Neue Ausstellung zu NS-Gedenkstätten in NRW

„Mehr als man kennt – näher als man denkt“ zieht durchs Land

0 29.10.2020

Der November ist in jedem Jahr der Monat, in dem neben Allerheiligen, Allerseelen und dem Volkstrauertag auch einschneidender Ereignisse der deutschen Geschichte gedacht wird. So ist der 9. November mit gleich mehreren Jahrestagen verbunden: Der 9. November markiert mit dem Waffenstillstand von Compiègne das Ende des 1. Weltkriegs 1918, die Ausrufung der Republik durch Philipp Scheidemann 1918 und den Fall der Mauer 1989. Doch ist der Tag nicht zuletzt auch dem Gedenken an die Reichspogromnacht 1938 gewidmet, in der in ganz Deutschland über 1.400 Synagogen in Brandgesteckt wurden, jüdische Deutsche geprügelt, verhaftet und ermordet wurden. Zehntausende wurden deportiert und seit dieser Nacht systematisch verfolgt und ermordet. Organisiert hatten die Gewaltakte im gesamten Deutschen Reich die Nationalsozialisten, deren Propaganda die Verbrechen in den gleichgeschalteten Medien vorbereitet hatten.

Neue Ausstellung geht auf den Weg

Die Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen hat dazu mit dem Arbeitskreis der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V. eine neue Ausstellung auf den Weg gebracht: Neben einer digitalen Ausstellung, die am 15. September an den Start gegangen ist, wird ab sofort eine Wanderausstellung durch die fünf Regierungsbezirke Nordrhein-Westfalens ziehen und bis April 2021 anhand von Objekten aus 29 NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorten von den Schicksalen hinter den Gräueltaten des Nationalsozialismus erzählen.

Die Geschichten hinter den Objekten

Unter dem Titel „Mehr als man kennt – näher als man denkt“ will die Ausstellung den Blick auf die Geschichten hinter den Ausstellungsobjekten lenken. Diese Auseinandersetzung eröffne neue Perspektiven auf die menschlichen Schicksale, die mit ihnen verbunden sind, erklärte Klaus Kaiser, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen: „Es sind Opfer – aber auch Täter, denen wir in dieser Ausstellung begegnen.“ Der Vorsitzende des Arbeitskreises der NS-Gedenkstätten und -Erinnerungsorte in NRW e.V., Dr. Stefan Mühlhofer, betont: „Wichtig ist, was die Besucherinnen und Besucher am Ende mit nach Hause nehmen: Eine Vergegenwärtigung des Geschehenen und die Fähigkeit, diese Denk- und Diskussionsanstöße für die Orientierung in der Zukunft zu nutzen.“

Mosaiksteine aus der Alte Synagoge in Essen

Eine solche Geschichte steckt auch hinter den gezeigten bunten Glasscherben und Mosaiksteinen vom Torahschrein der Alten Synagoge in Essen. Sie wurden nach der Pogromnacht, am Morgen des 10. November 1938, von der damals elfjährigen Doris Moses in dem ausgebrannten Bauwerk aufgesammelt. Ihre Familie konnte illegal über die Grenze in die Niederlande flüchten, wo sie sofort in Westerbork interniert wurde. Die Nationalsozialisten machten das Lager zum „Polizeilichen Juden-Durchgangslager Westerbork“ und zum Ausgangspunkt für die Deportationen nach Auschwitz, Sobibór, Theresienstadt und Bergen-Belsen. Auch Doris wurde 1944 mit ihrer Familie nach Theresienstadt deportiert. Ihr Vater wurde im Februar 1945 auf dem Marsch vom Lager zum Arbeitseinsatz erschossen, die Mutter ging nach der Befreiung mit den Kindern zurück nach Holland. Von dort aus emigrierten sie zu Verwandte nach Australien und die Mosaiksteinchen aus der Essener Synagoge gingen während dieser ganzen Zeit nicht verloren. Als Doris Moses 1988 von der Stadt Essen eingeladen wurde, brachte sie die Mosaiksteine mit und überließ sie der Alten Synagoge. Auch ihre zwei Poesiealben brachte sie mit. Sie sind heute mit einem Foto der Familie Moses im Ausstellungsteil „Jüdisches Leben in Essen“ zu sehen. Mehr: Weitere Informationen zur Gedenkstätte

Die neue Wanderausstellung „Mehr als man kennt – näher als man denkt“ wird in den Gebäuden der jeweiligen Bezirksregierung gezeigt und steht allen interessierten Besucherinnen und Besuchern, unter Berücksichtigung der geltenden Corona-Schutzmaßnahmen, kostenfrei offen. Zum Abschluss ist eine Präsentation im Landtag vorgesehen. Online werden die 29 Objekte bereits durch eine digitale Ausstellung in Form von anschaulichen Kurzvideos und weiterführenden Beschreibungen vorgestellt. Die digitale Ausstellung ist hier zu finden: https://pb.nrw.de/mehr-als-man-kennt.  

Foto oben: Landeszentrale für politische Bildung NRW

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