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0 05.04.2022
BORBECK. 4.213 Menschen aus der Ukraine haben bis heute die Essener Servicestelle Flüchtlinge aufgesucht, im Bürgeramt Borbeck konnten bisher 1.357 Fiktionsbescheinigungen für einen Aufenthaltstitel nach Paragraph 24 zur Anerkennung als Kriegsflüchtlinge ausgestellt werden. Das meldet der aktuelle Newsletter der Stadt zum Thema. Danach sind bisher dort insgesamt 1.300 Anträge auf einen Aufenthaltstitel gestellt worden.
Wie sich die Situation in Borbeck vor kurzem darstellte, zeigte ein Radiobeitrag der vergangenen Woche, der landesweit auf den NRW-Lokalradios ausgestrahlt wurde. Bezirksbürgermeisterin Margarete Roderig berichtete darin über die große Hilfsbereitschaft für die aus dem Krieg gefürchteten Frauen und Kinder, die in der zentralen Meldestelle auf die Fertigstellung ihrer Anträge warten. Jetzt, wo zunehmend von russischen Kriegsverbrechen berichtet wird, erhalten auch die Schilderungen der Betroffenen eine neue Bedeutung - auch die Berichte von Marina (43), die mit Sohn (20), Tochter (13), Schwiegermutter und zwei Hunden vor knapp zwei Wochen aus dem umkämpften Irpin kam: Sie erzählte vor dem Bürgeramt von ihrer Lage nach der Flucht.
Zuhause war sie rund 30 km entfernt von Kiew, ganz in der Nähe des Flughafens Hostomel. Dort war vor dem Krieg alles gut für sie: Sie lebten auf dem Land, hatten ein eigenes Haus und Auto, sie liebt Pferde und Tiere, ihre Kinder sprechen drei Sprachen. Noch vor wenigen Jahren hatte in der Region ein ungeheurer Aufschwung begonnen, viel war neu gebaut und große Parks seien angelegt worden. Bis sich die Welt mit einem Schlag änderte: „Dann fliegen um 5 Uhr morgens plötzlich fünf Flugzeuge über dein Haus und bombardieren den nahegelegenen großen Flughafen. Das ist alles schwer zu verstehen.“ Straßen, Supermärkte, Krankenhäuser wurden zerstört, Schulen und vieles mehr. Marina versuchte stark zu sein, zu tun, was nötig ist, hielt aus, bis es nicht mehr ging. Dann packte sie Kinder und Schwiegermutter in den Wagen. Und fuhr los.
Doch eine Woche nach ihrer Flucht brach sie ein, hatte einen Nervenzusammenbruch, weinte ununterbrochen, wollte nichts mehr essen – allein bei der Vorstellung, dass sich jetzt wildfremde Leute über ihr Haus hermachen. Denn plündernde Besatzungstruppen brächen in die Häuser ein, raubten Kleidung und alles, was wertvoll ist: „Sie fahren mit großen Wagen vor und schicken alles als Beute nach Hause“, so Marina. Für die Menschen fehlte es an allem, Strom gäbe es im Umkreis von 20 Kilometern nicht mehr, die letzten Bewohner harrten viele Tage ohne Wasser in ihren Kellern aus. Ihrer Vermutung nach sollten sich die nur mangelhaft ausgerüsteten Invasionstruppen aus dem Land selbst ernähren und nähmen sich daraum, was sie wollten, sagt sie. Mit ihren Eltern, die ihre Heimat nicht verlassen wollten, habe sie nur alle drei Tage Kontakt.
„Das ist ein Albtraum“, sagte Marina in dem von der Borbeckerin Claudia Weiss mit ihr geführten Interview: „Wenn jemand plötzlich auftritt und dir verbietet, so in deinem Land zu leben, wie du willst.“ Sie selbst sei in Sowjetzeiten geboren, erinnere sich noch gut, wie das damals war. „Alles was ich will ist, Frieden“, sagt sie heute. „Jeder will das. Und wir alle lernen, was es heißt, in einer Demokratie zu leben. Frei, verantwortungsvoll. Miteinander. Und das zu verteidigen. Aber: Ihr solltet das wissen.“
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