Jauchzet, frohlocket – auch heute?

Weihnachtswort von Superintendentin Marion Greve

0 19.12.2019

ESSEN. „Jauchzet, frohlocket“´- in ihrem Weihnachtsgruß zitiert Superintendentin Marion Greve den Eingangschor aus dem berühmten Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach – und gibt ihre persönliche Antwort auf die Frage, warum diese Worte uns auch heute, in einer Zeit des großen Leids, der Gewalt und der Ungerechtigkeiten, durch die Weihnachtstage tragen. Ihre Weihnachtspredigt hält Marion Greve an Heiligabend, 24. Dezember, in der Christvesper um 18 Uhr in der Erlöserkirche, Friedrichstraße 17/Ecke Bismarckstraße.

„Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage! Rühmet, was heute der Höchste getan! Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an! Dienet dem Höchsten mit herrlichen Chören, lasst uns den Namen des Herrschers verehren!“ (Johann Sebastian Bach: Eingangschor aus dem Weihnachtsoratorium BWV 248)

Weltberühmte Worte aus dem Weihnachtsoratorium von Johann Sebastian Bach aus dem Jahr 1734, die mich berühren; am zweiten Adventwochenende in der Erlöserkirche, gesungen vom Essener Bachchor – und genauso in diesem Jahr auch in anderen Essener Gemeinden. Die fünf Paukenschläge, mit denen die Musik beginnt: „Achtung! Wichtig! Herhören und alles andere vergessen!“ Wie jedes Jahr denke und fühle ich: Jetzt, jetzt bin ich im Advent – richte mich auf Weihnachten hin aus. Das Weihnachtsoratorium eröffnet einen Raum für meine Erwartung. Es sind die alten Worte des Propheten Jesaja, die hier nachklingen: „Jauchzet, ihr Himmel, freue dich Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der Herr hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden.“ (Jesaja 49,13).

Alles Vertröstung pur? Angesichts von drängenden sozialen Problemen in unserer Stadt und unserem Land? Angesichts von Millionen Menschen, die sich abgehängt, unverstanden und vor allem ungehört fühlen? Nein, keine Vertröstung, sondern Sehnsucht, die sowohl den Frust und die Empörung kennt als auch die Bestimmung zur Freiheit und zur Weite. Der Prophet Jesaja, Bachs Weihnachtsoratorium – sie sind beide Sehnsuchtsweckende, sie halten in mir die Sehnsucht wach, am Advent Gottes und seinen Verheißungen festzuhalten – gegen allen Widerspruch. ER WIRD KOMMEN! Die täglichen Aufgaben, das Stolpern und Steckenbleiben werden nicht verschwinden. Aber jedes Jahr verwandelt mich das Weihnachtsoratorium und erinnert mich daran, wie Gott mich gewollt hat. Mensch mit menschlichem Antlitz. Mit einem Herz, das hüpft vor Liebe. Mit Seele, richtig Seele. Und wachsendem Mut, den Frieden auszurufen und dass ein guter Stern über allem steht. Mit offenen Augen für die Wunder, die mitten in meiner Stadt geschehen: Die Nachbarin, die mir einen Christstollen backt und am Nikolaustag vor die Haustür legt. Junge und alte Menschen, die auch in unserer Stadt aufstehen für zivile Seenotrettung als christliche und humanitäre Pflicht. Die sich als Teil der Schöpfung Gottes verstehen und sich dafür einsetzen, sie zu bewahren.

„Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage! Rühmet, was heute der Höchste getan! Lasset das Zagen, verbannet die Klage, stimmet voll Jauchzen und Fröhlichkeit an!“ Also: Lasst uns an Wunder glauben. An Verwandlung – wie die Hirten im Stall. Lasst uns in dieser Advent- und Weihnachtszeit zu Friedens-Stiftern werden, zu Tür-Öffnenden, Bereit-Stehenden, Ihm-Entgegen-Gehenden, Sehnsuchts-Weckenden und Lob-Preisenden: „Jauchzet, frohlocket, auf, preiset die Tage! Rühmet, was heute der Höchste getan!“

Essen, zu Weihnachten 2019

Marion Greve

Superintendentin des Kirchenkreises Essen

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