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0 09.12.2022
„BORBECK, 9. Dez. Gestern Morgen durcheilte die Trauerkunde unseren Ort, dass der hochw. Pfarrer der katholischen Pfarre Borbeck, Herr Dechant Wilhelm Thönissen, plötzlich verschieden sei. Der Heimgang dieses von der ganzen Bürgerschaft hoch verehrten Geistlichen hat allgemeine Trauer hervorgerufen, umso mehr, als man von einem ernstlichen Kranksein nichts wusste. Der Entschlafenen hat durch seine Herzensgüte und edle Gesinnung es verstanden, alle Herzen zu gewinnen, und jeder Bürger steht mit aufrichtiger Trauer an der Bahre des verewigten Priesters. Die Beerdigung findet am Dienstag, den 12. Dezember, vormittags, ½ 10 Uhr statt.“ – So war es am Samstag, 9. Dezember 1911, in der BORBECKER ZEITUNG zu lesen, die damals als „Allgemeiner Anzeiger für die Bürgermeisterei Borbeck und Umgebung“ im 31. Jahrgang erschien.
„Fürchte Gott, so brauchst du sonst niemand zu fürchten“, schrieb er selbst unter ein von ihm im Atelier von Martin Hönscheidt aufgenommenes Portrait - ein ernst und selbstbewusst blickender Mann im Priesterornat, der vom 30. Mai 1895 bis zu seinem Tod 16 Jahre lang Pfarrer an St. Dionysius in der Bürgermeisterei Borbeck war. Geboren in Aachen am 24. August 1843, war Wilhelm Thönissen am 1. September 1867 in Köln zum Priester geweiht worden. Seine erste Anstellung erhielt er in Geilenkirchen und kam 1872 - vor 150 Jahren - als Religionslehrer an die Höhere Mädchenschule der Congregatio B.M.V. in Essen. „Hier musste er bald die ganze Härte des Kulturkampfes an sich erfahren“, ist in seinem bei Josef Lohkamp in Borbeck gedruckten Totenzettel zu lesen. „Als die Schule geschlossen wurde, war er ein eifriger Helfer der Seelsorge in ihrem nunmehr so schweren Amte.“ Nach dem Kulturkampf wurde Wilhelm Thönnissen 1887 zunächst Kaplan in Stolberg, 1890-1895 dann Pfarrer in Bergheim an der Erft. Mit 52 Jahren kam er am 30. Mai 1895 als Pfarrer nach Borbeck, wie der Totenzettel verzeichnet:
„In dieser großen Industriegemeinde wirkte er mit rastlosem Eifer. Die Pfarreien Dellwig und Schönebeck wurden unter seiner Leitung abgetrennt. Er ließ das katholische Krankenhaus „Phillippusstift“ bedeutend erweitern, sowie eine Näh- und Handarbeitsschule erbauen. Doch größer als in all dieser Wirksamkeit war er in der Auffassung seines priesterlichen Berufes. Die Pfarre verliert an ihm den pastor bonus, den Guten Hirten. Es waren Weihestunden für seine Pfarrkinder, wenn er am Altar das hl. Meßopfer darbrachte. Von diesem ehrwürdigen Priestergreis ging ein Hauch wahrer Frömmigkeit aus, und sein Tugendbeispiel wirkte vorbildlich für alle, die ihn kannten. Die größten persönlichen Opfer brachte er für die Feier des Gottesdienstes und den Schmuck der Kirche, gemäß seinem Kunstverständnis. Den Armen war er ein steter Wohltäter; er konnte keinem einen Wunsch abschlagen. Für sich kannte er keine Wünsche, keine Erholung. Seinen Pfarrkindern war er alles so berief ihn mit Recht das Vertrauen seiner Behörde zur Würde des Dechanten des Dekanates Werden.
Der Schule wahrte er stets das wärmste Interesse. Der Lehrerschaft war er als Ortsschulinspektor weniger ein Vorgesetzter als ein Freund. Auch die Zivilgemeinde verliert in ihm einen Mann, der ihr unschätzbare Dienste geweiht hat. Als Mitglied des Kuratoriums des hiesigen Gymnasiums, der gewerblichen Fortbildungsschule, der Schul- und Armendeputation wird sein Wirken von dauerndem Segen sein. Nach einem solchen Leben können wir von ihm sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, den Glauben bewahrt. Drum ist mir die Krone des ewigen Lebens hinterlegt, welche mir der gerechte Richter geben wird“, zitierte der Totenzettel ein Wort aus dem 2. Paulusbrief an Timotheus.
Pfarrer Wilhelm Thönnissen (Mitte) mit Geistlichen der Borbecker Pfarre 1910
Der Nachfolger von Pastor Karl Sonnenschein setzte sich in seiner Amtszeit besonders für das Krankenhaus ein, legte aber auch die Grundlage für eine prächtige Neuausstattung der Pfarrkirche und sammelte dafür Spenden. Erst sein Nachfolger, Pastor Hammels, vollendete schließlich seine Vision und ließ den gesamten Altarraum aufwändig neu aufbauen. Pastor Tönnissen starb nach einem Schlaganfall im Alter von 68 Jahren im 45. Jahr seines Priestertums. „Der Verstorbene war ein Priester nach dem Herzen Gottes“, so der Nachruf von Pfarrgeistlichkeit, Kirchenvorstand und kirchlicher Gemeindevertretung, „ein Vater seiner Gemeinde, ein Muster und Vorbild für seine Pfarrkinder.“
Auch Borbecks Bürgermeister Baasel widmete ihm noch am Todestag in der Essener Volks-Zeitung einen Nachruf: „An der Bahre des teuren Entschlafenen trauern nicht allein die Pfarreingesessenen, sondern die ganzen Bürger der Gemeinde Borbeck. Verlieren sie doch in dem Entschlafenen außer einem edlen Priester von vornehmer Gesinnung, seltenem Pflichteifer und geradezu vorbildlichen Lebenswandel auch einen vornehmen denkenden Mitbürger von treuer vaterländischer Gesinnung und echt christlicher Nächstenliebe. (…) Der Name des Hochwürdigen Herrn Dechanten und Pfarrer Thönissen wird in der Gemeinde Borbeck unvergänglich bleiben.“
Am Tag seines Begräbnisses wurde die sterblichen Überreste von Wilhelm Thönnissen zur Dionysius-Kirche überführt, seinem Sarg folgte eine große Menschenmenge. Das für nach seinem Tod auf dem Friedhof an der Hülsmannstraße errichtete Grabdenkmal besteht schon lange nicht mehr: Es wurde in den frühen 1960er-Jahren durch ein neues Denkmal ersetzt. Heute ist die Beerdigungsstätte die Priestergruft von St. Dionysius.
Quellenangabe für alle Bilder: Dionysius Archiv / Kreul
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