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1 30.10.2022
BORBECK / ESSEN. Prälat Otmar Vieth, langjähriger Pfarrer an St. Dionysius, Essener Dompropst und früherer Essener Stadtdechant, ist am Samstagabend, 29. Oktober 2022, verstorben. Das meldet am Sonntagmorgen die Pfarrgemeinde St. Dionysius: „Beten wir für ihn, dass sich an ihm erfüllt, was er geglaubt und verkündet hat! Näheres zu Requiem und Beisetzung geben wir zeitnah bekannt.“
Otmar Vieth wurde mitten im Krieg 1941 geboren und wuchs in Bochum-Riemke auf. Schon als Junge war er mit den ganz praktischen Fragen des Lebens vertraut und half im kleinen Lebensmittelgeschäft seiner Mutter mit. Geprägt von seiner Zeit bei der Bundeswehr, lernte der junge Theologiestudent im Betriebspraktikum auch die Arbeit unter Tage kennen. Stolz blieb er immer auf seine Herkunft und auf seinen schwarzen Steigerhelm.
Am 30. Januar 1969 wurde Otmar Vieth in seiner Heimatstadt durch den Essener Gründerbischof Franz Hengsbach zum Priester geweiht. Nach Kaplanszeit in Essen-Frillendorf und Essen-Rüttenscheid kam er 1974 als Leiter der Abteilung Sozialwesen ins Bischöfliche Generalvikariat Essen. Dort galt seine besondere Sorge der Gemeinsamen Sozialarbeit der Konfessionen (GSA) im Bergbau und bei Opel. Im selben Jahr wurde er zum Domvikar ernannt, zwei Jahre später übernahm zwei Jahre später die Aufgabe des Domzeremoniars. Einer besonderen Herausforderung stellte sich Otmar Vieth mit dem Gottesdienst von Papst Johannes Paul II. bei dessen Deutschlandbesuch 1987 im Gelsenkirchener Parkstadion. Vieth übernahm die Aufgabe, diese Messfeier als Zeremoniar maßgeblich mit vorzubereiten und zu gestaltet.
Mit seiner Ernennung zum Stadtvikar in Essen war Otmar Vieth 1982 „rechte Hand“ des damaligen Stadtdechanten Karl Zurnieden geworden und kam 1985 als Nachfolger von Pfarrer Ludwig Theben an die Pfarrei St. Dionysius nach Essen-Borbeck. Als Pfarrer an St. Dionysius übernahm er bis 1995 das Amt des Dechanten des Dekanates Essen-Borbeck, ab 1988 auch das des Stadtdechanten von ganz Essen.
Als Chef des Katholischen Stadthauses mit seinen Verwaltungsstellen, Beratungsgremien, Bildungs- und Beratungseinrichtungen war zugleich Vorsitzender des Caritasverbandes für die Stadt Essen, wirkte für die Fürstin-Franziska-Christine-Stiftung, initiierte die Gründung der sozialen „Cosmas & Damian-Stiftung“ auf Stadtebene und übernahm vielfältige Verpflichtungen für die gesamte Stadtkirche.
1990 berief ihn der damalige Bischof, Kardinal Franz Hengsbach, als nichtresidierenden Domkapitular in das Essener Domkapitel. Am 10. Januar 2005 ernannte ihn Bischof Felix Genn zum Nachfolger von Prälat Günter Berghaus als Dompropst am Essener Dom. Nach Bischof Hubert Luthe (1992–2002; † 2014) trug er in dieser Aufgabe wesentliche Mitverantwortung für die Wahlen und Amtseinführungen von Bischof Felix Genn (2003–2009, seitdem Bischof von Münster) und Bischof Franz-Josef Overbeck (seit 2009).
Mit der Ernennung zum Dompropst endete Pastor Vieths Amtszeit in Borbeck, wo er nicht nur das kirchliche Leben zwei Jahrzehnte lang aktiv mitprägte. Die Verabschiedung in seiner alten Pfarrkirche am 13. Februar 2005 würdigte seine zahlreichen Initiativen. Der ausgemachte Computerfan, Irland-Liebhaber und wahrscheinlich einzige Pastor von Borbeck, der seinen eigenen Kirchturm erkletterte, blieb bis heute der Einzige, der jemals mit Urkunde zum „Ehren-Borbecker" ernannt wurde.
Nicht nur die völlige Sanierung von Kirche im Herzen von Borbeck, der neue Dionysiuskirchplatz oder der Bau des neuen Pfarrhauses sind bis heute Zeugnisse von Pfarrer Vieths Engagement. Wesentliche Schwerpunkte setzte er vor allem in der sozialen Arbeit: Neben der Erweiterung des Philippusstiftes und dem Anschub zur Kooperation der Krankenhäuser im Essener Nordwesten engagierte sich Pfarrer Vieth für Alten- und Pflegeheime, für betreutes Wohnen, die Kindergärten der Gemeinde und für Psychisch Kranke. Er förderte die Arbeit im Asylbewerberheim an der Neustraße, die Einrichtung einer Borbecker Zweigstelle der Familienbildungsstätte, die Pfarrbücherei oder den Ökumenischen Weltladen an der Hülsmannstraße. Zu seinen bleibenden Verdiensten gehören die Gründung der Katholischen Krankenhaushilfe und nicht zuletzt die des Cosmas-und-Damian-Hospizes in Bedingrade.
Auch mit weiteren Initiativen machte er die Kirche und Spuren der Geschichte im Stadtbild sichtbar, so in der würdigen Gestaltung der Friedhöfe, der Instandsetzung des Heiligenhäuschens an der Gerichtsstraße oder in der baulichen Erhaltung von Wegkreuzen und Kapellen im Gemeindegebiet. Der aus der französischen Heimat des Pfarrpatrons stammende Kreuzweg in der Dionysiuskirche bleibt ihm zu verdanken und mit dem großen Glasfenster des berühmten Künstlers Emil Wachter in der Kapelle des Philippusstifts wird ein herausragendes Kunstwerk an Vieths Borbecker Zeit erinnern.
Dass Pfarrer Otmar Vieth auch nachhaltig um die Pflege und Erhaltung vieler Initiativen bemüht war, zeigt die 2002 von ihm angeregte und 2003 „auf ewig“ begründete „Sankt Dionysius-Stiftung Essen-Borbeck“: Sie wird über den Tag hinaus kirchliche, soziale und kulturelle Zwecke in der ganzen Pfarrei und im Dienst der Menschen in Borbeck fördern.
Als Pastor an der Mutterkirche Borbecks war Vieth aber nicht zuletzt Seelsorger: Er legte besondere Sorgfalt auf die würdige Gestaltung der Liturgie, klare Sprache und schnörkellose Predigten standen für einen „geerdeten“ eigenen Glauben. Krankenhausbesuche, Glaubensgespräche, die Vorbereitung und Spendung der Sakramente der Taufe, Erstkommunion, der Ehe und der Beichte lagen ihm sehr am Herzen. Auch die Verantwortlichen in den Gemeinschaften und Verbänden, Gebetsgruppen oder Hilfsprojekten „in Dio“ – darunter damals mehr als 150 aktiven Ministrantinnen und Ministranten - stärkte er mit Rat und Tat den Rücken, er galt als verlässlich, verbindlich, hilfsbereit, als guter Zuhörer mit einem phänomenalem Namensgedächtnis und setzte auf die aktive Mitverantwortung der Laien in der pastoralen Arbeit der Pfarrei.
Neben seiner Sorge um gutes ökumenisches Miteinander der christlichen Konfessionen prägte ihn bis zuletzt sein früh gewecktes großes Interesse an der sozialen und kirchlichen Geschichte der Region: Mit ausgeprägtem Sinn für die Pflege von Traditionen und Heimatbewusstsein unterstützte er daher in guter Nachbarschaft mit der „Alten Cuesterey“ etwa das Wirken des Kulturhistorischen Vereins Essen-Borbeck e.V. (KHV) und engagierte sich für die Erhaltung bergbaulicher Spuren auf Borbecker Gemeindegebiet. Auch zahlreiche spannende Aufsätze zu ehemaligen Klöstern, Kirchen und zur katholischen Sozialbewegung zeugen von seinem Interesse an der regionalen Kirchengeschichte und der Entwicklung des religiösen Lebens im späteren Ruhrbistum. Zeugnis seiner besonderen Sorge um den Dom sind bis heute die Erweiterung der Domschatzkammer und die Neugestaltung des Domhofs, die 2010 vom Bund deutscher Architekten mit dem Architekturpreis ausgezeichnet wurde.
Eine besondere Ehre wurde Vieth 2007 mit der Ernennung zum „Päpstlichen Ehrenprälaten“ durch Papst Benedikt XVI. zuteil, seit Oktober 2008 war er in Anerkennung seiner Verdienste Ehrenstadtdechant von Essen. Aus gesundheitlichen Gründen bat Otmar Vieth 2013 nach neunjähriger Amtszeit als „Hausherr“ am Dom um seine Emeritierung als Dompropst und konnte 2019 sein Goldenes Priesterjubiläum begehen. Der Domkirche blieb er jedoch eng verbunden - ebenso wie vielen Menschen in Borbeck und den Eucharistischen Ehrengarden, die er viele Jahre als Geistlicher Ehrenoberst begleitet hat.
cb
Fotos: Goldenes Priesterjubiläum Otmar Vieth 2019, Nicole Cronauge / Bistum Essen, Portrait: Achim Pohl | Bistum Essen
Kommentare
Kommentar von Ina Germes-Dohmen |
Das ist ein sehr schöner und treffender Bericht zu den vielen Verdiensten von Pfarrer und Dompropst Otmar Vieth. Danke dafür. Er hätte wahrscheinlich freundlich-bescheiden abgewunken bei so viel Ehrung. Aber mich, die ich ihn erst als Dompropst kennenlernte, hat diese Wertschätzung seiner Person sehr gefreut. Er hat sie verdient. St. Dionysius in Borbeck hat er mir einmal mit dem Stolz und der Verbundenheit des früheren Pastors gezeigt. Wie schön, dass diese Verbundenheit wechselseitig ist.
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