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0 07.05.2025
BORBECK. Staatsverdrossenheit? Politikmüdigkeit? Rechtsfreie Räume? Herbert Reul, Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, ließ am Dienstagabend, 6. Mai 2025, keinen Zweifel aufkommen: Das Eintreten für die freiheitliche Rechtsordnung ist Aufgabe für alle. Sein starkes Plädoyer für einen starken Staat fand bei der 39. Borbecker Maienmahlzeit langen und großen Applaus. Rund 160 Gäste hatten sich an diesem mit der Kanzlerwahl denkwürdigen Tag im großen Saal der Borbecker Dampfbierbrauerei eingefunden und erlebten einen in vieler Hinsicht kurzweiligen Abend. Mit Ordnungsdezernent Christian Kromberg und Polizeipräsident Andreas Stüve waren Spitzen der Stadt vertreten, wie Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig folgten auch zahlreiche Ratsmitglieder der Einladung.
Nach dem musikalischen Auftakt des Nachwuchsorchesters des Schönebecker Jugendblasorchesters (SJB) stimmte die Vorsitzende des Borbecker Bürger- und Verkehrsvereins (BBVV) Susanne Asche das große und erwartungsvolle Publikum auf ein dichtes Programm ein. Ein anspruchsvoller Reigen von Musikbeiträgen versprach schon von Beginn an ein höchstes und hohes Niveau: Routiniert und leidenschaftlich erfreute erneut Wentian Wang, herausragender Schüler der Folkwang-Musikschule, die Zuhörer – er wird nach zahlreichen Auszeichnungen das Land NRW beim Bundeswettbewerb in Wuppertal im Juni mit seiner Gitarre vertreten. Nicht ohne Grund wurde sein Talent mit dem diesjährigen Musikpreis der Borbecker Maienmahlzeit gewürdigt. Mit dem Preis „Hand in Hand“ 2025 wurde die Freiwillige Jugendfeuerwehr Essen-Borbeck auszeichnet – für ihren großen ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwesen, wie Laudator Torben Münning für den BBVV betonte. Gleichwohl stand der Abend aber auch unter dem Vorzeichen zweier wichtiger Daten der deutschen Geschichte: Dem Kriegsende vor 80 Jahren und dem 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes.
All dies griff der NRW-Innenminister gleich zu Beginn auf. Ohne Zögern sei er der relativ kurzfristigen Einladung gefolgt: „Wenn ich sehe, wie sehr hier genau das im Vordergrund steht, was unser Land zusammenhält, dann kann ich nicht Nein sagen“, bekannte er. Frei, ohne Redeskript, stieg er auf der Dampfe-Bühne sehr grundsätzlich in sein Thema ein: Dabei betonte er das außergewöhnliche Privileg, in einem Staat zu leben, der mit seinen Grund- und Freiheitsrechten, staatlicher Ordnung und innerer wie äußerer Sicherheit zu gerade einmal zwei Dutzend Ländern weltweit gehöre, die nach einer britischen Universitätsstudie alle Anforderungen an eine sichere Demokratie wirklich erfüllten.
„Doch wie kann es sein, dass nach Umfragen 60-70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger genau diesen Staat ablehnen?“, so Reul, und stellte klar: Ohne einen starken Staat sind diese Demokratie und die Durchsetzung des Rechts nicht zu erhalten. „Die Freiheiten, die wir haben, die fallen doch nicht vom Himmel. Sie werden durch Recht und Gesetz garantiert. Und vor dem Gesetz sind alle gleich: Es kann nur ein Recht geben, an das sich alle zu halten haben“ – dies schließe die Wahrung und Verteidigung aller garantierten Freiheitsrechte ein, wie der Minister ausdrücklich betonte. Dass aber zahlreiche Rettungs- und Hilfskräfte, Polizei und viele Vertreter des Staates in Behörden und Diensten Beleidigungen, Drohungen, tätlichen und sogar und tödlichen Angriffen ausgesetzt seien, sei „ein absolutes No Go“. Hier habe der Staat etwa für die Ausstattung und sichere Arbeitsbedingungen der Polizei alle notwenigen Mittel bereitzustellen, erklärte Herbert Reul an mehreren Beispielen.
Grundsätzlich dürfe es andere Rechtsräume als den des Staates nicht geben, unterstrich er mit Blick auf Clanszenen, in denen „Friedensrichter“ die Rolle des Staates übernähmen. Hier gehe es nicht um Diskriminierung, schon gar nicht von Migranten insgesamt, komplexe Lagen erforderten eine differenzierte Beurteilung. Die Natur des Verbrechens habe sich in den vergangenen Jahren zudem stark geändert. Es sei zunehmend nicht mehr auf der Straße, sondern im Netz anzutreffen, machte er vor allem am Beispiel des grauenhaften Kindesmissbrauchs deutlich. Hier sei unter Wahrung aller bürgerlichen Rechte die Anpassung von Datenschutzauflagen das einzige Mittel, um Verbrechern wirksam auf die Spur zu kommen und Taten mit allen Konsequenzen zu ahnden. Dies gelte auch für Bedrohungslagen, Anschläge und Terrornetzwerke, für Extremismus von jeder Seite, der den Staat und die freiheitliche Grundordnung zerstöre. „Das ist manchmal wie ein Ritt auf einer Rasierklinge, aber wir müssen unser Gemeinwesen schützen.“
Probleme müssten klar und deutlich angesprochen werden, forderte der Minister, warnte aber zugleich davor, Wunder und eine schnelle Änderung von Problemanzeigen zu versprechen. Schritt für Schritt gelte es, Lösungen zu erreichen und verlorenes Vertrauen in die Sicherheit des Staates und das Funktionieren von Institutionen wieder zurückzugewinnen. „Eine Herausforderung für die Politik, aber auch für die ganze Gesellschaft“, stellte er klar. Es gehe um eine Veränderung der Mentalität. Mit Blick auf die Abertausende, die für das Gemeinwesen arbeiteten, sei im Übrigen das Wort „Danke“ nicht verboten, so der oberste Dienstherr der NRW-Polizei, der für mehr Wertschätzung plädierte und ausdrücklich auch die vielen Hilfsdienste für ihre Arbeit würdigte: „Die wahren Helden unseres Landes sind im Ehrenamt. Und ich möchte Sie alle gewinnen, mitzumachen, Demokratie und Rechtsstaat stark zu machen!“, so Minister Reul unter großem Applaus.
Wie sehr auch die Erfahrungen der Geschichte in Reuls kraftvolles Plädoyer hineinwirken, zeigte an diesem Abend ein beeindruckender Interviewpart mit Borbecker Schülerinnen und Schülern. Sie hatten sich in Zusammenarbeit mit dem Stadtarchiv/Haus der Essener Geschichte vor kurzem mit den Auswirkungen von Gleichschaltung und Abschaffung der Freiheitsrechte im Nationalsozialismus beschäftigt. Die Ergebnisse ihrer Recherchen stellten die Schüler vom Mädchengymnasium Borbeck, Don Bosco-Gymnasium und Gymnasium Borbeck in der von Merlin Goriß und Georg Schrepper moderierten Talkrunde vor. Durch Quellenarbeit und Zeitzeugenberichte machten sie sich mit dem Alltag und Schicksalen im NS-Terrorstaat vertraut, mit verordneten Rollenbildern ebenso wie der totalen Zwangsvereinnahmung der Jugend oder dem KZ-Opfer Pater Theodor Hartz SDB – deutschlandweite Erfahrungen, die wie der Holocaust und alle Verbrechen gegen die Menschlichkeit unmittelbar in das vor 75 Jahren verabschiedete Grundgesetz eingingen. Wie sehr die Spuren dieser Zeit bis in die Gegenwart hineinreichen, lässt sich an Lebensläufen der vom NS-Terrorstaat Verfolgten und Ermordeten nachspüren, denen auch in Borbeck zahlreiche Stolpersteine gesetzt wurden. Ein solcher wird am kommenden Donnerstag, dem 80. Jahrestag des Kriegsendes, vor dem Gymnasium Borbeck dem ehemaligen jüdischen Schüler Walter Rohr gewidmet werden. Das Engagement der Schülerinnen und Schüler von heute, die teilweise mitten in ihren Abiturklausuren stecken, fand einen großen Beifall.
Dass die inhaltlich gehaltvolle Maienmahlzeit 2025 vieles mehr bot, was zu einem gelungenen Abend gehört, war ebenfalls stark von der Jugend geprägt: Ob das bestens aufgelegte Saxophon-Ensemble der Folkwang Musikschule unter Leitung von Florian Boos oder die schmissigen Rhythmen und Songs des hervorragend von Stefan Goralski einstudierten 30-köpfige Oberstufen-Chors des MGB – alles passte in ein anspruchsvolles und doch kurzweiliges Programm, das viele Blumensträuße, eine Menge leckere Schokolade und auch einige Schlosstropfen aus der Brüggemannschen Likörschmiede allemal wert war. Zur Freude des bis zuletzt aufmerksamen Publikums und der Organisatoren des BBVV um die den Abend moderierenden Susanne Asche, Jan Flügel und Torben Münning. Bis zur 40. Borbecker Maienmahlzeit im kommenden Jahr.
cb
Wentian Wang, herausragender Schüler der Folkwang-Musikschule, wurde mit dem diesjährigen Musikpreis der Borbecker Maienmahlzeit gewürdigt
Unten: Der Preis "Hand in Hand" 2025 ging an die Freiwillige Jugendfeuerwehr Essen-Borbeck
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