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1 01.03.2019
BORBECK. Über 125 Jahre steht er an der Borbecker Hülsmannstraße: Der „Philipp“, wie er genannt wird. Das nach dem damals amtierenden Kölner Erzbischof, Philipp Kardinal Krementz, benannte Krankenhaus, für das 1892 der Grundstein gelegt wurde, steht jetzt vor einschneidenden Veränderungen.
Die Krankenpflege im Philippusstift übernahm damals die 1843 gegründete Genossenschaft der Barmherzigen Schwestern von der hl. Elisabeth zu Essen - für gut 30 Jahre. Jetzt sind sie wieder da – in anderem Gewand: „Wir sind ihr Rechtsnachfolger und sehen uns ihrem Vorbild verpflichtet“, unterstrich am Mittwoch, 27. Februar, Contilia-Geschäftsführer Dr. med. Dirk Albrecht im Residenzsaal von Schloss Borbeck. Und er präsentierte ein beeindruckendes Portfolio des 2006 gebildeten Unternehmens: 7.300 Mitarbeiter, 510 Ausbildungsplätze, 90.000 stationäre Patienten, 230.000 ambulante, 1.400 Bewohner in Alten- und Pflegeeinrichtungen, 3.500 Geburten pro Jahr – Zahlen, für die seit Mai 2018 unter Trägerschaft der Contilia auch die vier Krankenhausstandorte im Essener Norden stehen. Seitdem sind die Katholischen Kliniken Essen (KKE) mit den Standorten Marienhospital (Altenessen), St. Vinzenz-Krankenhaus (Stoppenberg), Haus Berge (Bergeborbeck) und das Borbecker Philippusstift Teil des Unternehmens, das mit dem Leitspruch „Für das Wichtige. Im Leben.“ antritt. Dessen zunächst nur zögerlich an die Öffentlichkeit gelangten Umbaupläne für die KKE machen inzwischen seit Wochen Schlagzeilen.
Dem wollte man offensiv abhelfen und lud auch in Borbeck ein. Rund 100 Besucher kamen und hörten zunächst zu: „Was wir jetzt erleben, macht uns Freude, jetzt kann viel bewegt werden“, so Prof. Dr. med. Birgit Hailer. Die Leiterin der Medizinischen Klinik II (Innere Medizin, Kardiologie, Angiologie, Rhythmologie und Gastroenterologie) machte kein Hehl aus ihrer Begeisterung. Sehr viele Synergien könnten gewonnen werden, zugleich sei mit mehr ambulanter Behandlung ein breites Angebot „auf hohem Niveau und in breiter Interdisziplinarität“ mit großem Fächerspektrum gesichert, bisherige Transportwege in andere Krankenhäuser entfielen. „Der Philipp wird aufgewertet“, so Heiler, denn „im Grunde entsteht ein Zentralklinikum“, erklärte sie: „Dafür brenne ich und freue ich mich.“
Gleichwohl steht fest: Die nächsten Jahre dürften einigermaßen unruhig werden. Der rasante Wandel und Fortschritt der Medizin, die damit einhergehende hohe Spezialisierung der Fachgebiete und die übergeordnete Krankenhausplanung zwängen dazu, so Contilia-Geschäftsführer Albrecht: „Hier müssen wir als Unternehmen 30 Jahre in die Zukunft vorausdenken.“ 300 Millionen Euro insgesamt sollen dafür in die Hand genommen werden. Das Ziel: Eine nachhaltige Sicherung der Gesundheitsversorgung im ganzen Essener Norden zu erreichen, attraktive und sichere Arbeitsplätze zu schaffen und durchaus auch wirtschaftliche Effekte für das Umfeld zu erzielen, erklärte der Geschäftsführer.
Ein ambitioniertes Ziel, das in nur wenigen Jahren erreicht werden soll: 2025, so die Planung, wird die gesamte stationäre Versorgung in dem in Altenessen vollständig neu errichteten Marienhospital konzentriert werden. Die Zahl der an allen vier Standorten insgesamt vorhandenen Betten reduziere sich damit von 1.030 auf zukünftig 725. In Borbeck gebe es - wie im St. Vincenz-Krankenhaus - anschließend nur noch ambulante Versorgung, der Philipp werde auf die Häuser A, B, und C reduziert. Alle anderen Häuser sollen abgerissen werden und auf dem Gelände Möglichkeiten für neue Nutzung eröffnen. Die Psychiatrie werde gehen, die Tagesklinik bleibe am Düppenberg, Notarztpraxis und Notarzt der Feuerwehr blieben ebenfalls.
Insgesamt würden die Gebäude in den nächsten Jahren weiter „ertüchtigt“: Es soll neben umfangreichen Renovierungen ein neuer vergrößerter OP-Bereich entstehen, drei Tesla-MRTs kommen, neue Ärzte, die stationäre Versorgung werde in den nächsten Jahren zunehmend „konzentriert“. Im 3. und 4. Geschoss soll auf Dauer Kurzzeit- und Langzeitpflege möglich werden, die auch der kurzfristige OP-Nachsorge dienen. 10 Millionen Euro, so die Angaben, würden insgesamt investiert.
Zuletzt werde der Philipp „mit der Priorität wohnungsnaher Diagnostik und Therapie“ als „Gesundheitsquartier“ firmieren, so die Planungen. Dafür wirbt das Unternehmen besonders bei den niedergelassenen Ärzten und in anderen Bereichen, die das Haus mit ihren eigenen Gesundheitsdiensten und -leistungen attraktiv machen sollen. Nicht zuletzt: Der Standort „Haus Berge“ werde verschwinden: Die Einrichtung gehe nach Altenessen, ob die Memory Clinic bleibe und in welcher Form sie erhalten werden könne, sei noch unentschieden.
Anlass genug für viele Fragen, die am Abend im Schloss geäußert wurden: Sie betrafen sehr grundsätzlich das außerordentliche Missverhältnis in der geographischen und demographischen Verteilung der Krankenhausstandorte in der gesamten Stadt. Essen selbst sei eine Besonderheit in ganz NRW, da die regionalen Bedürfnisse mit Oberhausen und Mülheim gemeinsam berechnet würden, erklärte Dr. Albrecht. Und angesprochen auf die Bettenzahl betonte er, es gehe nicht so sehr um die Größe der stationären Versorgung, sondern um die geballte Kompetenz und Breite der Fachabdeckung, auf die man setze. Hier habe man sich bei der Suche und Auswahl geeigneter Grundstücke zum geplanten Neubau eindeutig für den Norden und nicht für eine größere Nähe zur Innenstadt entschieden.
Und doch: Wie passt die nun vorgelegte Planung in die Stadtlandschaft? Werde es bei der Zusammenfassung der stationär versorgten Patienten in einem einzigen Haus nicht zum Verkehrschaos in Altenessen kommen, da sich für die Angehörigen die Fahrerei vergrößere? Diese Fragen nach der verkehrstechnischen Anbindung und einer notwendigen Verbesserung des ÖPNV seien im Blick, erklärte der Contilia-Geschäftsführer. Die Parkplatzsituation solle durch ein neues Parkhaus mit 500-600 Stellplätzen am Marienhospital entschärft werden – wildes Parken gehöre dort damit der Vergangenheit an. Auch für Borbeck sei das Problem Teil der Planungen.
Kritische Nachfragen betrafen auch das hier angekündigte Aus für die stationäre Versorgung am Ort – vor allem mit Verweis auf ältere und alleinstehende Patienten, die nach einer Operation nicht gleich wieder nach Hause geschickt werden könnten. Für notwendige postoperative Nachsorge werde durch die Kurzzeitpflege auch in Borbeck gesorgt, so Dr. Dirk Albrecht.
Sehr grundsätzlich geäußerte Sorgen, dass der „neue Philipp“ zuletzt doch nicht einschlagen werde, weil man keinen Erfolg bei der Gewinnung von Kooperationspartnern haben könnte, teile er nicht: Es gelte, hier die Zukunft mit vielen Akteuren gemeinsam zu entwickeln – und er sei optimistisch. Und was, wenn die Pläne zum Bau des neuen Krankenhauses in Altenessen, von dem alle anderen Fragen entscheidend abhängen, aus welchen Gründen auch immer scheiterten? - „Daran glaube ich nicht.“
Kommentare
Kommentar von Georg Paaßen |
Sie schreiben: „Für notwendige postoperative Nachsorge werde durch die Kurzzeitpflege auch in Borbeck gesorgt.“
Ich habe am Abend gehört, dass es Planungen gebe, eine Kurzzeitpflege in die Räumlichkeiten zu bekommen. Eine klare Zusage hört sich anders an. Dazu kommt: eine Kurzzeitpflegeeinrichtung gehört in den Bereich der Altenpflege. Wir Altenpflegekräfte wurden nicht dazu ausgebildet, Notfälle nach operativen Eingriffen zu versorgen. Da würde dann wohl der kassenärztliche Notdienst oder die Feuerwehr gerufen werden müssen.
Nach den meisten ambulanten Operationen werden die Patienten nach Hause geschickt. Auf Nachfrage konnte Dr. Albrecht NIX dazu sagen, wie die Contilia die ambulante Versorgung stärken möchte.
Er sagte, sowohl in Altenessen als auch in Borbeck sollten 2015 die Kapazitäten für ambulante Operationen deutlich ausgebaut werden. Die Rechnungen wird die Contilia fleißig schreiben. Was mit den Patienten jenseits der Krankenhaustür geschieht, ist für Albrecht kein Thema?
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