Weniger Parkraum für Autos?

Grüne greifen heikles Thema auf: Kommunale Stellplatzverordnung soll gelockert werden

0 04.07.2019

Essen. Die Essener Grünen scheuen sich nicht, in diesem Sommer heiße Eisen anzufassen. Es geht um die kommunale Stellplatzsatzung. Sie schreibt vor, wie viele Parkplätze für Autos ein Bauherr schaffen muss. Die neue Landesbauordnung aus dem Jahr 2018 schafft neuen Spielraum. Deshalb fordern die Essener Grünen, die Pflicht zur Erstellung von Parkplätzen an ökologischen Kriterien auszurichten. Unterm Strich kann das bedeuten: Deutlich weniger Auto-Parkplätze in den Wohnquartieren.

Der Essener Planungsausschuss am 3.7.2019 und der Essener Rat am 10.7. befassen sich mit der Antragsinitiative der Ratsfraktion der Grünen zur Erstellung einer kommunalen Stellplatzsatzung. Dazu erklärt Christoph Kerscht, planungspolitischer Sprecher der Ratsfraktion der Grünen:

„Die Stadt Essen sollte eine ökologisch ausgerichtete städtische Stellplatzsatzung erstellen. Eine Stellplatzsatzung regelt, wie viele Stellplätze im privaten Raum beim Neu- und Umbau von Gebäuden hergestellt werden müssen. Die Stellplatzanforderungen sollten an die Angebotsqualität beim ÖPNV und Radverkehr angepasst werden. Immobilienbesitzer mit nahe gelegenen Haltestellen mit gutem ÖPNV-Angebot, gut ausgebauten Radwegen oder einem guten Car-Sharing-Angebot können so von kostentreibenden Anforderungen zum Bau von Garagen entbunden werden. Auch für Arbeitgeber mit einem hohen Anteil an Job-Ticket-Inhabern kann dies zu einer Kostenentlastung führen.

Die neue Landesbauordnung der schwarz-gelben Landesregierung schafft die Voraussetzung für derartige an die örtlichen Gegebenheiten angepasste Stellplatzregelungen. Die Stadt Essen sollte sich an den Städten Aachen und Dortmund ein Vorbild nehmen und mit dem Instrument der Stellplatzsatzung auch eine nachhaltige Mobilität fördern.“

Der Antrag der Ratsfraktion der Grünen hat folgenden Wortlaut:

"die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Rat der Stadt Essen beantragt, der Ausschuss für Stadtentwicklung und Stadtplanung empfiehlt, der Rat der Stadt Essen beschließt,

Die Verwaltung wird aufgefordert, einen Entwurf einer ökologisch ausgerichteten Stellplatzsatzung der Stadt Essen zu erarbeiten und den städtischen Gremien zur Beratung und Beschlussfassung vorzulegen. Bei der Erstellung der Stellplatzsatzung sollte sich die Verwaltung an der Muster-Stellplatzsatzung sowie dem Leitfaden zur Erstellung von Stellplatzsatzungen des Zukunftsnetzes Mobilität NRW orientieren.

Die Stellplatzsatzung sollte nach den unterschiedlichen verkehrlichen und städtebaulichen Gegebenheiten in den Quartieren und Stadtteilen differenzieren. Zu einer Verringerung der Pflicht zur Bereitstellung von Stellplätzen können folgende Faktoren führen: - hohe Nähe zu einem ÖPNV-Haltestelle mit gutem Angebot,

- gute Angebotsqualität im Radverkehr, - gute Car-Sharing-Angebote, - gute Angebote von vergünstigten Ticketformen (Job-Ticket, Semesterticket u.ä.) für die hauptsächlichen Nutzenden der Stellplätze. Die Stellplatzsatzung sollte entsprechend dem Vorbild der Städte Aachen und Monheim hohe Richtwerte für die Fahrradabstellplätze vorsehen.

Begründung

Mit der Novelle der Landesbauordnung Nordrhein-Westfalen vom 21. Juli 2018 erhalten die Kommunen die Möglichkeit, eigene Regelungen festzusetzen, wie und in welchem Umfang bei Bauvorhaben Stellplätze für Kraftfahrzeuge und Abstellplätze für Fahrräder geschaffen werden. Eine kommunale Stellplatzsatzung ermöglicht es, die Stellplatzregelungen differenziert auf örtliche Gegebenheiten und kommunale Entwicklungsstrategien auszurichten. Die Stellplatzsatzung kann so als Baustein der kommunalen Verkehrsentwicklung und des Mobilitätsmanagements genutzt werden.

Rechtsgrundlage für den Erlass kommunaler Stellplatzsatzungen ist § 48 Abs. 3 BauO NRW. In der Gesetzesbegründung heißt es dazu (siehe Landtagsdrucksache 17/2166, Seite 2 f.):

„In diesem Zusammenhang wird den Städten und Gemeinden zur Flexibilisierung und unter Berücksichtigung der jeweiligen örtlichen (Verkehrs-)Verhältnisse ein Satzungsrecht eingeräumt, um den örtlichen spezifischen Gegebenheiten besser Rechnung tragen zu können. Dadurch werden Veränderungs-prozesse im Mobilitätsverhalten genauso berücksichtigt wie mögliche Hemmnisse bei der Nachverdichtung innerstädtischer Quartiere durch starre Stellplatzregelungen vermieden.

Die Stadt Essen strebt für die Verkehrsmittelwahl bis ins Jahr 2035 einen Modal Split-Zielwert von 4x25 % (25 % motorisierter Individualverkehr, 25 % ÖPNV, 25 % Radverkehr, 25 % Fußverkehr) an. Diese Ziele aus der Bewerbung der Stadt Essen um den Titel „Grüne Hauptstadt Europas 2017“ haben ihre Niederschlag auch im Nahverkehrsplan (2017), dem Lärmaktionsplan (2017) sowie dem Masterplan Verkehr Essen 2018 gefunden. Eine nach diesen Zielen ausgerichtete Stellplatzsatzung kann einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende in Essen leisten.

Eine Stellplatzsatzung regelt, wie viele Stellplätze im privaten Raum beim Neu- und Umbau von Gebäuden hergestellt werden. Dabei sollte das Ziel verfolgt werden, den ruhenden Verkehr nicht weiter in den öffentlichen Raum zu verlagern und dort zusätzliche Stellplatzbedarfe auszulösen.

Sehr gut vom ÖPNV versorgte Bereiche, eine gute Angebotsqualität im Radverkehr, ein gutes Job-Ticket-Angebot von Arbeitgebern und eine hohe Verfügbarkeit an Car-Sharing-Fahrzeugen ermöglichen eine Verringerung der Pflicht zur Herstellung von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge.

Eine besondere Aufmerksamkeit sind den Fahrradabstellanlagen zu widmen, die eine zentrale Bedeutung für die Nutzung des Fahrrades haben. Denn Fahrradabstellanlagen, die keinen ausreichenden Diebstahlschutz leisten, die bei längeren Abstellzeiten keinen Witterungsschutz bieten oder die nur umständlich zugänglich sind, stellen in der Praxis ein erhebliches Nutzungshemmnis dar. Dies gilt es bei Neu- und Umbau von Gebäuden von vornherein zu vermeiden.

Um den NRW-Kommunen die Aufgabe der Erstellung einer Stellplatzsatzung zu erleichtern und die Anwendung landesweit zu harmonisieren, hat das Zukunftsnetz Mobilität NRW in Zusammenarbeit mit dem Städtetag NRW, dem Landkreistag NRW, dem Städte- und Gemeindebund NRW, der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in Nordrhein-Westfalen e. V. (AGFS) und gemeinsam mit kommunalen Experten eine Musterstellplatzsatzung sowie einen Leitfaden zum Erstellen von Stellplatzsatzungen erarbeitet.

Die Städte Aachen und Monheim haben in ihren Stellplatzsatzungen weitgehende Regelungen zur Förderung einer nachhaltigen Verkehrsentwicklung getroffen.

Die Monheimer Satzung ermöglicht eine Reduzierung der Stellplatzverpflichtung um bis zu 40 Prozent, etwa im Falle eines guten ÖPNV-Angebotes und der Bereitstellung von Car-Sharing-Fahrzeugen.

Auch gemäß der Aachener Stellplatzsatzung ist es möglich, eine gute Anbindung ans Busnetz oder die Schaffung von Carsharing- oder Fahrradverleihstationen einzubeziehen und damit die Zahl der nötigen Stellplätze für Pkw abzusenken."

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