Sie haben Fragen oder Anregungen? Schreiben Sie uns an:
Sie möchten Ihren Beitrag veröffentlichen lassen? Dann nutzen Sie unser
Sie möchten das ehrenamtlich arbeitende Nachrichtenportal borbeck.de unterstützen?
Mit einer Spende für mehr Inhalt und das interaktive leserfreundliche Layout helfen Sie uns sehr, aktuell und zuverlässig zu berichten, Tag für Tag! Auf Wunsch ist eine Spendenquittung möglich.
0 11.10.2024
BORBECK. Bald ist es so weit: Am Samstag, 2. November 2024, steigt ab 19.30 Uhr wieder das große Treffen, zu dem Altschüler Thomas Grosse, Rechtsanwalt und Notar in Borbeck, alle Ehemaligen des Gymnasiums Borbeck (GymBo) einlädt.
Zur Erinnerung: Bereits wenige Jahre nach Kriegsende trafen sich Altschüler im Schloss Borbeck. Das Fest erfreute sich so großen Zuspruchs, dass die „Vereinigung der ehemaligen Schüler des Gymnasiums Borbeck" gegründet wurde. Damit wurde der Grundstein für eine Identifikation der Ehemaligen mit ihrer alten „Penne" für die Zeit nach dem Krieg gelegt.
Dazu trugen die Ehemaligentreffen der folgenden Jahrzehnte erheblich bei. Sie fanden statt beispielsweise als Treffen von Abiturjubilaren oder als Festveranstaltung zur Erinnerung an die Gründung des Gymnasiums Borbeck. Darüber hinaus gewannen Ehemaligentreffen aller Schülergenerationen und ihrer Lehrerinnen und Lehrer zunehmend an Zuspruch.
Man traf sich im Städtischen Saalbau, im Schulgebäude, in einer Gaststätte, im Schloss oder in der Dampf-Bierbrauerei, die im Volksmund einfach „Dampfe" genannt wird. Immer gewünscht: der Austausch zwischen den Schülergenerationen, was das Photo vom Treffen des Jahres 2003 veranschaulicht.
Es zeigt rechts Dieter Lambart, Abiturient des Jahres 1946, im Gespräch mit dem früheren stellvertretenden Bezirksvorsteher Kurt Manthey und Abiturienten des Jahres 2003.
Dieter Lambart hatte eine besondere Beziehung zum GymBo. Zu Beginn der 2000er-Jahre erhielt der seinerzeitige Schulleiter Wolfgang Sykorra einen Tag vor Heiligabend zu Hause einen Anruf. Es meldete sich ein Altschüler. „Ich habe einen ungewöhnlichen Wunsch", sagte Dieter Lambart am anderen Ende der Leitung. „Könnte ich noch vor Weihnachten das Schulgebäude besichtigen?" fragte er vorsichtig. Man einigte sich auf Heiligabend. Nach dem Frühstück erschien Dieter Lambart an der Prinzenstraße. Beim Rundgang durch das leere und ruhige Schulgebäude erklärte er den Grund für sein Anliegen. Zum letzten Mal sei er im Kriegsjahr 1943 im Schulgebäude gewesen.
„Gewissermaßen von einem Tag zum andern bin ich mit Klassenkameraden von der Schulbank als Flakhelfer in den Krieg geholt worden. Zu Weihnachten möchte ich zukünftig die Schule in friedlicher Erinnerung haben. Darum mein Besuch hier heute." Vom Schicksal einiger der als Luftwaffenhelfer eingesetzten Schüler hatte Dieter Lambart, Abiturient des Jahres 1946, dem Schulleiter in mehreren Briefen berichtet und gebeten, seine Schreiben weiterzugeben oder davon zu berichten.
In einem dieser Briefe nannte er die Namen seiner Klassen- und Kriegskameraden: Es handelt sich um: Hans Bongers, Egon Kapplinghaus, Heribert Vierboom, und Hans Vogelsang. Sie taten Dienst in der Flakbatterie zwischen Vogelheimer und Gladbecker Straße. Sie gerieten dort nach nur sehr kurzer Ausbildung und teilweise ohne Stahlhelm am Abend des 5. März 1943 in einen Großangriff der „Royal Airforce. Zwei Soldaten und vier Luftwaffenhelfer starben, darunter Egon Kapplinghaus und Heribert Vierboom. Mehrere Soldaten und Luftwaffenhelfer wurden schwer verwundet, auch Dieter Lambart. Er sah es als seine Verpflichtung an, das Schicksal seiner Kameraden niemals in Vergessenheit geraten zu lassen. Nach dem Krieg wurde er Pädagoge. Als Lehrer und Schulleiter im Bergischen Land war für ihn deshalb die Friedenserziehung ein unabdingbares Gebot.
Dieter Lambart blieb Borbeck und seiner alten Schule immer eng verbunden. Er besuchte darum regelmäßig die Ehemaligentreffen in der Dampf-Bierbrauerei und genoss es, mit jungen Absolventen des Gymnasiums Borbeck ins Gespräch zu kommen. Im Jahr 2012 ist Dieter Lambart verstorben.
Auch Ewald Mertens ließ selten eine Möglichkeit aus, das Gymnasium Borbeck zu besuchen. Deshalb war er am 5. November 2005 auf Einladung des Schulleiters mit dem Flugzeug aus Bad Reichenhall angereist, um an seiner alten Schule nachträglich sein 70jähriges Abiturjubiläum zu feiern. Denn im Jahr 1934 hatte er seine Reifeprüfung bestanden und war danach nach München gezogen, wo er letztlich die Entscheidung traf, Berufssoldat zu werden. Ein Studium war ihm aus finanziellen Gründen - er stammte aus einer kinderreichen Familie - nicht möglich. Vor dem abendlichen Ehemaligentreffen in der Dampf-Bierbrauerei war Ewald Mertens am Nachmittag im Gymnasium an der Prinzenstraße zu Gast. Voller Rührung blickte er auf seine Schülerstammkarte, die unter anderem den handschriftlichen Vermerk „Reifeprüfung bestanden" enthielt.
Seine Freude, seine alte Schule wiederzusehen, drückte er in lustigen Versen aus, die er vor seiner Reise von seinem Wohnort Bad Reichenhall nach Borbeck geschrieben hatte:
Die Ladung ist an mich ergangen.
Voll Freud' hab 'ich sie empfangen.
Bei TUI macht' ich mich klug:
reis' ich per Bahn oder per Flug?
Furchtlos - im Vertrau'n auf Gott -
flieg ich in den „Kohlenpott".
In Salzburg start ich - froh und munter.
In Köln/Bonn komm ich wieder runter.
Sofern - das wäre ungeheuer -
ein „Bruchpilot" am Flugzeugsteuer!
Wenn ich endlich da eintreffe,
erwartet dorten mich ein Neffe,
fährt nach Essen im Mercedes.
Zu weit wär' das für mich per pedes!
Nach kurzer Stärkung, Renovierung
befass ich mich mit Orientierung.
Ich glaub', dass ich den Weg noch kenne
zur Prinzenstraße und zur „Penne".
Dort stell ich mich Glock 17 ein
und möcht' noch einmal Schüler sein!
Als fast 100-Jähriger besuchte Ewald Mertens im Jahr 2013 zum letzten Mal Borbeck. Er gehörte zu den GymBo-Absolventen, deren Lebenswege in dem mit einer Widmung von Herausgeber Lothar Böning und Autor Wolfgang Sykorra versehenen Buch „Von der Penne in die Welt. Borbecker Porträts" nachgezeichnet wurden.
Im Kreis von zahlreich vertretenen Schülergenerationen stellte sich Ewald Mertens anschließend dem Photographen (im hellen Anzug Bildmitte. Rechts neben ihm der ehemalige Oberbürgermeister Wolfgang Reiniger und der ehemalige NRW-Justizminister Thomas Kutschaty). Ewald Mertens starb im 103. Lebensjahr am 10. Juni 2017.
Ähnliche Erlebnisse werden auf dem kommenden Ehemaligentreffen sicherlich wieder ausgetauscht werden. Es wäre schön - so Thomas Grosse als einladender Altschüler auf seiner Homepage - wenn ganz viele Ehemalige am 2. November indie „Dampfe" kämen. Möglicherweise zum letzten Mal. Denn es werde angedacht, für zukünftige Ehemaligentreffen die am Gymnasium Borbeck neu entstandenen Räumlichkeiten zu nutzen.
w.s.
Quellen: Klaus Lindemann: Dies Haus, ein Denkmal wahrer Bürgertugend. Das Gymnasium Borbeck seit der Kaiserzeit. Klartext Verlag, Essen 2005.
Wolfgang Sykorra: Von der Penne indie Welt. Borbecker Porträts. Edition Rainruhr, Essen 2013.
Kommentare
Einen Kommentar schreiben