Kostbares Fundstück in der Alten Cuesterey

Österreich-Ungarischer Knappenverein in Borbeck

0 06.12.2019

BORBECK. Es hätte kaum besser passen können: Pünktlich zur laufenden Bergbau-Ausstellung in der Alten Cuesterey freut sich der Kultur-Historische Verein seit heute über ein brandneues kostbares Exponat. So ganz neu ist es allerdings nicht: Es ist die gestickte Fahne eines „Öst.-Ung. Knappenvereins Borbeck“ mit seinem Gründungsdatum vom 14. Oktober 1906.

Lange schlummerte das Stück in der Asservatenkammer der Eucharistischen Ehrengarde St. Dionysius Borbeck, die just mitten in den Vorbereitungen für das 100-jährige Bestehen des Bezirksverbandes im kommenden Jahr steckt. Bei ihren Recherchen in den Archivbeständen der Cuesterey kam die Fahne nun an den Weidkamp - und wurde gleich aufgehängt, wie Andreas Koerner mitteilte. Damit weitet der neue Hingucker bei der laufenden Ausstellung „Bergbau in Borbeck“ den Blick auf ein wichtiges Thema: Ein großer Teil der ins Ruhrgebiet geströmten Arbeitskräfte kamen von weit her – doch jetzt wird es in besonderer Weise sinnfällig und anschaulich.

Polnische Knappen- und Arbeitervereine

Ganz neu ist die Existenz des Vereins nicht: Hinweise finden sich vor allem im Archiv der Dionysiuspfarrei, wo unterschiedliche Archivalien von einem lebendigen und bunten Pfarrleben früherer Zeiten berichten. So nahmen hier etwa die polnischen Katholiken eine gewisse Sonderstellung ein, da sie über eigene polnisch sprechende Seelsorger verfügten. Die Kirche sorgte für eigene Andachten und Messen der sprachlichen Minderheiten, die auch für Slowenen, Italiener, Niederländer und Litauer eingerichtet wurden. Polen allerdings nahmen eine Sonderstellung ein, weil sie in vielfacher Weise auch eigene Organisationen ausprägten, etwa im politischen und sportlichen Bereich, in eigenen Zeitungen und eben in ihrer besonderen Kirchlichkeit.

Im Pfarrleben traten polnische Katholiken vor allem bei großen Veranstaltungen wie Prozessionen und Wallfahrten auf – die Frauen mit bunten Kopftüchern, die Männer aber auch in ihren eigenen polnischen Arbeiter- oder Knappenvereinen. Bereits 1897 vereinigte allein der Polnische Knappenverein in Bottrop 420 Mitglieder und stellte damals den größten aller sieben Polenvereine im Bereich des heutigen Bistums Essen - darunter ein Verein in Steele, der St. Josefs-Polen-Verein in Wattenscheid, der Polnische Knappenvereine in Buer, Erle-Middelich, Horst und Laar. Aufmerksam verfolgt wurden sie überall von den Verwaltungen auf Regierungs- und Landratsebene, Polizeispitzel saßen in den Veranstaltungen und allein kirchliche und schulische Feiern waren nach Maßgaben der Regierung zur Durchführung des Reichsvereinsgesetzes von Genehmigungen ausgenommen.

Auch die Borbecker Bürgermeister beobachteten die Vereinsaktivitäten, die hier eine eigene Dynamik entwickelt hatten. Danach bestanden 1908 ein Polnischer Turnverein „Sokol“, ein Polnischer Musikverein, ein Polnischer Lotterieverein, der St. Johannes-Polenverein, der St. Josefs-Polenverein, der St. Antonius-Polenverein, der St. Barbara-Polenverein, der polnische Gesangverein Einigkeit und der Verein der polnisch-sozialistischen Partei für Borbeck und Umgegend. Mitgliederversammlungen wurden überwacht und sogar aufgelöst, wenn kein Deutsch gesprochen wurde, Tanzfeste wurden untersagt.

Deutlich mehr Freiheiten fanden die Vereine im kirchlichen Raum: Dies zeigt der 1909 gegründete Borbecker „Katholische St. Adalbert-Verein“, dessen Satzung im Wesentlichen mit denen anderer kirchlicher Berufsvereinigungen übereinstimmte. Mit ihnen traten sie auch gemeinsam auf – so etwa bei der 50-Jahr-Feier des St. Marien-Knappenvereins Borbeck im jahr 1911: Der in viele Bezirke organisierte älteste aller bergbaulichen Vereine weihte damals zu Ehren seiner Patronin die heute noch bestehende Lourdesgrotte an der Außenmauer der Kirche ein. In den Berichten geschildert wird ein mit großem Pomp gefeiertes Fest für die Knappen auf den Zechen des Bergwerk-Vereins „König Wilhelm“ (Wolfsbank, Neuköln und Christian Levin) mit Fackelzug, Konzert, auswärtigen Fahnenabordnungen, mit Festmesse und einem Festzug, an dem über 60 Brudervereinen und vier Festwagen teilnahmen, auf denen der Bergbau unter Tage dargestellt war. Beim Festakt sprach der Volksvereinsdirektor und spätere Reicharbeitsminister Dr. Heinrich Brauns, ganz Borbeck war im Fahnenschmuck und selbst Kaiser Wilhelm II. ließ für übersandte Grüße per Telegramm aus Potsdam danken.

Spuren: Österreich-ungarische Vereine

Neben Vereinen für Mitglieder mit polnischen Wurzeln finden sich aber auch Spuren von österreichischen Grupperungen: So hatte sich nach Akten des Borbecker Bürgermeisteramts 1908 ein Verein mit dem Namen „Austria“-Borbeck aufgelöst, der bereits auf einen landsmannschaftlichen Zusammenschluss von Österreichern verweisen mag. Doch erst 1912 wird ausdrücklich erstmals ein Verein unter einer konkreten Bezeichnung genannt.

Anlass war der mit großem Aufwand gefeierte Amtsantritt des neuen Pfarrers Dr. Joseph Hammels (1868-1944), der von 1912 bis 1922 Pfarrer in Borbeck war und später Weihbischof in Köln wurde. An seiner Einführung nahmen alle Vereinigungen der Pfarrei teil. Nach der im Kirchenblatt veröffentlichten Zusammenstellung der Vereine für den Festzug trat hier Mitte April 1912 neben dem Polenverein St. Adalbert auch ein „Österreichisch-Ungarischer Knappenverein“ auf, über dessen Herkunft, Gründung, Wirken, pfarrliche Zuordnung und Lebensdauer bisher kaum weitere Nachrichten vorliegen.

Nach Recherchen von Andreas Koerner ist der Verein 1917 und 1919 in der gedruckten Prozessionsordnung im Aufstellungsplan auf dem Borbecker Platz vertreten, 1921 taucht er nicht mehr auf. 1926 ist von einem „Österreichischer Knappenverein St. Barbara“ zu Bochold die Rede, der Anfang des Jahres eine eigene Kevelaer-Wallfahrt vom Bahnhof Borbeck aus unternahm. Dazu vermerkten die Pfarrnachrichten: „Auch Nichtösterreicher können teilnehmen. Manche Borbecker werden diese zweite Gelegenheit zur altbeliebten Kevelaerwallfahrt begrüßen“. (KB 16(1926), 31 vom 1.8.)

Die neu aufgetauchte Fahne

Nach diesen schnellen ersten Befunden bleibt zunächst ein genauerer Blick auf die nun aufgetauchte Fahne selbst, die alle Merkmale einer typischen Knappenvereinsfahne aufweist: Die aufwändig gestickte bunte Bildseite zeigt mit der Umschrift „Oesterr. Ungar. Knappenverein – Borbeck“ und dem Datum 14. Oktober 1906 einen knienden Knappen in Bergmannskittel vor der in Rot und Blau gekleideten Schutzpatronin Barbara, die mit ihren Insignien Schwert, Kelch und Turm dargestellt ist. Die vier Ecken zeigen mit Eichenblättern verzierte bergbauliche Symbole wie Hammer und Schlägel oder eine Bergmannslampe.

Auf der Rückseite ist das von Lorbeer und Eichenlaub umgebene Hammersymbol eingefasst durch den Spruch „Auch in dem tiefsten Schacht / Gottes Auge wacht – Glück Auf!“. Ein kunstvoll verdrehtes dreifarbiges Band zeigt die Farben Rot, Weiß und Grün – ein Hinweis auf die ungarischen Nationalfarben. Damit gibt es nun für weitere Nachforschungen einiges Material. Wir sind gespannt, was bei den Untersuchungen herauskommt. Für die Bergbauausstellung in der „Alten Cuesterey“ ist der „Fund“ auf jeden Fall ein bedeutender Glücksfall.

„Bergbau in Borbeck“: Vortrag am Abend

Das weitere Vortragsprogramm wird am Abend mit einer Vorstellung der ältesten Prosper-Zeche fortgesetzt: Helmut Brus zeigt im Rahmen der Veranstaltung „Bergbau in Borbeck" beim Kultur-Historischen Verein Borbeck e.V. die Geschichte der Zeche Prosper I mit vielen alten Fotos und Dokumenten. Von ihrer Abteufung 1856 bis zur Stilllegung 1929 befand sich die Zeche in ihrer aktiven Zeit auf Borbecker Gebiet. Erst mit der Umgemeindung der Borbecker Gebiete nördlich des Rhein-Herne-Kanals kamen 1929 die Zeche Prosper I vom Borbecker Ortsteil Gerschede und die Prosperkolonie vom Ortsteil Vogelheim zu Bottrop und wurden hier zum neuen Stadtteil Ebel. Der Vortrag findet heute, Freitag, 6. Dezember, ab 17 Uhr in der alten Cuesterey, Weidkamp 10, statt. Der Eintritt ist kostenfrei.

C. Beckmann

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