Martin leuchtet – trotz allem

Statt Martinszug: Laternen in die Fenster stellen

0 06.11.2020

BORBECK. Wie bereits am 10. August gemeldet, fällt der Martinszug in Frintrop aus, sonst einer der größten in ganz Deutschland – bitter für die Organisatoren und die jährlichen Besucher. Morgen, am 7. November, sollte er wieder mit 4.000 bis 6.000 Teilnehmern durch die Frintroper Straßen ziehen. Doch musste sich der Ausrichter, der Bürger- und Verkehrsverein Essen-Frintrop (BVV), in diesem Jahr leider dagegen entscheiden – nun findet er erstmals seit 1966 nicht statt.

Doch freute er sich über eine Idee, die vor zwei Wochen über die sozialen Netze kam: In der Woche vom 7. bis 15. November sollen jetzt die Laternen in die Fenster gehängt werden. Dazu ruft der BVV alle in Frintrop und Bedingrade auf: „Basteln Sie mit Ihren Kindern und Enkeln im Vorfeld der Martinszeit Laternen und besinnen Sie sich auf die Bedeutung dieses Festes“, so BVV-Pressesprecher Rainer W. Seck. „Erzählen Sie dabei die Martinsgeschichte und singen mit den Kindern. So schaffen wir es auch in diesen Tagen, das Brauchtum rund um das Martinsfest festzuhalten.“

Lichterglanz überall

Damit liegen die Frintroper voll im Landestrend: Überall in NRW, sogar bundesweit, wird diese Idee inzwischen in ähnlicher Form propagiert. Die katholischen Bistümer etwa überall im Land haben Kinder und Familien aufgerufen, in den kommenden Tagen abends Martinslaternen und Kerzen in die Fenster zu stellen. In den Bistümern Köln und Aachen, Münster, Limburg, Mainz, Trier, Freiburg oder Rottenburg wurden über die kirchlichen Kindergärten dazu sogar mehrere Zehntausend feuerfeste Papiertüten verteilt, die mit Martins-Motiven bemalt und danach mit Kerzen beleuchtet werden können. Fotos der individuell gestalteten Laternen können unter dem Hashtag #stmartin2020 im Internet gepostet werden. Das Erzbistum Paderborn prägte für die Aktion den Titel „Lichtermeer zur Martins Ehr“, der inzwischen bis zum Niederrhein aufgegriffen wurde.

Bereits sehr früh im Jahr hatte sich auch der Borbecker Bürger- und Verkehrsverein (BBVV) mit dem Förderverein Schloß Borbeck e.V. entschlossen, aus Gründen der Pandemie auf den Martinszug rund um Schloss Borbeck zu verzichten. Vielen wird aus früheren Jahren vor allem auch der Abschluss in der Arena mit dem Martinispiel in Erinnerung sein. Neben der Szene mit der Mantelteilung kam es hier zu einer sicher bundesweit unüblichen Begegnung: Denn Sankt Martin traf hier auch auf die von kleinen Burgfräulein und Rittern begleitete Fürstäbtissin, die sich an die Kinder wandte und die enge Verbindung des Festes an den jahrhundertelangen Zins- und Pachttermin am St. Martins-Tag erklärte. Hier im Video vom 7.11.2018.

Laternen sollen leuchten!

Auch wenn der Reitersmann nun diesmal nicht durch die Straßen ziehen kann, sollen die Lichter in den Straßen leuchten. Diesem Aufruf schließen wir uns für alle Ortsteile im Stadtbezirk IV gerne an! Wir meinen: Sie können auch 2020 Zeichen der Zuversicht in dieser besonders geprägten Jahreszeit sein. Die Einladung gilt: Ab dem Wochenende darf man gerne bis zum Martinstag am 11.11. seine Laternen auf der Straßenseite ins Fenster stellen. Ein Spaziergang am Abend sollte sich lohnen – Kinder dürfen dabei gerne alle Laternen zählen. Und wer mit seinem Namen ein schönes Bild an die Redaktion von www.borbeck.de schickt, wird es bei uns online wiederfinden! Per Mail an: redaktion@borbeck.de.

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Mehr zum Hl. Martin von Tours: In vielen Regionen Deutschlands ist bis heute das Martinsbrauchtum verbreitet: Martinszüge mit Pferd und Laternen, Verteilung von Süßigkeiten, Gänsebraten machten das Brauchtum um den Heiligen zum immateriellen Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen. Die nach dem heiligen Martin von Tours benannten Umzüge rund um den 11. November erinnern an die Legende, nach der Martin seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte. Alle Infos dazu auf der Internetseite: http://www.martinstradition.de.

Das Leben des Martin von Tours ist recht gut dokumentiert. Geboren wurde er um 316/17 in Sabaria (heute Szombathely) im heutigen Ungarn, war Soldat, Priester, Einsiedler und Bischof. Er trat als 15-Jähriger in Pavia in die römische Armee ein und gehörte zu einer in Gallien eingesetzten Kavallerie-Eliteeinheit. Der Legende nach spielte sich 334 in Amiens jene Szene ab, die alljährlich bei den Martinszügen eine Rolle spielt: In einem strengen Winter begegnete er einem armen, unbekleideten Bettler, der um Hilfe bat. Martin teilte mit dem Schwert seinen Mantel und gab dem Frierenden eine Hälfte. In der Nacht sah er im Traum Christus bekleidet mit dem Mantelstück und Martin ließ sich taufen. Er wurde Priester, zog sich als Einsiedler zurück, gründete 361 mit dem Kloster Ligugé das erste Kloster im westlichen Abendland und wurde 371 vom Volk zum Bischof von Tours ausgerufen. Damit verbunden ist die Erzählung, dass Martin sich in einem Gänsestall versteckte, um so diesem Amt zu entgehen. Doch das Geschnatter des Federviehs – so die Legende - verriet ihn.

Martin, der 397 starb, hinterließ nachhaltigen Eindruck: Frankenkönig Chlodwig machte ihn gut 100 Jahre nach dessen Tod zum „Nationalheiligen“ des Reiches, sein verehrter legendärer Mantel (lateinisch: „capella“) wurde zum Reichsheiligtum und findet sich noch heute in der Bezeichnung für eine kleine Kirche – auch das Wort „Kaplan“ steht damit im Zusammenhang. Mit der Vergrößerung des Frankenreiches kam Martin sehr früh in unsere Region. Er ist Schutzpatron Frankreichs und der Slowakei, Landespatron des Burgenlandes in Österreich, Patron der Bistümer Mainz und Rottenburg-Stuttgart sowie tausendfacher Namensgeber für Kirchen und Klöster weltweit. Er ist der erste Heilige überhaupt, der kein Märtyrer ist. Sein Gedenktag, der Martinstag am 11. November, galt früher als Winteranfang und Tag der Zins- und Pachtzahlungen. Zu den fälligen Naturalabgaben gehörte auch die Martinsgans als Höhepunkt eines üppigen Festtagsessens. In Gallien und auch in den Klöstern begann früher mit dem Martinstag die Adventszeit, die damals sechs Wochen dauerte und als Bußzeit mit dem Verzicht auf Fleischspeisen verbunden war. Somit bot sich der Vorabend des Martinstages an, noch einmal richtig zuzulangen und zu feiern: den 11.11. als Karnevalsbeginn, an dem heutzutage „Prinz Karneval“ proklamiert wird.

Europäischer Martinsweg: Europäische Martinswege gehen inzwischen durch Frankreich, Ungarn, Italien, England, Kroatien und Slowenien. Denn seit einigen Jahren entsteht auf Initiative des Europarats ein europäisches Netz von Pilgerwegen, die ähnlich wie die Jakobswege nach Santiago de Compostela in Nordspanien durch ganz Europa führen, an den populären Heiligen der Mantelteilung erinnern wollen und seinen Geburtsort im heute ungarischen Szombathely (Steinamanger) mit dem französischen Tours verbinden. Die Hauptroute der „Via sancti Martini“ verläuft von Ungarn aus nach Slowenien, über Venedig nach Mailand, durchs Aosta-Tal und überquert beim Kleinen Sankt Bernhard die Alpen Richtung Lyon und endet der Weg in Tours. Die Route berührt damit eine Reihe von Orten, an denen Martin laut historisch gut gesicherten Erkenntnissen auch gewesen ist. Ein zweiter Weg durch Österreich, Deutschland, Luxemburg und Frankreich wird Mittelroute genannt. Für die Strecke durch die Bistümer Freiburg, Speyer, Mainz und Trier wurde im November 2016 wird das letzte durch Deutschland führende Teilstück zwischen Trier und Luxemburg eröffnet. Hinzu kommen zwei weitere Routen: Die eine führt in Süd-Nord-Richtung vom spanischen Saragossa durch die Pyrenäen nach Tours, die andere verbindet als Nord-Süd-Tour das niederländische Utrecht mit der Stadt an der Loire. Erkennbar sind alle Wege an bordeauxroten Tafeln mit einem gelben Kreuz und dem Signet des Europarates. Das Wegenetz umfasst rund 2.500 Kilometer. Infos: www.martinuswege.eu.

BUCHHINWEIS: Judith Rosen, Martin von Tours. Der barmherzige Heilige, Verlag Philipp von Zabern – WBG, 2016, 280 Seiten, Preis: 29,95 Euro, ISBN: 9783805350242. Zum 1700. Geburtstag im Jahr 2016 zeichnete die Bonner Autorin Judith Rosen ein auf breiter Quellenbasis beruhendes, anschauliches Portrait dieser zentralen Figur des spätantiken Christentums und seiner Zeit. Die mit zwölf Illustrationen, zwei Karten und einem Register ausgestattete Arbeit machen das Buch – nicht nur für Spezialisten – sehr lesenswert.

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