Freundschaften aufgebaut, die seit vielen Jahren halten

Superintendentin Marion Greve zum 75. Jahrestag des Kriegsendes

0 07.05.2020

In ihrem Wort zum 75. Jahrestag des Kriegsende erklärt die Essener Superintendentin Marion Greve, warum die Erinnerung an dieses Ereignis für sie auch ganz persönlich große Bedeutung hat, wie Versöhnung gelingen kann und dass wir gut daran tun, die freiheitliche Grundordnung unserer Gesellschaft nicht als selbstverständlich anzusehen. Nachfolgend dokumentieren wir ihre Erklärung im Wortlaut:

„Am 8. Mai 1945 endete der zweite große Krieg. Deutschland war besiegt. Eine Niederlage, die sich als Befreiung von einem verbrecherischen System erwies. Unsere Kirche hat dies sehr früh im Stuttgarter Schuldbekenntnis aufgenommen: ‚…aber wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und nicht brennender geliebt haben.‘ Persönlich habe ich über die Erfahrungen meines Schwiegervaters an dieser Zeit Anteil genommen. Er zog mit 17 Jahren in den Krieg und kehrte mit 27 Jahren aus russischer Kriegsgefangenschaft zurück. Natürlich geprägt von der Idee, den Krieg verloren zu haben. Aber im Laufe der Jahre hat er die Niederlage als Befreiung verstanden. Mich hat beeindruckt, wie sehr er darauf aus war, auf seinen Auslandsreisen die Spuren der Vergangenheit zu suchen – und sich zu versöhnen. Besonders seine Reise nach Russland steht mir vor Augen, in der er russisch-deutsche Freundschaften aufbaute, deren Kontakte mein Mann und ich bis heute pflegen.

Heute, in unserer besonderen Lebenssituation, geprägt durch die Pandemie, wird mir durch die Schließung der Grenzen bewusst, was wir 1945 gewonnen haben: offene Grenzen in Europa, die Überwindung von Feindschaft und das friedliche Miteinander mit unseren europäischen Nachbarn. Dabei ist mir der gute Kontakt zur jüdischen Gemeinde vor Ort besonders wichtig und erscheint mir wie ein Wunder nach diesen dunklen Zeiten. Ganz selbstverständlich arbeiten wir im Initiativkreis der Religionen zusammen und gedenken alljährlich gemeinsam in unseren Kirchen und in der Alten Synagoge der Opfer der Novemberpogrome. Das Datum des Kriegsendes macht mir wieder einmal klar, dass dies alles andere als selbstverständlich ist.“

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