Borbeck'schen Quartier, in den drei Bauerschaften und Bauerschaft Altenessen" nur die zur Zunft gehörigen Meister (§ 4) und solche, die „bei einem unter dieser Zunft gehörigen Meister" gelernt und ein Meister-Stück angefertigt haben. Als solche zählen ein „Manns-Schue, ein Frauen-Schue und ein Frauen-Pantoffel“ ohne Absatz und Kappe (Schluffen), die zusammen in 18 Stunden zu verfertigen sind. Die Stücke müssen „von den Zunfftmeisteren und sämbtlichen Bruderschaft für genugsam approbirt, und demnegst die Zunftt von denen Zunfft-Brüderen rechtlich gewonnen, welches solle geschehen mit acht Reichs-Thaler“. (§ 5) Auch sollen diejenigen, die Felle gerben sowie im Materialeinkauf und -verkauf tätig sind, der Zunft angehören. (§8) Wer gegen die Zunftordnung verstößt, hat Strafen zu zahlen. In Artikel 10 erklärt Fürstäbtissin Maria Cunigunda: „Endlich wäre der Ambtstag auf St. Crispins-Tag als Patron anzusetzen“ – gemeint ist der 25. Oktober, an dem Crispinus und Crispinianus auf dem Römischen Heiligenkalender stehen.
Nur wenige Jahrzehnte später war es mit der Ordnung aber schon wieder vorbei: Nach der Französischen Revolution war der Zunftzwang auch im deutschsprachigen Raum stark eingeschränkt oder ganz aufgehoben. Die Preußen kamen, die frühe Industrialisierung nahm ihren Gang und Borbeck wurde zur Wiege des Tiefbergbaus, als Franz Haniel 1832-34 in Schönebeck den ersten Tiefschacht durch das Deckgebirge abteufte. Die Bevölkerungszahlen stiegen rasant, zahllose Arbeitsmigranten strömten in die Region, die bäuerlichen Traditionen traten in den Hintergrund und innerhalb weniger Jahre entstanden Zechen, Walzwerke, Hütten und Ziegeleien. Die alten Patrone des Handwerks brauchte niemand mehr und sie gerieten in Vergessenheit. Die Dionysius-Kirche, die bis dahin einzige in der Gegend, wurde 1862/63 durch einen für die Zeit riesigen Neubau in dem modernen neugotischen Stil ersetzt, fast ihr ganzes Inventar verschwand dabei spurlos – auch die Figuren und Altäre, die Zeugnis von der Vergangenheit geben könnten.
Lediglich der 1860 gegründete Katholische Gesellenverein Borbeck, der sich wie seine Brudervereine überall um die wandernden Gesellen kümmerte, knüpfte an alte Traditionen an: Noch heute wird in der Kolpingfamilie Borbeck, einer der ältesten von rund 2.600, im Kolping-Traditionslied an das ehrbare Schusterhandwerk erinnert. Gemeint ist allerdings ihr Gründer, der Kölner Priester Adolph Kolping, der zuvor selbst das Schuhmacherhandwerk erlernt hatte und „auf der Walz“ gewesen war.
So wie die Figuren an den Kirchensäulen der alten Kirche wichen die beiden Patrone Crispinus und Crispinianus längst aus dem Bewusstsein. Und dass ausgerechnet an ihrem Festtag vor 80 Jahren, am 25. Oktober 1944, die Dionysiuskirche in der großen Bombennacht von Borbeck bei den schweren Luftangriffen der Royal Airforce durch zwei Luftminen fast vollständig in Schutt und Asche gelegt wurde, wird schon damals wohl kaum noch jemand mit dem Gedenktag der beiden legendären Heiligen für die Schuhmacher in Verbindung gebracht haben.
Dass heute der größte Schuhhändler Europas seinen weltweiten Sitz in Borbeck hat, ist in diesem Zusammenhang wohl eher dem Zufall geschuldet: 1913 eröffnete Heinrich Deichmann in der heutigen Johannes-Brokamp-Straße sein Geschäft „Schuhreparatur Elektra“ und 1936 am Borbecker Markt sein erstes großes Schuhgeschäft. Mehr als 100 Jahre nach der Firmengründung zählt die an der Aktienstraße ansässige Deichmann-Gruppe heute über 49.000 Mitarbeiter in 34 Ländern, machte 2022 über 8 Milliarden Euro Jahresumsatz und hat 2023 weltweit mehr als 184 Millionen Paar Schuhe verkauft. Immerhin wäre das schon ein Grund, um an die Borbecker Schuhmachergeschichte zu erinnern.
Doch was bleibt nach der kleinen Reise durch die Zeit? Die Zunahme globaler Wetterphänomene macht auch heute vielen Sorgen – mit einem Patron mit Donatus aber wird keiner mehr etwas anfangen. Die Borbecker Schweinemast ist Geschichte, ihr Patron Antonius Abbas ist in Schönebeck gelandet. Die Schusterzunft ist erloschen, ihre Schutzheiligen sind verschollen und vergessen. Schade eigentlich: Immerhin werden die miteinander verwandten Namen „Crispinus“ und „Crispinianus“ aus dem Lateinischen mit „Der Fröhliche, Heitere, Unbeschwerte oder Kraushaarige“ übersetzt.
Christof Beckmann
Quellen:
Bild unten: Der vollständige Grundriss der alten Dionysius-Kirche mit der Lage der Altäre und Figuren. „Gezeichnet nach den Angaben des Herrn Bauunternehmers Johann Heinr. Pothmann, Essen-Borbeck, den 28. Januar 1918."
Bild unten: Seitenansicht der Dionysiuskirche vom September 1850, aquarellierte Zeichnung im Blick von Norden aus
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