Natur und Geschichte nebenan

Unterwegs im „Köllnischen Wald“

0 22.03.2020

BORBECK / KIRCHHELLEN. Nur ein paar Kilometer von Borbeck entfernt - und man ist in einem der größten, zusammenhängenden, naturnahen Laubwälder im nordrhein-westfälischen Flachland. Der „Köllnische Wald“ bietet mit vielfältigen Eichen- und Buchenwäldern nicht nur etwas fürs Auge. Und schon in früheren Zeiten zog es auch aus Borbeck abenteuerlustige Jugendgruppen und Spaziergänger in diese Region. Viele sind es heute nicht, die sich in diesen Zeiten auf den langen breiten Wegen verlieren, freundlich und aus respektvollem Abstand grüßen: Der Parkplatz am sonst so beliebten Landhaus Specht ist kaum benutzt, bis voraussichtlich 19. April hat das sonst so frequentierte Lokal geschlossen. Und doch lässt sich hier – auch ohne Kaffee und Kuchen - ein sonniger Rundgang starten.

Naturschauspiel in frischer Luft

Das etwa 188 ha große Naturschutzgebiet „Köllnischer Wald“ zwischen Alt-Bottrop und Kirchhellen liegt inmitten der beiden Landesstraße L 623 und 621, nordöstlich verläuft die A 31, südlich die A 2, hier ragen die Halde Schöttelheide und die Halde Haniel in den blauen Himmel. Hier zieht in diesen Tagen viel frische Luft durch die vielfach über 150 Jahre alten Baumbestände, die Sonne glitzert auf den vielen kleinen murmelnden Bächen, Kleiber und Spechte flitzen an den moosigen Stämmen entlang, Stieglitze und Meisen stöbern durch das noch liegende Herbstlaub. Überall recken sich weiße und gelbe Becherblüten der Sonne entgegen. Und nur die sich leicht im Wind bewegenden Baumkronen sind zu hören – ein besonderes Erlebnis in diesen Tagen, an denen viele auch „mal raus wollen“.

Grenzland mit alter Geschichte

Schon der Name zeigt, dass der Wald eine uralte Geschichte hat: Bottrop und das im alten „Vest Recklinghausen“ gelegene Kirchhellen wurden erst mit der Gebietsreform 1976 zusammengeschlossen. Sie gehörten einst dem Erzbistum Köln und grenzten an das damalige fürstliche Stift Essen. Kirchhellen gehört zu den ältesten Kirchengründungen südlich der Lippe und dürfte bereits im 10. Jahrhunderte eine erste kleine Kirche gehabt haben. Erzbischof Pilgrim von Köln (1021–1036) stiftete die spätere Pfarrkirche Johannes Baptist, schenkte sie 1032 der Abtei Deutz und Papst Eugen III. bestätigte 1147 diese Schenkung. Südlich von Holthausen im heutigen Grafenwald gründete die Äbtissin des Klosters Duissern um 1226-1240 ein Zisterzienserinnenkloster und erhielt dafür vom Kölner Erzbischof Konrad von Hochstaden 1240 einen Schutzbrief. Zwischen 1255 und 1264 verlegte man das Kloster ins angrenzende Sterkrade, wo es dort 1264 erstmals erwähnt wird.

Der erzstiftische Oberhof des Erzbistums wurde zum Ende des 13. Jahrhunderts mit 38 Unterhöfen dem Oberhof Recklinghausen angegliedert, das Kirchspiel Kirchhellen spätestens ab 1600 als Teil des westlichen Untervestes von der Stadt Dorsten aus verwaltet. Der Kirchenbesitz blieb bis 1767 bei der Abtei Deutz und mehrere Adelsfamilien machten hier in den vergangenen Jahrhunderten ihren Einfluss geltend: Die drei Wolfsangeln aus dem Schild der Familie von Brabeck gingen in das Kirchhellener Wappen über, daneben bestanden unter anderem Haus Beck in Feldhausen, Haus Dringenburg in Hardinghausen, Haus Hackfurth am Freistuhl Hackfurt, Haus Repel in der Bauerschaft Ekel, Haus Vettenbocholt in der Bauerschaft Feldhausen und die ehemalige Burg Kirchhellen. Doch kam das gesamte Vest mit der Auflösung der kirchlichen Besitze 1803 in den Besitz des Herzogs zu Arenberg und 1811 unter napoleonischer Herrschaft zum Großherzogtum Berg. Erster Bürgermeister in der Mairie Kirchhellen wurde Freiherr von Wenge auf Haus Beck.

Hier lag die Kohle besonders tief

Das Gastspiel Napoleons dauerte nicht lange: Die Preußen übernahmen das Vest Recklinghausen und seine Ordnung, es wurde der Provinz Westfalen im Königreich Preußen und dem Regierungsbezirk Münster zugeschlagen sowie 1832 mit Bottrop und Osterfeld zu einer großen Bürgermeisterei vereinigt. Erste Förderungen der hier sehr tief liegenden Kohle in den 1840er Jahren waren zunächst wenig erfolgreich, doch sollte sich das ändern. Von allen Seiten trieben sich die Flöze unter das Gebiet, in dem Industrie kaum entstand und auch das Bevölkerungswachstum nicht so stark anstieg.

Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der hier letzte große Kämpfe sah, setzte eine Veränderung ein. Die Kohle und die Abbaustätten des Bergwerks Prosper-Haniel wanderte nach Norden bis in die Kirchheller Heide, wo noch 1981 der Schacht 10 (Prosper V) abgeteuft wurde. Er wurde erst 2018 stillgelegt. Die Auswirkungen des Bergbaus werden hier aber noch lange spürbar bleiben: Heute sorgen Pumpen dafür, dass der „Köllnische Wald“ nicht zu einer Seenplatte wird. Durch den Bergbau ist das Gelände abgesackt und der Grundwasserspiegel angestiegen.

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