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0 12.01.2024
BORBECK. „Wir haben die Nachricht erhalten, dass Schwester Adelheid Hildebrandt verstorben ist“, meldet heute die Pfarrgemeinde St. Dionysius. „Regelmäßig war sie hier bei uns in Borbeck und hat von ihrer Arbeit berichtet, die wir immer wieder durch Kollekten, Opferstöcke und Gemeindefesterlöse unterstützt haben. Wir wollen ihrer im Gebet gedenken und vertrauen sie der Liebe unseres Gottes an.“ Am 20. September 1932 geboren, wuchs Adelheid Hildebrandt als fünftes Kind ihrer Familie zwischen Armstraße, Weidkampkreuz und Hülsmannstraße auf und war seit 1973 als Entwicklungs- und Apostolatshelferin in Butare in Ruanda engagiert.
„Butare/Rwanda... Gerne würde ich Ihnen allen persönlich schreiben, doch das übersteigt meine Kräfte. So darf ich sicher auf diese Weise Ihnen allen Dank sagen für die Vielen, denen Ihre Hilfe zugute kommt...“, so oder ähnlich wie hier aus dem Jahr 2001 klangen ihre Briefe aus dem Inneren Afrikas in die Heimat. Immer wieder auch kam sie auf seltene Heimaturlaube nach Hause und konnte dann am Dionysiuskirchplatz wohnen - ein Zimmer war in der Gemeinde für die „Schwester“ immer frei. Dabei gehörte sie gar keinem Orden an: „Das war mein Wunsch von frühester Kindheit an. Aber es hat sich nie so ergeben“, meinte gelernte Schneidermeisterin einmal und erzählte von ihrer Arbeit bei der Werksfürsorge der Knappschaft, davon, dass sie Kurse gab, in den Schuldienst ging und als technische Lehrerin an eine Hauptschule kam.
Eines Tages erschien ein ruandischer Bischof in der Lehrerfortbildungseinrichtung Bottrop von Afrika und fragte, ob sich jemand für eine Aufgabe in seinem Bistum interessieren könnte. „Und da habe ich spontan aufgezeigt“, berichtete Schwester Adelheid. Sie machte noch schnell ein Krankenpflegepraktikum am Philippusstift und flog im Februar 1973 ins tiefste Afrika. Für ein Jahr war sie zunächst Apostolatshelferin in Ruanda, angestellt beim Bischof der Diözese Butare. Und dann wurde aus dem Jahr fast ein ganzes Leben. „Es war nicht immer leicht. Aber ich habe den schönsten Beruf und ich möchte mit niemandem tauschen“, erzählte Schwester „Adelaide“, wie sie in Ruanda genannt wurde, bei einem ihrer Heimaturlaube.
In ihrer Arbeit als Hausmutter, Krankenschwester und Wirtschafterin war sie „Mädchen für alles“ am „Petit Seminaire Virgo Fidelis“ in der Stadt Butare im Süden Ruandas. Und sie fand sich damals schnell ein, obwohl ihr die Verständigung in Französisch und schon gar in der Landessprache zu Beginn noch schwerfiel. In dem mit einem deutschen Gymnasium vergleichbaren Jungeninternat lebten über 350 Jungen von der sechsten bis zur 12. Abschlussklasse - angelehnt an das französische Schulsystem mit einem komplett durchorganisierten Tagesablauf. „Deutsche Kinder würden das bestimmt nicht mitmachen“, meinte sie. „Schon gar nicht selbst zwischendurch die Klassen und Schlafräume putzen, Kartoffeln schälen, Toiletten saubermachen oder den ganzen Tag mit einem Eimer Wasser auskommen - wenn es mal Wasser gibt. Vom Strom ganz zu schweigen.“ Eltern brächten dort große Opfer, um die Schuluniform, Seife, einen Bleistift oder Zahnpasta kaufen zu können, erzählte Schwester Adelheid: „Doch sie wissen: Bildung ist für sie alle überlebenswichtig. So fügen sie sich begeistert in die Schulordnung und büffeln, damit sie aus dem ganzen Elend herauskommen. Das kann man sich hier kaum vorstellen.“ Ganze Generationen gingen während ihrer Zeit durch das Seminar. Und wenn sie in die Hauptstadt kam, wurde sie auch schon mal von Ehemaligen angesprochen, die ihren Weg durch das Studium geschafft hatten und dankbar für die Ausbildung waren, die sie im „Petit Seminaire“ genossen.
Als Hausmutter in der Knabenschule setzte sie sich zusätzlich im Ort für die Ärmsten der Armen ein: Der 1990 begonnene Krieg stürzte das ganze 7 Millionen Einwohner zählende Land in den Ruin, der Genozid 1994 mit mehr als 800.000 Ermordeten hatte es schwer und lange gezeichnet. Sogar Kinder wurden von den Kriegsparteien aus Waisenhäusern geholt, um das Morden mit Macheten und Nagelkeulen zu lernen. Familien entzweiten sich, Dörfer und Landstriche wurden ausgerottet. Hunderttausende flüchteten in die Nachbarländer, umherziehende Banden vergewaltigten Frauen, schleppten Tausende unschuldig in die Gefängnisse. Das Land brauchte Versöhnung: „Bei uns in der Schule leben alle friedlich zusammen, Hutus und Tutsis“, erzählte Schwester Adelheid - trotz aller Schrecken und trotz aller Armut: „Sie strahlen eine große Freude aus, die Familie hat einen großen Stellenwert, die Kirchen sind selbst an den Wochentagen voll und besondere Gottesdienste dauern oft stundenlang.“
Was in Deutschland passierte, verfolgte Schwester Adelheid im Radio über die „Deutsche Welle“. Doch wenn Post aus der Heimat kam, freute sie sich jedes Mal besonders. Natürlich auch über gute Gaben: Denn mit Geld, harten Devisen, konnte sie in Ruanda viel anfangen. Über die Missionare der „Weißen Väter“ organisierte Schwester Adelheid vielfältige Hilfe, auch aus Borbeck, wo sie über Hildegard Schwall sehr unterstützt wurde. Sehr vielen Schülern konnte das Schulgeld gezahlt werden, Spenden ermöglichten medizinische Behandlung. Auch Baumaßnahmen wurden durchgeführt, Dächer gedeckt, Lebensmittel gleich tonnenweise besorgt, Kinderpatenschaften waren nicht nur Ausbildungs- und Unterhaltshilfe für das einzelne Kind, sondern eine sehr große Unterstützung für die betreffenden Familien mit allen Kindern.
Die Malaria hatte Schwester Adelheid oft erwischt, zuletzt litt sie viel an Malaria und Rheuma und ließ sich darum auch mehrfach in Deutschland behandeln. Sie war eine der letzten Europäerinnen in Butare und konnte – bescheiden wie sie war - auf eine große Lebensleistung zurückschauen. Wie die KiVu-Post aus dem Osten der demokratischen Republik Kongo am 5. Dezember 2023 berichteten, erkrankte sie und starb am 1. Dezember 2023 im Alter von 91 Jahren. Vor einer Messe, die Bischof Filipo Rukamba im Dom von Butare feierte, wurde sie unter großer Anteilnahme der Bevölkerung im „Petit Seminaire Virgo Fidelis“ in Karubanda beigesetzt. Sie habe der Kirche als Vorbild gedient, so der Bischof in seiner Predigt: „Sie diente der Kirche in verschiedenen Aktivitäten, verbrachte 39 Jahre im Seminar in Karubanda, das sie im Alter von 80 Jahren erst verließ. Die Liebe für die Armen ließ sie auch Unbekannten helfen. Als sie keine Kraft mehr hatte, wollte sie nicht in ihre Heimat zurückkehren, sondern in Ruanda bleiben und alt werden, das sie so sehr liebte.“ Auch viele Ehemalige sprachen am Grab und dankten für ihre unentwegte Hilfe.
Cb / Bild oben: Kivu-Post
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