Die Bienen fanden einen Tropfen Birkensaft und waren besoffen

Eine Erinnerung zum 70. Todestag an Hermann Hagedorn von Franz Josef Gründges

1 07.03.2021

März

Dä Äre, dat se öe tau Ehre nogesagg,

Die Erde, das sei ihr zur Ehre nachgesagt,

Lett do wi am eässen Dagg.

liegt dort wie am ersten Tag.

Sö es noch nicks, doch well sö alles wären.

Sie ist noch nichts, doch will sie alles werden.

Van fären

Von ferne

Kömmp 'n week Wendken aangebruust

kommt ein frischer Wind herangebraust.

On pruust on suust

Und prustet und saust

Dä Äre öm'e Öekes.

der Erde um die Ohren.

Do spruust

Da sprießt

Dä gräune Höekes,

die grüne Saat.

Ruschelt dä Beckskes

Da gurgeln die Bäche,

Tuschelt dä Täckskes

Da tuscheln die Zweige

Van Bläumkes on Bläekes,

von Blumen und Blättern,

Dä noch deipe am schloopen send.

die noch tief am Schlafen sind.

Jo, dät däut dän Wend!

Ja, das tut der Wind!

On kritt’e noch Hölpe van dän weeken Regen

Und bekommt er noch Hilfe vom frischen Regen,

Dann lott sick ok dä Bläumkes bewegen,

dann bewegen sich auch die Blumen

On dät wille Kraut.

und das wilde Kraut.

En Viölken, son säutken

Ein Veilchen, ein süßes,

En Hahnenfäutken.

ein Hahnenfuß.

En väschwiemelt Priemelken

Ein verschlafenes Primelchen

Steckt’t Köppken herut.

steckt das Köpfchen heraus.

Anemönkes, Mozarttönkes,

Anemonen, Mozarttöne

Danzt on schlott Räddkes

tanzen und schlagen Rad

Öm Haselnöttkes,

um die Haselnusssträucher,

Dä öhre Kättkes

die ihre Kerzen

Dä Sonne präsente’et. -

der Sonne zeigen.

Un nu es et passe’et!

Und nun ist es passiert!

Dä Immkes fonnen ’n Droppen

Die Bienen fanden einen Tropfen

Birkensaff,

Birkensaft,

Dronken Brüderschaff

tranken Brüderschaft

On wo’en besoppen.

und waren besoffen.

Aus: Oktavheft A, S. 56 - BN Nr. 10 / 03.03.1950 - Fläutepiepen 1956, S. 15

Hermann Hagedorn

Geboren am 20. August 1884 auf dem Reuenberg in der Bauerschaft Dellwig wuchs Hermann Hagedorn in einem lebensfrohen katholischen Elternhaus auf. Der Vater, ein ehemaliger Bergmann, führte hier eine Gastwirtschaft. In einer damals zum Teil noch ländlich geprägten Umgebung, in dem man Dellwiger Platt sprach, wuchs Hermann Hagedorn zwischen Zechen und Fabrikanlagen zu einem wissbegierigen Jungen heran.

Er besuchte die katholische Volksschule Dellwig I (die heutige Reuenbergschule) und Rektoratsschule in Borbeck und schloss die Schülerlaufbahn an einer privaten Abendschule in Essen ab. Danach absolvierte er eine pädagogische Ausbildung am Lehrerseminar in Elten und begann 1905 eine Tätigkeit als Volkschullehrer. 1909 heiratete er, ein Jahr später kam sein Sohn zur Welt. Zu dieser Zeit machte Hagedorn erste schriftstellerische Versuche.

Den Ersten Weltkrieg erlebte Hagedorn 1915/16 als Landsturmmann in Ostpreußen. Über diese Zeit berichtete er später in seinem mundartlich verfassten „Kriegstagebauk“. Nach verschiedenen Stationen an Essener Schulen wurde der ehrgeizige und engagierte Pädagoge 1919 Rektor einer Volksschule in Essen-Frintrop. Parallel zu seiner beruflichen Tätigkeit absolvierte Hagedorn ein Studium, das er 1923 mit dem Doktortitel abschloss. Zu seiner großen Enttäuschung blieben seine Versuche, zum Schulrat aufzusteigen, erfolglos.

Er wandte sich verstärkt ehrenamtlichen Aufgaben und der Schriftstellerei zu, insbesondere der Dellwiger Mundart. Wie viele Deutsche begrüßte Hagedorn 1933 das neue Deutschland und den "Führer" in der Hoffnung, dass über eine lebendige Volksgemeinschaft und einen starken "Führer" wieder ein starkes Deutschland entstünde. Er trat schon früh der NSDAP bei, machte Karriere als lokaler Kulturfunktionär und war Fachschaftsleiter für Lyrik und Gaufachschaftsberater für Mundart im Gau Essen. 1938 erhielt er beim Mundartwettbewerb „Der Goldene Spatz von Wuppertal“ eine Urkunde und eine ehrende Anerkennung für seine Mundartgedichte.

Die Entwicklung im NS-Staat und der Verlauf des Zweiten Weltkrieges, den Hagedorn an der Schule in Essen-Frintrop erlebte, brachten ihn zunehmend auf Distanz zum Nationalsozialismus. Es waren vor allem die inhumanen Praktiken der örtlichen NS-Funktionäre vor Ort, ihre täglichen Schikanen und Verleumdungen, die dem Menschenfreund Hagedorn schwer zu schaffen machten.

Durch seine Parteinahme für einen aus Luxemburg zwangsverpflichteten Lehrer brachte er den damaligen Schulrat gegen sich auf. Dessen ständige Repressalien in Verbindung mit einer beginnenden Schwerhörigkeit veranlassten Hagedorn schließlich, 1943 in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. Der Frühpensionär gab sein Wohnhaus in Dellwig auf, heiratete seine ehemalige Kollegin Elli Schmidt (seine erste Frau war 1939 gestorben) und zog sich mit ihr in eine Wohnhütte, die er „Heeme“ nannte, in den Wald bei Fretter im Sauerland zurück. Nach einem Kurzeinsatz im Volkssturm gegen Ende des Krieges begann er dort nach und nach heimisch zu werden.

Er schriftstellerte weiter, durchstreifte die Wiesen und Wälder der näheren Umgebung und war den Bewohnern des Dorfes im Dorf ein angenehmer, lebensfroher und unterhaltsamer Zeitgenosse, der manch kurzweilige und heitere Stunde im Dorfgasthaus zubrachte. Es ist Ironie des Schicksals, dass Hermann Hagedorn am 7. März 1951 auf dem Weg vom Dorfgasthaus zu seiner Hütte frühmorgens unter einen Zug geriet und tödlich verletzt wurde. Hagedorn wurde in Essen beigesetzt. In seiner Heimat ist Hagedorn fast vergessen. Heute erinnert noch ein 1952 errichteter Gedenkstein auf dem Reuenberg an ihn.

Im Borbeck-Lexikon: Hagedorn, Hermann. Lehrer und Dichter

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Kommentare

Kommentar von Andreas Koerner |

Dieser reimverliebte, verspielte Dichter ist in seiner mundartlichen Sprechweise natürlich nicht übersetzbar. Es ist eine Verlockung, ihm seine originalen Worte laut nachzusprechen.

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