Stellt Euch um: Die Sommerzeit kommt

Sonntag Nacht werden die Uhren eine Stunde vorgestellt

0 27.03.2020

BORBECK. In diesen Zeiten müssen sich eh viele umstellen: Die Alltagsroutine ist weg, eine neue muss her – und oft stark veränderten Bedingungen. Was das bedeutet, weiß wohl jeder und jede selbst am besten. Das Leben ist aus dem Takt geraten, dabei ist ein geordneter Tages-Rhythmus jetzt umso wichtiger, wie Experten raten. Dazu gehört auch das: In der Nacht vom Sonntag ist Zeitumstellung. Ab 29. März, 2 Uhr, gilt die Mitteleuropäische Sommerzeit (MESZ) und die Uhren werden einfach eine Stunde nach vorne gestellt. Eine Stunde weniger Schlaf sozusagen, dafür Abends länger hell - wer das beherzigt, bleibt im Takt. Oder nicht.

40 Jahre Zeitumstellung

Am kommenden Wochenende sind es übrigens genau 40 Jahre her, dass die Sommerzeit eingeführt wurde. Damals übrigens gleichzeitig mit der damaligen DDR. Lange Zeit hatte es im geteilten Deutschland keine Einigung über die Zeitumstellung gegeben – damals eine hoch politische Frage. Denn die Bundesrepublik wollte einerseits im Einklang mit den westeuropäischen Nachbarländern bleiben, zugleich aber auch keine neue, zeitliche Mauer zur DDR errichten. Bis 1976 hatte schon eine Reihe westeuropäischer Länder, auch Frankreich, die Sommerzeit ohne große Abstimmung mit dem Rest der Europäischen Gemeinschaft (EG) eingeführt. Damit stieg in der Bundesrepublik der Entscheidungsdruck: Der Bundestag verabschiedete im Juli 1978 ein Zeitgesetz, das der Regierung die grundsätzliche Kompetenz übertrug, die Uhrzeit zu verändern. Ausdrücklich erklärte die Bundesregierung aber, sie werde davon so lange keinen Gebrauch machen, bis eine einheitliche Regelung in West- und Mitteleuropa erreicht sei. Zugleich sprachen sich alle Parteien im Bundestag für die Beibehaltung der Zeitgleichheit mit der DDR und Berlin aus.

Deutsch-deutsche Gleichzeitigkeit

Im Oktober 1979 unterrichtete die DDR dann überraschend die Bundesregierung, dass sie beabsichtige, 1980 die Sommerzeit einzuführen. Jetzt zog die sozial-liberale Bundesregierung in Bonn eilig nach: In der Nacht zum Ostersonntag am 6. April 1980 sprang die Uhr erstmals um - die Zeitumstellung sollte künftig während der Sommermonate von Ende März bis Ende Oktober gelten. Damals eine zu eilige Entscheidung für manche Institutionen: Die Deutsche Bundesbahn musste Zehntausende Fahrpläne neu drucken lassen, zudem hatte sie dafür zu sorgen, dass die über 80.000 Uhren in den Bahnhöfen fristgerecht umgestellt werden konnten. Doch das rund 50 Millionen D-Mark teure Unternehmen sorgte zumindest dafür, dass Deutschland geeint blieb - zumindest zeitlich. Begründet wurde damals die Maßnahme nach dem Schrecken der Ölkrise von 1973, dass dadurch das Tageslicht besser genutzt und so Energie eingespart werden könne. Auch die größeren Freizeitmöglichkeiten an langen Sommerabenden galten als Argument.

Eine Zeit für Mitteleuropa

Weil fast jedes europäische Land andere Laufzeiten für Sommer- und Winterzeit eingeführt hatte, sah sich nun auch Brüssel veranlasst, für eine eindeutige Regelung und eine gemeinsame Mitteleuropäische Sommerzeit zu sorgen. Sie trat 1996 in Kraft und verlängerte die Sommerzeit-Phase einheitlich bis Ende Oktober. Weil sich seit Jahren jedoch in Umfragen abbildet, dass die Zeitumstellung in vielen europäischen Ländern sehr unbeliebt ist, startete die EU-Kommission vor den Europawahlen 2019 eine Online-Umfrage. Dabei sprachen sich 84 Prozent der rund 4,6 Millionen Teilnehmer für eine Abschaffung aus, die meisten Menschen votierten für eine dauerhafte Sommerzeit. Nach dem Willen der Kommission sollte darum 2019 die Zeitumstellung beendet werden. Die Mitgliedstaaten sollten selbst entscheiden, ob sie dauerhaft die Winter- oder die Sommerzeit haben möchten. Das zeigte sich allerdings zeitlich als nicht durchführbar. Zuletzt forderte nun das EU-Parlament mit großer Mehrheit ein Ende der Zeitumstellung im Herbst 2021.

Kritik hält an

Umstritten war die Zeitumstellung von Beginn an: Kritiker argumentieren, dass die zweimalige Umstellung pro Jahr trage anders als vermutet - nicht zur Energieeinsparung bei. Zudem bringe die Zeitumstellung den Biorhythmus der Menschen und auch von Nutztieren durcheinander. Das führe bei vielen Menschen zu gesundheitlichen Problemen, vor allem Schlafproblemen und Konzentrationsschwierigkeiten.

Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge geht die Umstellung besonders Frauen auf die Nerven. Zwei Drittel von ihnen können dann entweder abends schlechter einschlafen, nachts schlechter durchschlafen oder haben morgens Probleme beim Aufstehen, teilte die Krankenkasse KKH in dieser Woche mit. Bei den Männern verspürten nur 42 Prozent solche Effekte. Generell hätten zwei Drittel der Bundesbürger nach der Zeitumstellung morgens Probleme mit dem Aufstehen, hieß es. Jeder Fünfte sei tagsüber gereizt oder müde. Jeder Siebte schlafe abends schlechter ein. Deshalb seien auch die meisten von ihnen für eine Abschaffung der Umstellungen auf Sommer- beziehungsweise Winterzeit: 70 Prozent der Menschen im Osten, die deshalb mit Schlafproblemen kämpfen, erwarteten dadurch einen positiven Effekt für die Gesundheit, im Westen 77 Prozent.

cb

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