Hedwig Dransfeld: Eine Erinnerung zu ihrem 100. Todestag

Schriftstellerin, Politikerin, Frauenrechtlerin im Borbeck-Lexikon

0 12.03.2025

BORBECK. Sie galt als eine der größten Rednerinnen ihrer Zeit: Die Politikerin Hedwig Dransfeld, deren Spuren auch nach Altendorf und Borbeck führen. Zu ihrem 100. Todestag am 13. März 2025 hat borbeck.de-Autor Franz Josef Gründges ein Portrait verfasst - ein neuer aktueller Beitrag in unserem Borbeck-Lexikon. Im Folgenden seine Aufzeichnung zu einer zu Unrecht vergessenen kämpferischen Frau:

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Kürzlich hat der FrauenRat NRW das Schloss Borbeck zum FrauenOrt NRW auserkoren. Damit soll die historische Bedeutung von Maria Kunigunde von Sachsen (1740-1826), letzte Fürstäbtissin des Stiftes Essen, gewürdigt werden. Ortswechsel. Am 14. März 2025 findet in Werl eine Gedenkveranstaltung statt, bei der an ihrer Grabstätte in Werl und am Werler Kloster der Ursulinen Stelen aufgestellt werden, die an Hedwig Dransfeld, Frauenrechtlerin, Sozialreformerin und Politikerin (1871-1925) erinnern.

In der folgenden behutsamen Annäherung an eine zu Unrecht lange vergessene Frau wird sich zeigen, dass sie drei Lebenwege durchlaufen hat: Als Schriftstellerin (geliebte Tätigkeit, aber brotlose Kunst), als Pädagogin (lebensnotwendige Tätigkeit, aber ungeliebt) und als Verbandsfunktionärin, Publizistin, Politikerin und frühe Frauenrechtlerin (erfüllende Tätigkeit und erfolgreich). Das kommt auch in der von Barbara Schmidt verfassten detailreichen Biografie von Hedwig Dransfeld zum Ausdruck.

Herkunft, Ausbildung und schulische Tätigkeit

Geboren ist Hedwig Dransfeld am 24. Februar 1871 in Hacheney im Süden von Dortmund. Dort gab es das Wasserschloss Brünninghaus, Stammsitz der Adelsfamilie von Romberg, bekannt als Wohnsitz des Freiherrn Gisbert II. von Romberg (1839-1897), der als Vorlage für die Romanfigur des „Tollen Blomberg“ gilt. Hedwigs Vater Clemens Dransfeld, er starb am 9. September 1875 mit 36 Jahren, war Oberförster auf den Romberg’schen Gütern auf Lebenszeit. Die Mutter Elise Fleischhauer – aus einer rheinischen Arztfamilie stammend – starb am 27. Juli 1879 im Alter von nur 32 Jahren. Fünfzehn Tage zuvor war die Tochter Clara, genannt Ella, an einer Lungenentzündung gestorben.

Damit war Hedwig mit ihren drei verbliebenen Geschwistern Toni (*1865-aus der ersten Ehe des Vaters), Clemens (*1869) und Vera (*1875) zur Vollwaise geworden. Johanna Fleischhauer, die Großmutter mütterlicherseits nahm die beiden jüngsten Kinder, Hedwig und Vera, für einige Zeit bei sich auf. Dafür erhielt sie vom Freiherrn von Romberg ein Pflegegeld. Da die Großmutter in Hörde wohnte, wurde die bereits schulpflichtige achtjährige Hedwig in die vierte Klasse der katholischen Volksschule in Hörde aufgenommen. Nach dem Abschluss der Volksschule besuchte Hedwig das katholische Waisenhaus St. Elisabeth in Dortmund und wurde dort möglicherweise als Hilfslehrerin eingesetzt. Von dort ist sie im Alter von 16 Jahren nach Paderborn ins katholische Königliche Lehrerinnenseminar geschickt worden. Hier bestand sie im Februar 1890 die Abschlussprüfung für Volksschullehrinnen mit durchweg sehr guten Noten. Drei Tage nach der Prüfung wurde Hedwig 19 Jahre alt.

An der Ursulinenschule in Werl fand sie im gleichen Jahr als erste weltliche Lehrkraft Anstellung und Unterkunft. Die als anspruchsvoll geltende „Hilfslehrerin“ legte nach zweijähriger Praxiserfahrung im September 1892 vor der Königlich Preußischen Prüfungskommission in Münster eine viertägige Prüfung ab, durch die sie die nötige Befähigung zur Lehrerin der mittleren und höheren Mädchenschulen erhielt. Damit war sie ihrem Ziel, als unverheiratete Frau auf eigenen Füßen stehen zu können, näher gekommen. Das hatte viel Kraft gekostet, zumal sie in der Zeit vor und nach dem Examen wegen einer Knochentuberkulose immer wieder ans Bett gefesselt war. Zur Vermeidung einer Blutvergiftung musste ihr zunächst ein Großteil des linken Fußes und später die linke Hand und der Unterarm samt Ellbogen amputiert werden.

Allen Einschränkungen zum Trotz erwarb Hedwig Dransfeld 1897 im Fernstudium das Diplom für Schulvorsteherinnen und wurde schließlich Leiterin des Pädagogischen Seminars der Ursulinenschule. 1902 übernahm sie neben der schulischen Tätigkeit die Redaktionsleitung der Zeitschrift „Die christliche Frau“. Die Schriftstellerei stellte sie auf Grund der Doppelbelastung weitgehend ein. 1908 schrieb sie sich an den Universitäten in Münster (SS 1909 und WS 1909/10) und Bonn (SS 1910) als Gasthörerin ein. Mit dem Auslaufen des von ihr geleiteten Studienseminars an der Ursulinenschule im Jahre 1911 ist offenbar auch ihre pädagogische Laufbahn an ein Ende gekommen. Dafür spricht, dass sie an der Schule fortan als beurlaubte Lehrerin geführt wurde. 1922 stellte Hedwig Dransfeld den Antrag auf vorzeitige Pensionierung als Lehrerin. Nach eigenem Bekenntnis hat sie sich für den Lehrberuf nie so recht begeistern können. Konsequenterweise beendete sie nicht zuletzt wegen ihrer zunehmenden (verbands-) politischen Aktivitäten die pädagogische Laufbahn. Auch die Schriftstellerei hängte sie schweren Herzens an den berühmten Nagel.

Schriftstellerische Tätigkeit. Werke (Auswahl):

Hedwig Dransfeld wollte immer Schriftstellerin sein. Das Schreiben sah sie als ihre eigentliche Berufung an. Schon 1893 erschien im Verlag der A. Stein’schen Buchhandlung in Werl ihr erster Gedichtband (über 300 Seiten), eine feinfühlige Lyrik um Sehnsucht, Liebe und Schmerz (Irdische Liebe Hochzeit, Verlassen), in der auch naturlyrische Töne (Reifes Korn, Weiße Nächte, Im Park, Chrysanthemum) und sozialpolitische Themen anklingen. Ihre Jugendschriften wie „Wie das Grafendorli glücklich wird“ 1897) „Nach harter Prüfung“ (1898) und „Die Seeschwalben“ (1900), herausgebracht im Verlag J.P. Bachem in Köln, fanden starke Beachtung und machten sie in katholischen Kreisen bekannt. Später wollte sich Hedwig Dransfeld nicht gern an die frühen Gedichte und Geschichten erinnern lassen.

Verbandspolitische Tätigkeit

1902 wurde Hedwig Dransfeld wie bereits erwähnt leitende Redakteurin der Zeitschrift „Die christliche Frau“. Sie blieb es bis November 1920. Zahlreiche Vortragreisen und öffentliche Reden, unter anderem beim Deutschen Caritastag 1906 und auf dem Deutschen Frauenkongress im Februar 1912 im Berliner Reichstag zum Thema „Die Frau im kirchlichen und religiösen Leben“, sowie ihre vielbeachteten Aufsätze zu Fragen der geistigen und sozialen Förderung der Frau und zu sozialpolitischen Themen machten sie immer bekannter. 1907 gehörte sie zu den Mitbegründerinnen des katholischen Hildegardis-Vereins, dessen Ziel darin bestand, Frauen in verantwortliche Positionen in Politik und Gesellschaft zu bringen. 1910 verlieh ihr Papst Pius X. den Orden „Pro ecclesia et Pontifice“.

Hedwig Dransfeld übernahm immer mehr die Rolle einer Brückenbauerin über konfessionelle Grenzen hinweg. 1912 wurde sie Vorsitzende des seit 1903 bestehenden katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), dessen Vorsitz sie bis zum Jahre 1924 behielt. Geprägt von tiefer Religiösität und zugleich aufgeschlossen gegenüber allen Fragen der Zeit organisierte und festigte sie in dieser Funktion die bürgerliche katholische deutsche Frauenbewegung und begründete ihren eigenen Ruf als eine der größten Rednerinnen ihrer Zeit.

1913 zählte sie zu den Mitbegründerinnen des Verbands Katholischer Studentinnen-Vereine. Auf der Generalversammlung des Frauenbundes, die im Januar 1916 unter der Überschrift „Die Frau als Mitgestalterin am neuen Deutschland“ im Plenarsaal des Deutschen Reichstags stattfand, nahm sie als Vorsitzende des Katholischen Deutschen Frauenbundes den Platz des Reichspräsidenten ein und leitete von dort aus die Versammlung. Zusammen mit Helene Weber (1881-1962) gründete sie 1916 die „Sozialistische Frauenschule des KDFB“. 1917 initiierte sie die „Friedensbewegung innerhalb der Frauenwelt“. Sichtbares Zeichen sollte eine Frauenfriedenskirche in Marburg sein. Diese Kirche, die den Beinamen „steingewordenes Friedensgebet“ erhielt, wurde dann in Frankfurt am Main gebaut. Die Inschrift der Gedenktafel lautet:

„Hedwig Dransfeld 1871-1925., seit 1912 Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbundes. Aus dem schrecklichen Erleben des 1. Weltkriegs entwickelte sie die Idee zum Bau der Frauenfriedenskirche als Mahnmal für den Frieden und als Gedächtnisstätte für die Gefallenen.“

Im November 1917 stattete Hedwig Dransfeld auf Einladung des Borbecker Zweigvereins des KDFB von 1906 auch Essen-Borbeck einen Besuch ab. Sie referierte im Vereinshaus zum Thema „Wie kann die Frau zur sittlichen Erneuerung unseres Volkes nach dem Kriege beitragen?“ 1922 rief sie zusammen mit Helene Weber den „Reichsfrauenrat“ innerhalb des Zentrums ins Leben, Vorläufer der heutigen Frauen Union. Mit Helene Weber verband Hedwig Dransfeld eine persönliche Freundschaft. Sie arbeiteten im KDFB und in den politischen Gremien eng zusammen. Beispielsweise reisten die beiden Frauen während der Inflationszeit (am 30. Juli 1923 hatte der Dollar in Deutschland einen Kurswert von 1 Mio. Mark) vom 2. Mai bis zur Rückreise am 28. Juni 1923 in die USA, um dort Hilfsgelder für den Frauenbund einzusammeln. Stationen der Reise waren unter anderem New York, Philadelphia, Baltimore, Washington, Chicago, Cleveland und Buffalo. Die Reise wurde von der Reichsregierung unterstützt, die sich davon eine Besserung der Beziehung zu den USA erhoffte.

Parteipolitische Tätigkeit

Der Schritt in die Politik ist ihr und anderen Frauen nicht leicht gefallen. Am 27.12.1918 schrieb sie an Helene Weber, dass auch sie nicht gerne kandidiere. Aber es sei notwendig, dieses Opfer zu bringen. Ihr war bewusst, dass sie fortan zwischen verbandspolitischen Rücksichten und Interessen und (partei-)politscher Arbeit lavieren musste. Über den Wahlkreis Düsseldorf wurde Hedwig Dransfeld 1919 für das Zentrum als eine von 37 Frauen in die verfassungsgebende Versammlung gewählt. 1920 erfolgte dann ihre Wahl in den Deutschen Reichstag als Abgeordnete des Zentrums. Sie wirkte maßgeblich an der Sozialgesetzgebung mit. Ihre Schwerpunktthemen waren Familie, Ehe, Schule und Jugendschutz.

Frauen der der Deutschen Zentrumspartei in der Weimarer Nationalversammlung, 1919-1920. Hinten: Christine Teusch und Maria Schmitz, vorne (v.l.): Helene Weber, Hedwig Dransfeld, Agnes Neuhaus und Marie Zettler. (Archiv der deutschen Frauenbewegung, Kassel, Signatur AddF-F1-00684).

Als Vorstandsmitglied der rheinischen Zentrumspartei und Beisitzerin im Vorstand der Reichstags-Fraktion ihrer Partei seit 1921 brachte sie bis zu ihrem Tod 1925 wichtige Entscheidungen zur Kultur-, Sozial- und Bildungspolitik auf den Weg. Im Unterschied zu Helene Weber hielt Hedwig Dransfeld 1918 in der Diskussion um die Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für Frauen aus taktischen Gründen am Neutralitätskurs ihrer Partei fest, weil sie dessen Durchsetzung für verfrüht hielt. In dieser Hinsicht war sie eine „Reformkonservative“.

Insgesamt lässt sich festhalten, dass sie in der Zentrumsfraktion bis zu ihrem Tod einen bestimmenden und zugleich vermittelnden Einfluss in Fragen von Kultur und Erziehung ausgeübt hat. Ihre gesamte (verbands-) politische Arbeit, so ließ Hedwig Dransfeld in Aufsätzen, Reden und Briefen immer wieder durchblicken, galt dem Aufbau einer Gesellschaft „nach den Grundsätzen christlicher Gerechtigkeit und Liebe“ und der „politisch-sozialen(n) und geistig-sittliche(n) Erneuerung Deutschlands im Sinne christlicher Staatsauffassung.“ [Zitiert nach Schmidt, S. 178].

Bei den Reichstagswahlen im Mai 1924 erhielt Hedwig Dransfeld erneut einen Sitz im Reichstag. Im Laufe des Jahres musste sie ihrer rastlosen Tätigkeit Tribut zollen. Im Juli des Jahres gab sie Leitung des Frauenbundes ab. Physisch und psychisch erschöpft verließ sie Berlin und verbrachte das Weihnachtsfest bei den Ursulinen in Werl. Zur Neukonstituierung des neuen Reichstags im Januar 1925 reiste sie wieder nach Berlin, hielt dort ihren letzten Vortrag zum Thema „Volksnot und Frauenkraft“, um danach krank nach Werl zurückzukehren. Im Werler Mariannen-Krankenhaus ist Hedwig Dransfeld sie am 13. März 1925 gestorben.

Die sechs weiblichen Zentrumsabgeordneten. Vordere Reihe: v. l.: Maria Schmitz, Hedwig Dransfeld, Agnes Neuhaus, Helene Weber. Stehend v. l.:  Christine Teusch, Marie Zettler, Foto: Verein deutscher katholischer Lehrerinnen, https://www.vkdl.de/

Würdigung

Hedwig Dransfeld war eine hervorragende Netzwerkerin. Sie arbeitete im Zentrum und in verschiedenen Organisationen und Verbänden eng mit führenden Frauenrechtlerinnen zusammen. Zu ihnen gehört auch Maria Schmitz (1875-1962). Wie Hedwig Dransfeld konnte sich auch Schmitz in der damals männerdominierten Gesellschaft durchzusetzen. Auf dem Katholikentag des Jahres 1912 erhielt sie als erste Frau das Rederecht. Mehr über sie, die in Borbeck begraben ist, findet sich im lesenswerten Porträt von Christof Beckmann (vgl. Stadtteilportal borbeck.de vom 05.03.2025).

Hedwig Dransfeld gelang es im Verbund mit ihren Mitstreiterinnen in der Zentrumspartei im Reichstag Helene Weber, Agnes Neuhaus (Gründerin des Sozialdienstes katholischer Frauen), Maria Zettler, Christine Teusch (Gründerin des Katholischen Deutschen Frauenbundes und spätere NRW-Kultusministerin) und eben Maria Schmitz (Vorsitzende des Vereins katholischer deutscher Lehrerinnen, die abschätzige Bezeichnung „Wohltätigkeitsdame“ vergessen zu machen und durch den von Papst XI. geprägten Begriff „kämpferische Frau“ zu ersetzen.

Die „neue Frau“ des kämpferischen Katholizismus war eine Frau der Tat, gebildet, emanzipiert, selbstbestimmt, hart in der Sache und hart gegen sich selbst. Dank ihres überlegten und sachorientierten Handelns nahm die gesellschaftliche Akzeptanz des Katholischen Deutschen Frauenbundes stetig zu. Nicht zuletzt ihrem Einsatz ist es zu verdanken, dass auf dem 61. Katholikentag in Frankfurt, der am 7.08.1921 eröffnet wurde, unverheirateten Frauen zum ersten Mal vollgültige Teilnahme zugesprochen wurde.

Mit Helene Weber wurde Hedwig Dransfeld ins Präsidium des Katholikentages gewählt. Hinsichtlich der Emanzipation der Frau vertrat sie einen eher konservativen Standpunkt. Sie befand sich mit ihrem Denken auf einer zeitbedingten frühen Entwicklungsstufe weiblicher Emanzipation. Ihr ging es noch nicht um die Überwindung frauenfeindlicher Rollenbilder, sondern in erster Linie um die gleichberechtigte Anerkennung der Frau im gesellschaftlichen Leben. Hedwig Dransfelds Bemühungen zielten darauf ab, staatsbürgerliche und sozialpolitische Stellung der Frauen zu stärken, ihr Selbstbewusstsein zu festigen und sie für politische Themen zu sensibilisieren.

In ihren zahlreichen Vorträgen und Schulungen, die sie durch ganz Deutschland führten, versuchte sie, die weibliche Zuhörerschaft diesen Zielen näher zu bringen. Dabei nahm mit eiserner Selbstdisziplin keine Rücksicht auf ihre eingeschränkte Gesundheit. Am 8. Februar 1919 veröffentlichte der Badische Beobachter einen Artikel von Hedwig Dransfeld mit dem Titel „Der Eintritt der Frauen in die Zentrumspartei“. Darin hebt sie auf den tiefgreifenden Wandel in der Frauenpolitik ab – weg von der auf religiöse Fragen beschränkten Politik, hin zur kühlen Realpolitik. Ausdrücklich nimmt sie Bezug auf das gerade erst verabschiedete Frauenwahlrecht (Dransfeld spricht von „Frauenstimmrecht“), das im Zuge der „Demokratisierung des alten Systems“ auch ohne die Revolution zum Gesetz geworden wäre. Selbstbewusst macht sie unmissverständlich klar, dass das Zentrum „für die unbedingte Gleichberechtigung der Frauen auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens“ eintritt.

An anderer Stelle bekundete sie den festen Willen, dass die Frauen von ihrer Macht Gebrauch machen sollten, wie es der Würde deutscher Frauen entspreche. In der gleichen Zeitung (Ausgabe vom 21.08.1919) nahm sie Stellung zur Frauenfrage in der neuen Reichsverfassung. Darin macht sie bezüglich des „Beamtinnen-Zölibats“ auf die „natürlichen Grenzen“ der Gleichberechtigung aufmerksam. Die Gleichstellung von Mann und Frau führe zur „Schädigung des Berufes“, weil ihn die Frau nicht so ausfüllen könne wie der Mann. Sie führe überdies zur „Schädigung der Familie“ und zur „Schädigung der Frau selbst“, die unter der Doppelbelastung von Beamten- und Familientätigkeit „notwendig zusammenbrechen“ müsse. Die Frau und Mutter müsse Mittelpunkt der christlichen Familie bleiben. Hedwig Dransfeld, das zeigen ihre einem strengen Katholizismus verpflichteten Moralvorstellungen, war mit diesem rückwärtsgewandten Frauenbild eben ein Kind ihrer Zeit.

Gleichwertigkeit, aber nicht Gleichartigkeit der Geschlechter lautete ihr Credo. Gleichzeitig war sie, was die Rolle der Frau in der Politik anging, ihrer Zeit weit voraus. In ihrem Beitrag in der Badischen Zeitung trug sie abschließend Bedenken gegen die verfassungsmäßige Verankerung des Frauenwahlrechts vor, ihr wäre der gesetzgeberische Weg lieber gewesen. Ihr Appell: Die Verfassung habe der deutschen Frau viele Freiheiten gegeben. Diese stünden aber lediglich auf dem Papier. Zu den spezifischen Aufgaben und Pflichten der Frau gehöre es, „Menschenbildnerin, Seelenpflegerin und Helferin der Menschheit“ zu sein. In diesem Geiste müsse die deutsche Frau die neue Reichsverfassung und ihre Freiheiten aufnehmen: „Rechte in erster Linie um der Pflichten willen, aber auch keine Pflicht ohne das entsprechende Recht, und beides eingestellt auf die schaffende Mitarbeit am Wohl der Volksgemeinschaft.“

Für Hedwig Dransfeld, das belegt nicht nur der Artikel in der Badischen Zeitung, war es an der Zeit, mit der den Frauen vorgeworfenen Rückständigkeit zu brechen und den Platz in der Frauenbewegung einzunehmen, welche der katholischen Frau zukomme. Inhaltlich blieb sie den katholischen Lehrmeinungen, insbesondere in Fragen von Ehe und Familie, verpflichtet.

Tod. Nachrufe. Ehrungen

Die dreifache Belastung als Politikerin, Chefredakteurin und Verbandsfunktionärin war wohl für die angeschlagene Gesundheit von Hedwig Dransfeld zu viel gewesen. Nach ihrem Tod am 13. März 1925 fand sie auf dem Parkfriedhof in Werl in einem Ehrengrab ihre letzte Ruhestätte. Wenige Tage später fand eine Trauerfeier der Reichstagsfraktion des Zentrums statt, auf der neben vielen anderen Rednern auch Reichstagspräsident Paul Loebe an die Verdienste von Hedwig Dransfeld erinnerte. Die überregionale Tageszeitung „Germania“ (Berlin) würdigte die Verstorbene als „Führerin und Wegweiserin der starken katholischen Frauenbewegung, der sie mit ihrer klugen Beredsamkeit und gewandten Feder, vor allem aber mit ihrem warm empfindenden Herzen unermessliche Dienste geleistet hat.“ [Zitiert nach Schmidt, S. 242].

Am 15. März 1925 erschien im „Westfälischen Merkur“ ein Nachruf, in dem das Emanzipationsbemühen von Hedwig Dransfeld aus zeitgenössischer katholischer Sicht als eher unpolitisch beurteilt wurde: „Hedwig Dransfeld wollte nicht die Emanzipation der Frau, die ja auch durchaus nicht dem christlich-katholischen Lebensideal entspricht, sie wollte nur die katholische Frauenwelt für die brennenden Zeitfragen interessieren, wollte die liebevoll waltende Hand der Frau gewinnen für manches große und schwere Werk sozialer Fürsorge und wollte vor allem das Bewusstsein von der Würde der Frau in der heutigen Welt wieder wachrufen.“

Im Nachruf von Lola Marschall vom 29. März 1925 in der Zeitschrift „Die Welt der Frau“ stand Ähnliches zu lesen. Demnach sei Hedwig Dransfeld stets unerschütterlich für den Erhalt der traditionellen Familie eingetreten und habe sich gegen Mutterschaftszwang und Ehereform gestellt. Dagegen nannte man sie in der Pressemitteilung der Katholischen Frauen Deutschlands vom 23. Februar 2021 zu ihrem 150. Geburtstag „eine unermüdliche Kämpferin für die Interessen, Rechte und Bildung der Frauen“, die die Trennung der Frauenfrage von politischen Fragen stets abgelehnt habe. Hedwig Dransfeld hat nach ihrem Tod zahlreiche Ehrungen erfahren.

Seit 1982 ist sie Teil der Briefmarkenserie „Bedeutende Frauen der deutschen Geschichte“. In Bochum, Bendorf und Lütgendortmund sind Häuser nach ihr benannt. Es gibt Hedwig-Dransfeld-Straßen unter in anderem Paderborn, Bonn, Frankfurt, Borken, Werl, Lorsch, Salzkotten, Regensburg. In Essen gibt es den Hedwig-Dransfeld-Platz und in Werl trägt eine Sonderschule ihren Namen. 1921 wurde ihr am 50. Geburtstag die Ehrenbürgerwürde der Stadt Werl verliehen „als Zeichen der Ehre und Dankbarkeit für ihre Verdienste um die Stadt Werl, als Schriftstellerin, sowie auf den Wohlfahrts- und caritativen Gebieten und auf dem Gebiete der Frauenbewegung Deutschlands.“ [Zitiert bei Schmidt, S. 206]. Eine späte ehrende Erwähnung fand sie in der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt „100 Jahre Weimarer Reichsverfassung“ am 6. Februar 2019 in Weimar als „vergessene Heldin der Demokratiegeschichte“. Hedwig Dransfeld hätte sicher nichts dagegen gehabt, wenn man ihre Lebensleistung mit der Überschrift versehen würde: Ohne Frauen ist kein Staat zu machen!

(FJG)

 

Quellen:

Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Internet-Portal „Westfälische Geschichte“. Hedwig Dransfeld- https://www.westfaelische geschichte.de/per623 (abgerufen am 05.03.2025).

Lexikon westfälischer Autorinnen und Autoren – https://www.lexikon-westfaelischer-autorinnen-und-autoren.de (abgerufen am 28.02.2025)

Schmidt, Barbara: Hedwig Dransfeld. Frauenrechtlerin, Sozialreformerin, Politikerin - Eine Biografie. Bonifatius-Verlag, Paderborn 2025. [Die Autorin stammt aus Werl und hat am Ursulinengymnasium Abitur gemacht].

Zum 150. Geburtstag von Hedwig Dransfeld. Domradio 24.02.2021 – https://www.domradio.de (abgerufen am 05.,03.2015).

Pressemitteilung des KDBF vom 11.03.2015 zum 90. Todestag von Hedwig Dransfeld – https://www.-frauenbund.de. (abgerufen am 03.03.2025).

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