SPD: Nun ist nicht einmal mehr die Notfallversorgung im kommenden Jahr gewährleistet

Zahlreiche städtische Kliniken in NRW belegen, dass eine Stadt sich sehr wohl selbst um ihre Gesundheitsversorgung kümmern kann

1 22.12.2020

ESSEN/BORBECK/ALTENESSEN/STOPPENBERG. Inmitten einer globalen Pandemie schließen im Essener Norden zwei Krankenhäuser. "Dieser Vorgang dürfte weltweit einmalig sein", heißt es in einer Pressemitteilung der SPD Essen.

"Dass der Oberbürgermeister die Verantwortung von sich weist, ist kein gutes Zeichen", sagen Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD Essen und Ingo Vogel, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Rat der Stadt Essen.

Gemeinsam erklären sie: „Wie ernst die Lage im Essener Norden durch die Schließungen von Marienhospital und St.-Vincenz-Krankenhaus ist, wird immer deutlicher. Nun ist nicht einmal mehr die Notfallversorgung im kommenden Jahr gewährleistet. Zudem entsteht ein besorgniserregender Engpass im Bereich Gynäkologie und vor allem in der Geburtshilfe. Für die zehntgrößte Stadt Deutschlands ist eine solche Unterversorgung mehr als unwürdig."

Der Oberbürgermeister sehe sich durch einen Brandbrief der niedergelassenen Ärzte in seiner Kritik bestätigt und schiebe gleichzeitig sämtliche Verantwortung von sich, so die Essener SPD. Der OB sage: Zuständig für die Gesundheit seien Bund, Land, Kassenärztliche Vereinigung und Krankenkassen.

Kutschaty: "Also alle – außer der Stadt selbst, deren Gesundheitslandschaft im Norden zusammengestrichen wird. Durch dieses Achselzucken sehen wir uns in unserem Eindruck bestätigt, dass OB und Gesundheitsdezernent schon sehr früh die Flinte ins Korn geworfen haben. Denn feststeht: zahlreiche städtische Kliniken in NRW belegen, dass eine Stadt sich sehr wohl selbst um ihre Gesundheitsversorgung kümmern kann. Aber dieser Vorschlag – mehrfach u.a. von Seiten der SPD vorgebracht – wurde kategorisch ausgeschlossen. Es stellt sich die Frage, ob es überhaupt den Willen gab, Krankenbetten im Norden zu retten. Von den besagten ,Verhandlungen' mit Contilia und anderen Trägern – zu denen der Rat der Stadt den OB übrigens per Beschluss verpflichtet hat – erfuhr die Öffentlichkeit zumindest nichts. Das überrascht bei der sonstigen An- und Verkündigungsfreude der Stadtspitze dann doch ein wenig. Offenbar gab es nichts zu berichten."

Stattdessen plane man nun ein Smart Hospital oder digitales Gesundheitszentrum, das eine europaweite Vorreiterrolle einnehmen solle. Kutschaty: "Etwas unterhalb dieser schönen Oberfläche wird jedoch sehr schnell klar, dass selbst die elementarsten Fragen in diesem Unterfangen noch nicht einmal angerissen wurden: Wann kann es losgehen? Wohin soll das Zentrum? Woher sollen die nötigen ärztlichen Niederlassungen im Norden kommen? Welche Fördersummen werden benötigt und wann sollen sie beantragt werden? Aus gut unterrichteten Kreisen wissen wir zudem, dass die Vorarbeit der Stadtspitze auf Bundes- und Landesebene gelinde gesagt mehr als überschaubar ist. Das alles ist angesichts wegbrechender Notfallversorgung und Gynäkologie schlicht und ergreifend viel zu wenig."

So blieben von den Schließungen des Marienhospitals und des St. Vincenz-Krankenhauses vor allem zwei Dinge übrig: 1. ein gewaltiger Verlust für den Essener Norden. Ein Verlust von Arbeitsplätzen, Daseinsvorsorge und Identität. 2. ein bemerkenswertes Zeugnis der politischen Hilflosigkeit der Stadtspitze gegenüber den Volten der katholischen Contilia. Vogel und Kutschaty: "Dass diese Nicht-Initiative dann noch zur großen Leistung verklärt werden soll, ist angesichts von 200.000 Essenerinnen und Essenern, die um ihre medizinische Nahversorgung bangen, zynisch."

"Angesichts dieser Lage braucht es mehr Ärmel-Hochkrempeln als Achselzucken und mehr Handwerk als Worthülsen. Wir fordern den Einsatz für belastbare und schnell umsetzbare Konzepte für die Versorgung im Essener Norden. Das beinhaltet auch, dass für den möglichen Ausbau des Philippusstifts in Borbeck endlich konkrete Förderanträge eingefordert werden und das Verfahren beschleunigt wird. Dazu gehört aber vor allem, die eigene Verantwortlichkeit anzuerkennen, statt den Knecht Ruprecht nach Düsseldorf und Berlin zu schicken. Je länger die Versorgungslücke in den Bezirken V und VI besteht, desto schwieriger wird es, sie wieder zu schließen. Dieses Szenario muss jetzt verhindert werden. Als SPD stehen wir – wie seit Beginn der vielen Kurswechsel der Contilia – dabei weiterhin mit Fachwissen, Rat und Tat zur Verfügung. Als weihnachtlichen Wünsche haben wir dabei mehr Einsatz, Ernsthaftigkeit und Transparenz auf dem Zettel. Der Essener Norden hat in diesem aufreibenden Jahr gute Nachrichten mehr als verdient“, so die beiden SPD-Politiker.

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Kommentare

Kommentar von Georg Paaßen |

Gut und richtig.
Im April oder Mai 2020 hätte ein Erfahrungsaustausch mit Verantwortlichen kommunaler Krankenhäuser auch viel Aufmerksamkeit erregen können. Hat aber niemand von der SPD drüber gesprochen.
Dann wäre vielleicht auch noch Zeit gewesen (Teile von) Vincenz oder Marienhospital ins Eigentum der Stadt zu übernehmen.
Jetzt gäbe es nur noch Immobilien.

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