Entschlüsselt: Die Prozession in St. Maria Immaculata von 1949

0 14.05.2021

BORBECK. Alte Fotos, schwarz-weiß, mit Zackenrand. Wo genau sind die Bilder aufgenommen? Bei welcher Gelegenheit? Und wer ist darauf zu sehen? Ein Fund, der sich zunächst nicht einordnen ließ. Franz Josef Gründges wollte das nicht so stehen lassen und ging der Sache nach. „Alte Aufnahmen: Wer kann helfen?", so hatten wir an dieser Stelle am 11. Mai gefragt - und prompt wurden die Dinge klarer. Hilfreiche Tipps lassen das Bild der Bilder nun deutlicher nachzeichnen. Hier das Protokoll der Recherchen:

„Da stößt man unversehens auf alte Aufnahmen, die sich auf Anhieb weder räumlich noch zeitlich zuordnen lassen. Diese Offenheit darf man nicht auf sich beruhen lassen. Die Detektivarbeit beginnt.

Die Bildelemente (Kommunionkinder, Fahnen) weisen auf eine Fronleichnamsprozession hin. Unter einer der vier Aufnahmen ist zu lesen: „Kirchenchor St. Maria-Immaculata, Chorleiter Gustav Podehl“ mit der Zeitangabe „1949“. Gustav Podehl leitete zu dieser Zeit in Vertretung für Theo Josten den Kirchenchor. Die Fotos zeigen also Szenen von der Fronleichnamsprozession der Pfarrgemeinde St. Maria Immaculata im Jahre 1949. Mit diesen Angaben könnte man sich zufriedengeben.

Nicht aber der lokale Detektiv. Der fragt sich, warum gerade der Kirchenchor und der Chorleiter so prominent ins Bild gerückt worden sind. Er fragt sich auch, welchen Weg die Prozession damals genommen hat. Die erste Frage ist leicht zu beantworten, wenn man erfährt, dass die Aufnahmen dem Kultur-Historischen Verein Borbeck von Enkel des Chorleiters übereignet worden sind. Die Beantwortung der zweiten Frage ist deutlich schwerer. Dazu ist zum einen genaues Beobachten angesagt, zum anderen müssen Zeitzeugen zu Rate gezogen werden. Das Foto 1 zeigt die Prozession in Höhe eines Geschäfts mit der Aufschrift „Lebensmittel Kissmann Feinkost“. Außerdem sind Straßenbahnschienen zu erkennen. Die Befragung von Zeitzeugen ergibt, dass es sich hier der Lebensmittelladen Kissmann an der Ecke Schlossstraße / Glühstraße befunden hat, der später von der Familie Breitbach aus dem Brauk geführt wurde. Das wäre also geklärt.

Das nächste Foto (Foto 2) bereitet zunächst ziemliches Kopfzerbrechen. Die Prozession und mit ihm der Kirchenchor ist zum Stillstand gekommen. Wo und warum ist das geschehen? Auch hier hilft individuelle Erinnerung weiter. Die Prozession verharrt an der Ecke Schlossstraße / Walmanger, wo am Bunkerkreuz von Anwohnern ein Altar aufgebaut worden ist. Das wäre also auch geklärt. Nun zieht die Prozession zum Fliegenbusch. Wie es von dort wohl weitergeht? Weder die Bocholder noch die Altendorfer kommen der Richtung und Reichweite wegen dafür in Frage. Bleibt also der Rechtsschwenk auf die Frintroper Straße.

Und dann? Wieder einmal hilft die Erinnerung von Zeitzeugen. Der Prozessionszug macht einen Schlenker von der Frintroper in Pollerbecks Brink. Warum er das tut, wird spätestens an der Ecke zum Dreigarbenfeld klar, wo die Gläubigen die nächste Segensstation erwartet. Da es von dort nicht weitergeht (Pollerbecks Brink ist damals noch eine Sackgasse), machen die Prozessionsteilnehmer kehrt und kommen wieder an Frintroper Straße an. Hier gibt es nur eine Option: Links schwenkt Marsch! Es geht über die leicht ansteigende Frintroper vorbei an der heutigen Kreuzung Heißener Straße / Borbecker Straße (die es damals noch nicht gab) in Richtung Frintrop.

Für den weiteren Weg muss das dritte Foto zu Rate gezogen werden. Es zeigt, dass der Prozessionszug von der Frintroper Straße nach rechts abbiegt. Der Rechtsschwenk, der Kotten im Hintergrund und die fehlenden Straßenbahnschienen weisen darauf hin, dass der Zug am Gasthaus Gummersbach in die Fürstenbergstraße einbiegt. Es ist naheliegend, dass die Prozession am Schlosspark entlang bis zur Schlossstraße führt. Dort könnte man rechts abbiegen und rasch wieder an der Kirche ankommen. Doch man wählt den Weg zum Schlosspark und zur letzten Segensstation mit einem Altar, der auf einer Bühne aufgebaut ist.

Auf dem Rückweg vom Schloss zur Kirche führt die Prozession, wie das Foto 4 zeigt, an einer Trinkhalle vorbei. Es handelt sich, wie wiederum Zeitzeugen wissen, um die Trinkhalle Plass, die 1965 dem Bau des Polizeigebäudes weichen musste. Auf dem Foto ist im Hintergrund das Haus Knümann in der Fürstenbergstraße zu sehen. Nun ist die Prozession schon fast an ihr Ende gekommen. Es geht noch einmal links herum in die Borbecker Straße und dann nach wenigen Metern rechts zur Kirche zurück. Nun noch der Schlusssegen in der Kirche. Geschafft!

Jetzt also kennt man dank der historischen Aufnahmen und des kollektiven Gedächtnisses von Zeitzeugen den Weg, den die Fronleichnamsprozession von St. Maria-Immaculata 1949 genommen hat.

Franz Josef Gründges

Quellen:

  • Vier Fotos von Jochen Barten (Enkel von Gustav Podehl)
  • Archiv des Kultur-Historischen Vereins
  • Ansichtssachen. Borbeck gestern und heute auf einen Blick. Borbeck 2009, S. 38

Zeitzeugen:

  • Elisabeth Gemlau aus dem Walmanger;
  • Winfried Wisnewske, der damals in der Schloßstraße 15 gewohnt hat;
  • Manfred Fehrmann aus der Glühstraße;
  • Claudia Scharenberg aus der Borbecker Straße;
  • Heribert Mersmann von der Schlossstraße.

Ergänzung am 17. Mai 2021: Jetzt kann nun auch aus der Luft verfolgt werden, welchen Zug die Prozession nahm. In einer Zuschrift an die Redaktion gibt Winfried Wisnewske, der damals in der Schloßstraße 15 wohnte, einen bildlichen Überblick: „Hallo, hier ist noch ein Nachtrag zu dem Thema „Alte Aufnahmen: die Prozession in St. Maria Immucalata“. Ich habe den Weg der Prozession in das Luftbild von 1953 eingezeichnet, man sieht, dass es da einige Straßen noch gar nicht in der heutigen Form gab“, schrieb er an die Redaktion. Vielen Dank! Hier die von ihm bearbeitete Aufnahme:


11.05.2021: Alte Aufnahmen: Wer kann helfen?

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