Germaniaplatz war früher der Borbecker Friedhof

Vor 180 Jahren gab es keinen Platz mehr für die Toten

2 28.10.2021

BORBECK. Vor 180 Jahren, fand sich in Borbeck endlich eine Lösung für ein großes Problem: Für die Verstorbenen war auf dem schmalen Hügel rund um die kleine alte Dionysiuskirche kein Platz mehr. Wo jahrhundertelang alle katholischen Christen aus Groß-Borbeck ihre letzte Ruhe fanden, war einfach voll. Ab 1841 wurde darum jetzt in „Mosterts Garten“ auf dem heutigen Germaniaplatz beerdigt. Allerdings - nicht gerade lange: Schon am 3.3.1854 schrieb Totengräber Wilhelm Kuhlmann an Bürgermeister Péan, dass auch dort wegen Überfüllung keine Bestattungen mehr stattfinden könnten.

Der Pfarrer verkauft seinen Garten

Doch Johann Joseph Legrand (1796-1877), von 1835 bis zu seinem Tod Pfarrer an St. Dionysius, hatte vorgesorgt: Mit seinen ehrgeizigen Neubauplänen für die neue und viel größere Dionysiuskirche ging es zwar nur schleppend voran. Aber auch an einem neuen Friedhof kam die Pfarre nicht vorbei, denn die Bevölkerung in dem jungen Industriedorf Borbeck wuchs rasant. So verhandelte Legrand mit der Kirchengemeinde, die ihm am 9.12.1857 am „Pastors Kamp“ einen Teil seines eigenen Gartens abkaufte. So entstand der erste Teil des heutigen Friedhofs an der damaligen Friedensstraße. Ab 1859 wurde beerdigt, auch wenn die offizielle kirchliche Genehmigung erst 1861 – vor 160 Jahren - kam. Legrand war wie in anderen Fragen auch hier einfach pragmatisch und setzte sich über vieles hinweg.

Friedhofskreuz und Erweiterungen

Während jetzt zugleich langsam auch die neue Dionysius-Kirche Gestalt annahm, ging an ihren Architekten Vinzenz Statz (1819-1898) für den neuen Friedhof gleich ein weiterer Auftrag: Der bereits berühmte Neugotiker, 1863 zum Diözesanbaumeister des Erzbistums Köln ernannt, entwarf für den Totenacker ein großes Kreuz, das dort heute noch steht. Mit der Ausführung beauftragten Pfarrer Legrand und der Kirchenvorstand den Bildhauer Ossendorf in Krefeld. 1869 war das Kreuz fertig, es wurde eingeweiht und drei Jahre später musste der Friedhof schon zum ersten Mal erweitert werden. 1874 löste man den Friedhof am heutigen Germaniaplatz endgültig auf. Dort waren bis dahin mehr als 2.500 Verstorbene beerdigt worden, doch ab jetzt wurde nur noch auf dem neuen Friedhof bestattet. 1877-89 folgte dort eine erneute Erweiterung und 1892-93 nahm der Friedhof die heutige Größe an, als die Familien Hülsmann, Leimgardt und Kuhlmann weitere Acker- und Wiesengrundstücke schenkten.

Der Friedhof an der heutigen Hülsmannstraße / Lageplan 1872 mit den Erweiterungen, Archiv St. Dionysius

Was wurde aus dem alten Friedhof?

Am heutigen Germaniaplatz in Borbeck-Mitte erinnert heute nichts mehr an den ehemaligen Friedhof. Doch blieb er als besonderer Ort von Bebauung freigehalten. Am 17. Oktober 1880 wurde auf dem Platz das neue Germania-Denkmal feierlich enthüllt, das an die Borbecker Gefallenen im Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866 und dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erinnerte. Vor der Jahrhundertwende geriet der Platz zu einem frühen Verkehrsknotenpunkt: Ab 1893 kreuzte hier die neue Straßenbahnlinie von Borbeck über Bahnhof Berge-Borbeck nach Essen vorbei, ab 1898 die Verbindung von Borbeck über Dellwig und Unterfrintrop nach Oberhausen.

Neben anderen Gebäuden standen hier die beiden Vikarien der Pfarrgemeinde St. Dionysius und zwei nebeneinander liegende Gastwirtschaften. „Kaiser Friedrich“ von Julius Demond wurde 1918 in „Lindenhof“ umbenannt und brannte im Zweiten Weltkrieg ab, die Gaststätte von Hermann Kleine-Möllhoff wurde 1969 im Zuge der Sanierung Borbecks abgerissen. 1919 baute die Pfarrgemeinde auf dem Gelände des heutigen Ludwig-Theben-Hauses das sogenannte „Marienheim“, das von den Hiltruper Missionsschwestern vom hl. Herzen Jesu geführte „Katholisches Fürsorgeheim für Mädchen, Frauen und Kinder“. Später war dort der Kindergarten St. Dionysius untergebracht. 1927 sollte auf dem Platz selbst statt der Germania eine Ehrenhalle für die Gefallenen des Weltkriegs entstehen, doch wurden die Pläne wieder verworfen. Auch eine neue Verbindungstraße, die zwischen Altendorf und Dellwig mitten über den Germaniaplatz führen sollte, wurde in den 1960er-Jahren nicht gebaut.

Kunst erinnert an die Verstorbenen

Auch von dem ursprünglichen Friedhof an der 1860/61 abgerissenen alten Dionysiuskirche ist nichts mehr übrig. Im Chorraum der heutigen Kirche ist lediglich das aus Baumberger Sandstein gefertigte Grabmal von Elisabeth von Manderscheid und Blankenheim, Fürstäbtissin 1588-1598, zu sehen, das einst gegenüber dem Marienaltar hing. Der Kirchberg selbst steht seit vielen Jahren als Bodendenkmal unter Denkmalschutz. Zahllose Gebeine wurden hier bei Bauarbeiten in den 1980er Jahren sichtbar, die seitdem hier unter dem Pflaster liegen. Doch an die Toten vieler Jahrhunderte mag heute der Bronzeguss „Kruzifix II“ des international bekannten Bildhauers Dietrich Klinge erinnern. Die von dem Borbecker Kunstmäzen Klaus Metzelder 2012 mit dem Künstler aufgestellte Figur eines Schmerzensmannes breitet ihre Arme weit über den Platz.

„Dies irae dies illa, solvet saeclum in favilla: Teste David cum Sibylla. Quantus tremor est futurus, quando iudex est venturus, cuncta stricte discussurus!”... so steht es nicht mehr allzu gut erhalten auf dem vom Kölner Dombaumeister Vinzenz Statz entworfenen Kreuz von 1869 auf dem Friedhof an der Hülsmannstraße. Übersetzt aus dem Lateinischen heißt es: „Tag der Rache, Tag der Sünden, wird das Weltall sich entzünden, wie Sibyll und David künden. Welch ein Graus wird sein und Zagen, wenn der Richter kommt, mit Fragen streng zu prüfen alle Klagen! ...“. „Dies irae“ - auch „Tag des Zorns“ genannt - ist der Beginn eines mittelalterlichen Hymnus über das Jüngste Gericht. Über 600 Jahre lang wurde er als Sequenz der Totenmesse gesungen.

Der Bronzeguss „Kruzifix II“ des international bekannten Bildhauers Dietrich Klinge, 2012 auf dem Dionysiuskirchplatz aufgestellt.

Zurück

Kommentare

Kommentar von Jörg Weiner |

Hallo Redaktion, gibt es mehr Informationen zu Gedenkhalle 1927, Quellen?
Gruß Jörg Weiner

Antwort von Christof Beckmann

Immer gerne unseren Links im Text folgen: In diesem Fall ist das der Eintzrag im Borbeck-Lexikon unter https://www.borbeck.de/lexikon-details/germaniaplatz.html. Die Ursprungsquelle: "Borbecker Tageblatt" nach: Andreas Koerner: Zwei Vikarien und zwei Gaststätten am Germaniaplatz. In: Borbecker Beiträge 33 Jg. 1/2017, S. 4-13. – Ansichtssachen. Borbeck gestern und heute auf einen Blick. Klartext-Verlag, Essen 2009.

Kommentar von Jörg Weiner |

Hallo, lieber Herr Beckmann,
vielen Dank für die Info.
Gruß Jörg Weiner

Einen Kommentar schreiben

Bitte rechnen Sie 7 plus 6.