Pater Otto Nosbisch SDB zur Lage in der Kirche

Ein Interview zum Hundertjährigen von Don Bosco in Essen

0 30.01.2022

BORBECK. 100 Jahre Don Bosco in Essen – das wollten die Salesianer Don Boscos und die Don-Bosco-Schwestern natürlich gemeinsam größer feiern. Auftakt für das am 30. Januar 2022 geplante Fest sollte ein Pontifikalhochamt mit Bischof Franz Josef Overbeck sein. Aus München hatten sich Provinzoberin Schwester Petra Egeling und Provinzial Pater Reinhard Gesing zum Festakt angesagt, dazu Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen und Pfarrer Benedikt Ogrodowczyk von der Pfarrgemeinde St. Dionysius. Doch dann machte Corona einen Strich durch die Rechnung. Bei den derzeit steigenden Inzidenzzahlen sei das Risiko zu hoch, so Pater Otto Nosbisch, Direktor des St. Johannesstifts der Salesianer Don Boscos.

Ein Radio-Interview zum Jubiläum

Dass der runde Jahrestag trotzdem auch die Medien interessierte, war klar. Ein Radio-Interview der Redaktion Kirche im Privatfunk (KiP-NRW) nahm allerdings eine ganz ungeplante Wendung. Der Direktor des St. Johannesstifts an der Theodor Hartz-Straße stellte die Arbeit und das besondere Profil der salesianischen Gemeinschaft in Borbeck und weltweit vor, erinnerte an die Anfänge der Niederlassung „zwischen den Schloten“ und blätterte im neu aufgelegten „Immerwährenden Kalender“. Doch wurde das Gespräch mit Pater Otto, das heute morgen im Kirchenmagazin „Himmel & Erde" auf den 45 Lokalradios in NRW ausgestrahlt wurde, auch zu einem nachdenklichen Kommentar zur aktuellen Lage der Katholischen Kirche.

Ist die Kirche abgetaucht?

Den oft geäußerten Vorwurf, dass die Kirche derzeit nur um sich selbst kreise, dass man von ihr während der andauernden Corona-Zeit nichts gesehen und gehört habe, wies Pater Otto entschieden zurück. Der Don Bosco Club habe etwa mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Zeit der Pandemie beispielhafte Arbeit geleistet, kein Kind, kein Jugendlicher sei abgewiesen worden. Auch am Don Bosco-Gymnasium habe man sich neben der üblichen Arbeit in der Schulpastoral um Begleitung und Antworten bemüht.

Diese „eigentliche Dimension der Kirche“, so Pater Otto, sei untergegangen. Zunehmend werde kaum noch gesehen, dass sie ihr Gesicht vor allem im diakonalen Dienst zeige: „Dieses Dasein für Menschen zeigt sich ja in vielen Einrichtungen, ob das Krankenhäuser sind, Altenpflegeheime, Seniorenheime, Schulen, offenen Jugendeinrichtungen, in den Gefängnissen, wo auch immer soziale Nöte sind“. Dies sei eine Dimension der Kirche, „wie Kirche auch zu sein hat.“ Auch bei einem einseitigen Blick auf die Verfehlungen in der Kirche trete das oft ganz in den Hintergrund.

„Ich leide unter dem, was momentan ist“

Das noch vor dem jüngsten Statement von Kardinal Marx in München geführte Gespräch griff auch den Skandal des Missbrauchs in der Kirche auf. Die darum seit Jahren anhaltende Diskussion sei wichtig und müsse geführt werden, erklärte Pater Nosbisch nachdrücklich. Die Probleme, die Krise und das Negative dürfe man nicht kleinreden: „So schlimm, so katastrophal, das darf man ja nicht leugnen. Das wär ja auch nicht richtig, es zu leugnen, auf gar keinen Fall“, stellte Pater Otto sehr emotional klar. Das alles aufzuarbeiten sei wichtig, bei allen Fehlern, die wiederum auch mit dem Blick auf die Opfer geschähen: „Ich leide unter dem, was momentan ist. Ich leide darunter und ich verstehe Menschen, die einfach sagen: Jetzt ist Schluss - und treten aus der Kirche aus.“ Er kenne genügend, denen er auch sehr verbunden sei und diesen Schritt gingen. Für ihn selbst sei dies keine Option, so Pater Otto, auch wenn er sich selbst oft genug frage, wo er in dieser Kirche stehe: „Ich hasse sie manchmal und ich liebe sie. Doch ich finde Heimat in ihr.“ Die Grundlage bleibe seine Berufung und das Beispiel Jesu, der auf die Menschen zuging: „Er hatte einen Blick für die Menschen. Und das ist unsere Berufung. Das ist meine Berufung.“

Verwandlung der Kirche nötig

Die Zeit, in der die Zeit in der Kirche stehe, mache ihn „innerlich schon traurig und ohnmächtig“, räumte er ein. Umso dringend notwendiger sei die Debatte um die Fragen, die ab dem 3. Februar wieder auf dem „Synodalen Weg“ angegangen würden - sowohl in der Deutschen Bischofskonferenz, als auch durch den von Papst Franziskus begonnenen Synodalen Weg auf Weltebene: „Wir müssen natürlich schauen, zu welchen Lösungen es kommt“, so Pater Otto. „Aber ich glaube, wir brauchen eine Verwandlung der Kirche. Sie muss sich verwandeln lassen in eine Struktur, in der das sogenannte Laienapostolat noch mal mehr an Bedeutung gewinnt. Und dabei vor der Ämterfrage keine Angst haben, sondern einfach schauen: Wie können wir alle als getaufte und gefirmte Christen hier Unseres dazu tun?“

Familiengeist über Generationen hinweg

Auch weitere Fragen nach dem Stand der Ökumene, zum Engagement an der Basis und zur Frage des geschwisterlichen Umgangs griff Pater Otto auf. Hier habe der Begriff der „Familie“ eine besondere Bedeutung - auch in der Ordensgemeinschaft und auf die Kirche selbst. „Das ist schon ein Familiengeist, der uns zusammenhält und aus dem heraus wir unter die jungen Menschen gehen und Zeugnis geben“, erklärte er. Die Idee, im Geiste Don Boscos oder im Geiste Maria Mazzarellos für junge Menschen da zu sein, verändere sich nicht. Sie gehe weiter - über die Generationen hinweg. Dass man jetzt 100 Jahre Präsenz in Borbeck feiern könne, sei „doch was ganz, ganz Tolles“, meinte Pater Otto und schmunzelte: „Ich bin mir auch sicher, dass die Menschen hier im Umfeld das genauso sehen, die froh sind und dankbar sind, dass es ja und es gibt. Ich behaupte das mal so.“

Hinweis: Die Redaktion KiP-NRW griff das Jubiläum in Essen-Borbeck in ihrer landesweit ausgestrahlten NRW-Sonntagssendung „Himmel & Erde“ auf. Zudem stellte sie das ausführliche Gespräch in einem 25-minütigen bebilderten Video auf ihre YouTube-Seite.

100 Jahre Salesianer Don Boscos in Essen. Im KIP-Interview: Pater Otto Nosbisch SDB.

Kalender: In das Jubiläumsdoppeljahr ist die salesianische Familie in Essen mit einem immerwährenden Kalender gestartet, der einen Rückblick auf das Wirken, die Entwicklung und die verschiedenen Bereiche der Essen-Borbecker Niederlassung gibt. Er ist im Sekretariat des Don-Bosco-Gymnasiums an der Theodor-Hartz-Straße und bei „Das Buch" in Borbeck zum Preis von 9,95 Euro erhältlich.

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