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0 29.05.2022
ESSEN/BORBECK. Fast sein halbes Berufsleben war Bernd Mengede im Borbecker Schloss tätig, zuletzt als Leiter des Kulturzentrums, bevor er nach Essen wechselte. Nun nimmt er Ende Mai den Hut und verabschiedet sich in den Ruhestand. Borbeck.de darf an dieser Stelle eine Würdigung (nur leicht gekürzt) veröffentlichen, von Dana Savic geschrieben, und in der jüngsten Ausgabe der Musikschulzeitung Foxx veröffentlicht. Das Foto machte Klaus Reich. Herzlichen Dank.
"Es gibt Persönlichkeiten, die das Kulturleben einer Stadt schon so lange geprägt haben, dass man es sich gar nicht vorstellen kann, sie plötzlich nicht mehr durch die Gänge des Kulturamts, der Folkwang Musikschule oder des Borbecker Schlosses huschen zu sehen.
Eigentlich möchte man immer noch nur kurz auf einen Espresso hereinschauen, den Dr. Bernd Mengede stets offerierte, trotz chronischem Zeitmangel. Zwischen Telefonat und Außentermin fand er immer wieder ein paar Minuten Zeit, um über neue Projekte zu reden, denn eigentlich war sein ganzes Berufsleben, egal in welcher Funktion: Work in progress. Das Leben ist eine Baustelle – der lakonische Slogan könnte nicht nur im übertragenem Sinne auf die Tätigkeiten Mengedes passen.
Als Bernd Mengede 1984 mit einer halben Stelle als Klavierlehrer an die Folkwang Musikschule zum Kulturzentrum Schloß Borbeck kam, bot das Schloss-Ensemble einen trostlosen Anblick. Mit Grauen erinnert er sich noch heute an die braunen Filz-Teppichböden und an einen Residenzsaal, der so gar nichts residenzähnliches ausstrahlte. Die Erhaltung des Gebäudekomplexes war teuer und es drohte die Privatisierung der städtischen Anlage. Gemeinsam mit der Bürgerschaft kämpfte der inzwischen zum Leiter des Kulturzentrums Berufene um den Erhalt des für die Stadt Essen so wichtigen historischen Ortes.
Dass das Schloß Borbeck und die Parkanlage als historisches Baudenkmal erkannt, bewahrt und restauriert wurden, kostete ihn viele Nerven und mehrere Baujahre. Erst der qualitätsvolle Umbau machte den Residenzsaal zur anerkannten Bühne für hochkarätige Konzerte der Kammermusik und vor allem der Alten Musik – aber auch zur Möglichkeit des Austausches zwischen Laien und Profis. Auch die Galerie mit ihrem regelmäßigen Ausstellungsprogramm internationaler Künstlerinnen und Künstler wurde ein anerkannter Ort für zeitgenössische Kunst, weit über die Stadtgrenzen hinaus.
Wie schafft man das alles mit chronisch geringen finanziellen wie personellen Mitteln? Wie hält man die Balance zwischen künstlerischem Anspruch und den realpolitischen wie verwaltungsabhängigen Gegebenheiten?
Dr. Mengede erinnert sich: „Ich hatte immer das große Glück, auf Leute zu stoßen, die es verstanden haben, sich auf die Begrenzungen, die bei einer Stadt wie Essen da sind, einzulassen. Dazu gehörte der Bildende Künstler Peter Stohrer, doch auch viele Musiker und ein Architekt wie Arndt Brüning, der das Schloß Borbeck umgebaut hat. Aber auch in der Politik der oder die eine oder andere. Das war ein großer Vorteil, dadurch habe ich bestimmte Möglichkeiten der Gestaltung gehabt, die nicht so sehr vom Geld abhingen, sondern im Wesentlichen von den Ideen der Menschen. Auf die Menschen kam es eigentlich immer an. Es gab einfach tolle Persönlichkeiten – auch der ehemalige Kulturdezernent Oliver Scheytt war ganz prägend. Er hat einfach Dinge zugelassen und Menschen, von denen er überzeugt war, die Freiheit gelassen, ihren Weg zu gehen. Das hat mir diese Zeit mit und in der Verwaltung deutlich leichter gemacht.“
Vieles wäre ohne eine gute Teamarbeit nicht gegangen, so Mengede. Letztlich zogen alle an einem Strang, denn es galt, das nächste Konzert, die nächste Ausstellung, die nächste Unterrichtseinheit zu ermöglichen. „Man kann in der künstlerischen Arbeit nicht Dienst nach Vorschrift machen, aber ich halte Verwaltungsstrukturen auch für notwendig“, bekennt der Institutsleiter. „Man muss nur hinkriegen, dass die Verwaltung die Kunst versteht und die Kunst die Verwaltung. Das muss man versuchen zu vermitteln.“
Transfer der Systeme – Kultur ermöglichen
Viel Vermittlungsarbeit leistete er schließlich viereinhalb Jahre als Leiter des derzeit Kulturbüro genannten Kulturamts, wo ihm insbesondere der Kompetenzaustausch in der Essener Kulturszene am Herzen lag. Mit dem Format der Jahresthemen regte er nicht nur einen Dialog zwischen Laien und Profis an, sondern auch zwischen den Profis untereinander. Dabei interessierte ihn insbesondere die Frage, wie man Strukturen schaffen könnte, die diesen Transfer unterschiedlicher Systeme von Kultur, Verwaltung, aber auch Privatwirtschaft, begünstigen.
Ein anschauliches Beispiel dafür war das Musik-Theater-Projekt „Auftrag. Abwicklung. Sonnenaufgang.“, das mit dem Ensemble der Studiobühne und des Grillo-Theaters sowie den Bühnentechniker*innen und Dramaturg*innen des Aalto-Theaters in der Folkwang Musikschule realisiert wurde.
Man kann sich vorstellen, was das für eine Auswirkung auf die Laienszene hat, wenn sie mit Profis zusammenarbeitet. Und für die Profis kann es auch ganz erhellend sein, weil sie eine Vorstellung von der Rezeption des Publikums bekommen. Es ist zwar ein mühsamer Prozess, der sehr viel Überzeugungsarbeit erfordert, aber, wenn man auf so engagierte Leute trifft wie zum Beispiel Kerstin Plewa-Brodam, die damals Künstlerische Leiterin der Studiobühne war, dann schafft man das.“
Strukturen und Systeme, dieses Interesse zieht sich durch Mengedes ganzes Leben. Schon seine Promotionsarbeit drehte sich um Strukturanalyse: „Arnold Schönbergs Oper ‚Moses und Aaron‘ – Ansätze einer differenzierenden Strukturanalyse“. Der Student wollte das Werk durch seine Struktur und nicht durch die Biografie des Komponisten verstehen – das war in der Musikwissenschaft noch ein ungewöhnlicher Ansatz. Umberto Ecos „Das offene Kunstwerk“, ein Leuchtturm der Semiotik, stand damals dabei Pate. Bis heute ist Mengede bestrebt, die Künste zusammenzuführen und sie durchlässig für alle gesellschaftlichen Gruppen zu machen.
Ich bin eigentlich ein zutiefst langweiliger Mensch, weil ich genau das denke, was ich auch als Student gedacht habe. Ich finde es total spannend, wie sich verschiedene Systeme ineinander verflechten, entwickeln, befruchten oder auch blockieren. Und ich wünsche mir für die Musikschule, dass sich nun die vier Sparten Musik, Theater, Bildende Kunst, Tanz schön entwickeln und miteinander vermischen. Wenn man sich diese Offenheit bewahrt, dann ist man wieder ganz nah am Folkwang-Gedanken.“
Vier Sparten und 11.000 Schülerinnen und Schüler
Viereinhalb Jahre war Dr. Bernd Mengede nun Institutsleiter der Folkwang Musikschule. Er kann auf eine Zeit des Umbruchs zurückblicken, in der es ihm gelungen ist, zwanzig neue Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen, neue Organisationsstrukturen aufzubauen und mit der Bildenden Kunst eine vierte Unterrichts-Sparte anzubieten. Ganz besonders freut er sich, dass er gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen trotz Corona die Anzahl der Schülerschaft um 800 steigern konnte. 11.000 Unterrichtsteilnehmende zählt die FMS in diesem Sommersemester 2022.
Ich bedauere, dass ich die Schule nicht mehr leiten kann, jetzt, wo ich nach Corona sehen könnte, was die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alles so machen und entwickeln: zum Beispiel Thomas Ladwig im Bereich Schauspiel oder auch die neue Besetzung im Bereich Kunstpädagogik und der neue Mediendidaktiker.“ Er werde vermutlich wie der Opa in der Muppet Show vom Balkonplatz aus das Geschehen beobachten.
Er lacht und sagt: „Ich werde zugucken, meckern und ganz viel loben.“
Und was wird er sonst noch im Ruhestand unternehmen? „Musik hören, Musik machen, in den Wald gehen, mit Leuten zusammen sein und kochen, quatschen, essen, trinken.“ Das hört sich nach mehr an, als nach einem Espresso zwischen zwei Terminen. " Dana Savic, Foxx, Zeitschrift der Folkwang Musikschule
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