Diesmal wieder anders: Große Borbecker Prozession

0 07.05.2021

BORBECK. „Liebe Brüder und Schwestern, wie schön wäre es, wenn… - so denken wir in dieser Zeit wohl öfter. Wie schön wäre es, wenn an diesem Sonntag die Große Borbecker Prozession stattfinden könnte! Aber sie fällt erneut der Corona-Pandemie zum Opfer“, schreibt Sr. Birgit Holtick FMA in den aktuellen Pfarrnachrichten von St. Dionysius. Am eigentlichen Prozessionssonntag, 9. Mai, wird es jedoch von 10-12 Uhr eine „öffentliche Aussetzung“ und Anbetungsmöglichkeit auf dem Kirchplatz hin zum Borbecker Platz geben. Das Leitwort: „Kommt, lasset uns anbeten!“

Große Prozession gestern und heute

Was wie im Vorjahr erneut die Pandemie bewirkt, unterlag auch schon zu früheren Zeiten den wechselnden Bedingungen. In Kriegszeiten hatte man verzichten müssen, andererseits entfaltete sie zu anderen Gelegenheiten auch die Pracht, an die sich nur noch wenige erinnern können. Genau 100 Jahre sind es zum Beispiel her, dass der Reporter der Essener Volkszeitung (EVZ) die „Große Prozession“ in einem ausführlichen Artikel beschrieb: Er müsse gestehen, „kaum eine schönere Prozession in den größten Städten der Rheinprovinz oder Westfalens gesehen zu haben“, bekannte er in Ausgabe Nr.11 vom 13. Mai 1921.

Denn als die Eucharistische Ehrengarde St. Dionysius damals ihr 25-jähriges Vereinsbestehen beging, musste die knapp 300 Jahre zuvor nach neuer Ordnung gestiftete „Borbecker Gottestracht“ den Vergleich mit den großen Prozessionen im weiten Umkreis offensichtlich nicht scheuen: Überall konkurrierten seit Jahren zahlreiche neue Pfarrorganisationen und Komitees um die Ausstattung des Prozessionswegs, mehrere „Fahnenvereine“ in den Nachbarschaften wetteiferten beim Schmücken der Segensaltäre. Die männliche Pfarrjugend baute riesige Ehrenbögen über den Straßen, Anzeigen örtlicher Geschäfte warben für zahlreiche „Fronleichnamsartikel“ wie Girlanden, Fahnen, Sprüchen, Schildern, Palmen oder Tragekissen, auf denen Erstkommunionkinder christliche Symbole trugen. Der Schmuck von Schaufenstern und übrigen Fenstern verstand sich von selbst und Militärkapellen sorgten für die musikalische Begleitung durch die die „Triumphstraßen“. Ihr prächtiger Höhepunkt: Das sorgfältig inszenierte Schlussbild aller Teilnehmer zum eucharistischen Schluss-Segen auf dem Kirchplatz.


Diesmal erneut nicht möglich: St. Dionysius verzichtet auch 2021 auf die „Große Borbecker Prozession"

„Erhebendes Schauspiel“

Nicht anders auch 1921: Das streng organisierte Großereignis war bis ins Detail vorbereitet, Kinder trugen neue Fahnen, Frauengruppen inszenierten die Laurentinische Litanei und die Sieben Schmerzen Mariens, und „den Glanzpunkt der Prozession bildete naturgemäß die Umgebung des Sanktissimums, das unter dem prachtvollen Baldachin abwechselnd getragen wurde“, so der Bericht in der EVZ. Der aus Borbeck stammende Bischof Franz Wolf, der als Steyler Missionar in Togo wirkte, trug damals die Monstranz, auch die Spitzen der Stadtkirche beteiligten sich, begleitet von einer großen Zahl Geistlicher von nah und fern.

Eskortiert wurden sie „von der vereinigten Ehrengarde“, heißt es im Artikel der EVZ: „Ein erhebendes Schauspiel war es, als die nach Tausenden zählende Prozession mit all den Fahnen an dem außerordentlich schön geschmückten neuen Altar auf dem Marktplatz, der durchaus einheitlich durch gelbschwarze Flaggen, Girlanden, Pyramiden- und Lorbeerbäume geziert war, Aufstellung genommen hatten; von Altar an bis zum Marktplatz hatten die Ehrengarden in zwei Gliedern die Aufstellung inne; die wallenden Federbüsche der 200 Ehrengardisten gaben dem Bilde ein schönes Aussehen.“ Kein Wunder: Von den 23 zu dem Zeitpunkt bestehenden Ehrengarden auf Essener Stadtgebiet stellte allein der damals gegründete eigene Borbecker Ver­band mit 156 Mitgliedern fast ein Drittel aller Gardisten. Prälat und Ehrendomherr Euskirchen predigte vom Altar aus, heißt es weiter im Bericht, „lautlos sank die riesige Menschenmenge der Teilnehmer und Zuschauer beim Segen in die Knie, die Degen der Ehrengardisten senkten sich, die Fahnen neigten sich vor dem König der Könige.“ Unter den Klängen des „Tochter Sion“ zog die Prozession vom Marktplatz zur Kirche, in der nach dem Tedeum der Schlußsegen erteilt wurde“.

Noch ältere Traditionen

Die Prozession, die sich seit der Zeit des „Kulturkampfs“ als fromme Übung zu einem echten Politikum entwickelt hatte, hatte damals schon lange Tradition. Als die Prozession zehn Jahre nach dem Beginn des Dreißigjährigen Kriegs offensichtlich neu gestiftet wurde, suchten wechselnde Besatzer das Stiftsgebiet heim. Eine auf den 26. Juni 1628 signierte Anordnung der Fürstäbtissin Maria Clara von Spaur, Pflaum und Vallier (1590-1644) ging damals an den damaligen Borbecker Pastor Jacob Burrichter (1615-1636). Ihre Urkunde bestimmte, die „Procession, wie von alters brauchlich gewesen ist, itzo wieder anstellen“ und am Sonntag abzuhalten. Anders als üblich, fand sie damals also nicht zu Fronleichnam an einem Donnerstag, sondern früher und an einem eigenen Termin statt.

Doch ist die „Große Borbecker Gottestracht“ ganz sicher deutlich älter – dies zeigt schon die Formulierung des fürstlichen Schreibens. Mit großer Wahrscheinlichkeit geht damit die fromme Übung, die erstmals in Deutschland aus dem Jahr 1279 in Köln überliefert ist, schon auf die weit verbreiteten Flurprozessionen zurück, wie sie an den drei Bitt-Tagen vor Christi Himmelfahrt üblich waren - verbunden mit der Grenzbegehung der Gemeinden und der Bitte um gutes Wetter, das Gedeihen der Feldfrüchte und um eine gute Ernte, von der auch im damals bäuerlich geprägten Borbecker Stiftsgebiet das Überleben abhing.
cb

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