Gedenkgottesdienst mit szenischer Lesung aus „Andorra“

Mit dem biblischen Vers "Du sollst Dir kein Bild machen!" an die Pogromnacht erinnern

0 06.11.2019

ESSEN. Der biblische Vers „Du sollst dir kein Bild machen!“ (Exodus 20,4) ist die Überschrift eines Ökumenischen Gedenkgottesdienstes, mit dem die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Essen (ACK Essen) am Sonntag, 10. November, um 17 Uhr in der Marktkirche, Markt 2/Porschekanzel, an die Gräueltaten der Pogromnacht im nationalsozialistischen Deutschland des Jahres 1938 erinnert. Die Predigt hält Dr. Theresa Kohlmeyer, Leiterin der Abteilung Glaube, Liturgie und Kultur im Bistum Essen; außerdem wird es eine szenische Lesung aus dem Drama „Andorra“ von Max Frisch geben. Oberbürgermeister Thomas Kufen spricht ein Grußwort.

In diesem Jahr stehen wir unter dem Eindruck des rechtsextremistisch motivierten Angriffes auf die Synagogengemeinde in Halle. Dieser Angriff, der auf tragische Weise das Leben zweier Menschen gefordert hat, richtete sich nicht gegen das Leben unserer jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger und jüdischen Glaubensgeschwister, sondern auch gegen unser Grundgesetz und unsere Demokratie. Zugleich ist er ein Beweis dafür, dass Antisemitismus in unserer Gesellschaft eine neue Dimension erreicht hat – und das macht uns pessimistisch, ob je ein ganz normales jüdisches Leben in Deutschland möglich sein wird“, erklärt der Essener Schulpfarrer Joachim Dahlhoff, der den Gottesdienst leiten wird. „Davon dürfen wir uns aber nicht in unserem beständigen Bemühen lähmen lassen, wachsam zu bleiben gegenüber jeglicher Form von Antisemitismus, laut und deutlich zu widersprechen, wo dumpfe Vorurteile, Intoleranz, blinder Hass und Gewalt gegenüber anders denkenden und lebenden Menschen zum Ausdruck kommen. Dazu verpflichtet uns unsere christliche Glaubensüberzeugung und das wollen wir in diesem Gedenkgottesdienst besonders zum Ausdruck bringen.“ Außer der Predigt von Dr. Theresa Kohlmeyer steht eine szenische Zusammenfassung des Dramas „Andorra“ im Mittelpunkt: In dem 1961 veröffentlichten Stück, das bis heute aktuell ist, thematisiert Max Frisch auf verstörende Art die negativen Auswirkung von Vorurteilen nicht nur für die davon Betroffenen, sondern auch für unsere Gesellschaft. Er zeigt, wie Vorurteile zum Einfallstor für jegliche Form von Antisemitismus und Rassismus werden können. Zugleich stellt er in diesem Zusammenhang die Frage nach eigener Mitverantwortung und Mitschuld.

Mitverantwortung und Mitschuld

– An der Gestaltung des Gottesdienstes wirken Felix Nier („Andri“ aus dem Drama „Andorra“), Schülerinnen des Carl-Humann-Gymnasiums Essen, Mitglieder aus den zur ACK Essen gehörenden Gemeinden und Kirchen und Vertreter der Arbeitsgemeinschaft mit. Für die Musik sorgen Robert Beck (Klarinette) und Deniz Elitez (Klavier). Die Kollekte des Gottesdienstes ist traditionell für die Arbeit der Jüdischen Kultusgemeinde in Essen bestimmt. – Der Gottesdienst findet in diesem Jahr am 10. November statt, weil der eigentliche Gedenktag auf den jüdischen Sabbat fällt. Bereits am 9. September laden mehrere Essener Kirchengemeinden zu Gedenkveranstaltungen ein: So beteiligt sich die Evangelische Kirchengemeinde Kray an einer Gedenkveranstaltung auf dem Krayer Markt, die Kirchengemeinde Altenessen-Karnap sucht die im Stadtteil verlegten „Stolpersteine“ auf und die Kirchengemeinde Königssteele unternimmt einen Rundgang zum Standort der ehemaligen, im Zuge der Reichspogromnacht gebrandschatzten Synagoge am Isinger Tor. In der Auferstehungskirche der Kirchengemeinde Altstadt beginnt am Samstag um 18 Uhr das Konzert „...wenn Brüder in Eintracht miteinander leben...“, das dem Andenken an die jüdischen Opfer gewidmet ist.

In der sogenannten Pogromnacht kam ein beispielloser, vom nationalsozialistischen Staat getragener Antisemitismus zum Ausdruck, dem bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Millionen europäischer Juden zum Opfer fallen sollten. Am Abend des 9. November 1938 und auch am Folgetag steckten SA- und SS-Trupps in Deutschland 1.200 Synagogen an; in Essen wurden die heutige Alte Synagoge sowie die Synagogen und Gebetssäle in Steele, Werden und Kettwig und das jüdische Jugendheim verwüstet. Überall wurden jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger geschlagen, verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet, ihre Geschäfte geplündert, Wohnungen zerstört und Friedhöfe geschändet. Eine aufgebrachte Menschenmenge stimmte den Gräueltaten der NS-Schergen in dieser Nacht jubelnd und johlend zu. Andere wieder nahmen schweigend, gleichgültig oder hilflos hin, was sich vor ihren Augen an Menschenverachtung abspielte.

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK)

Veranstalter des Ökumenischen Gedenkgottesdienstes ist die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Essen (ACK Essen), die 1994 aus einem informellen Arbeitskreis heraus entstand. Regelmäßige Treffen dienen dem Austausch und der gegenseitigen Information. Zu den gemeinsamen ökumenischen Projekten und Aktionen zählen die monatlichen Gedenkgottesdienste für die „Unbedachten“ dieser Stadt, der jährliche stadtweite Gottesdienst zum Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht und die „Ermutigungstage“. Mitglieder in Essen sind derzeit: Römisch-Katholische Kirche, Alt-Katholische Kirche, Evangelische Kirche, Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche, Evangelisch-Methodistische Kirche, Heilsarmee, Russisch-Orthodoxe Kirche, Serbisch-Orthodoxe Kirche, Koptisch-Orthodoxes Patriarchat in NRW, Evangelisch-Freikirchliche Gemeinden und Freie evangelische Gemeinden; die Evangelische Allianz und die Neuapostolische Kirche haben in Essen einen Gaststatus inne. Internet: ack-essen.de.

 

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