Balster geht, Kita kommt

Borbecker Traditionsunternehmen schafft Zukunft

0 27.09.2019

BORBECK. Von weitem sind sie in den Schaufenstern schon zu sehen: „Reduziert, Sonderverkauf“ steht auf roten Plakaten. Viele Lücken in den Verkaufsräumen zeigen, dass von den Angeboten schon viel Gebrauch gemacht wurde. Denn ein Traditionsunternehmen in Borbeck-Mitte macht dicht: Balster, seit über 60 Jahren aus dem Stadtteil kaum wegzudenken, hat sich „schweren Herzens dazu entschieden, den Geschäftsbetrieb am 30. September 2019 einzustellen“, teilten Petra und Michael Balster mit. Und doch wird hier etwas ganz Neues entstehen – dafür setzen sie sich jetzt mit großem Einsatz ein.

Firmengründer Hans Balster

Hans Balster, damals erst 25, hatte 1957 den Grundstein für das Familienunternehmen gelegt. Kurz nach dem Krieg machte er zunächst die Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in der Eisen- und Haushaltsbranche, ging dann auf die Handels- und Wirtschaftsschule in Köln. Ab 1950 war er in einem Duisburger Fachgeschäft, bei den Firmen Schulte und Kampmeyer in Gelsenkirchen sowie in Trier im Verkauf und als Abteilungsleiter tätig. Doch er wollte in die Selbständigkeit: 1957 übernahm er in Borbeck das Geschäft Clemens Bücking und zum September 1959 die Firma Radio Stöckmann auf der Borbecker Str. 105. Zwei Jahre später, im Mai 1961, wurden die Firmen in einem Neubau auf der Borbecker Str. 100-102 zusammengelegt, der heutigen Marktstr. 57-59, wo die Familie Körtchen die Gaststätte „Ratskeller“ betrieb.

Ausbau und Wachstum

1968 verdoppelte sich der Platz für die Verkaufsfläche der Firma Hans Balster von 400 auf 800 Quadratmeter. Und erfolgreich bemühte man sich, dem Markt einen Schritt voraus zu sein. Nur hier gab es in Borbeck den ersten Farbfernseher. Die Eisenwaren-Zeitung vermerkte am 4. Januar 1969: „Insgesamt ergibt sich das Bild eines gut sortierten Fachgeschäftes mit gemischtem Sortiment, dessen Expansions-Möglichkeiten durch den Umbau noch nicht erschöpft sind.“ Und der Seniorchef blieb dran: Um seine Waren besser zu präsentieren, lockte jetzt auch eine über 27 Meter lange Schaufensterfront, im „Hobby-Keller“ entstand eine riesige Heimwerkerabteilung. Die Firma wuchs rasant: Für Beratung, Kundendienst für Großgeräte, Sanitär-Installation, für Radio, Fernsehen und Phono wurden jetzt 30 Mitarbeiter beschäftigt, der Service umfasste sogar einen eigenen Holzzuschnitt. Um Lagerkapazitäten zu vergrößern, entstand 1982 hinter dem Gebäude ein neuer Bau mit Parkdeck für die Kunden, die Verkaufsfläche wurde noch auf 1000 Quadratmeter gesteigert.

Neue Schwerpunkte und Nachfolger

Ein neuer Schwerpunkt im Sortiment kam 1982: Spielwaren, Kinderwagen, Fahrräder, Glas und Porzellan wurden herausgenommen, dafür kamen jetzt elektrische Hausgeräte, Einbauküchen und Unterhaltungselektronik dazu. Weitere Modernisierungen und Sonderveranstaltungen zum jährlichen Marktfest und zur Wintersaisonbegannen 1984 . Zwei Jahre später trat der Sohn in das Unternehmen ein: Michael Balster, Jahrgang 1962, hatte zuvor in Münster Betriebswirtschaftslehre studiert, dazu parallel die Ausbildung zum Bürokaufmann gemacht. Mit Zusatzqualifikation als Handelsassistent übernahm er mit 25 Jahren nun die Abteilung für Unterhaltungselektronik-Abteilung, seine Frau Petra stieg im August 1987 mit ein. Im gleichen Jahr eröffnete „Der neue Balster“: Nicht nur von außen präsentierte sich das Unternehmen mit einer hellen und freundlicheren Fassade, auch innen hatte sich die Abteilung Unterhaltungselektronik mit einem modernen Hifi-Studio stark vergrößert. Kunden, Neugierige und zahlreiche Gäste staunten über das neu eingerichtete große Küchenstudio, das ganze Fachgeschäft erschien in einem modernen Design. Michael Balster erhielt 1988 die Gesamtprokura der neuen Firma Balster GmbH.

Balster im Trend

Als sich der Firmengründer nach fast 40 Jahren 1996 aus dem Geschäftsleben zurückzog, übernahmen Petra und Michael Balster die Geschäftsführung und begannen mit dem Ausbau des Bereichs für exklusive Einbauküchen. Die Fläche für die Präsentation wuchs von 100 auf 450 Quadratmeter und mit dem ersten Dolby-Surround Studio bot die Musikabteilung neue Trendprodukte wie LCD- und Plasma-Fernseher sowie DVD- und Festplattenrekorder. Nicht nur die Mitarbeiter blieben dabei durch Seminare ständig auf dem neuesten Stand der Technik: Balster bot auch seinen Kunden Schulungen an. Kochevents mit Küchen-Profis im exklusiven Balster-Küchen-Studio informierten über neue ökonomische und gesündere Kochtechniken, Wein- und Champagner-Events wurden mit dem Balster-Partner Bang & Olufsen realisiert.

Wachsende Herausforderungen

Die Herausforderungen der Jahrzehnte nahmen jedoch zu: „Massenware, Billig-Produkte und Mega-Stores beeinflussten das Kaufverhalten der Kundschaft maßgeblich“, so die Firma im Rückblick. Balster entschied sich ganz bewusst, den Entwicklungen mit höchster Qualität, kompetenter Beratung und Rundum-Service zu begegnen. „Dieser Umstand darf jedoch nicht davor hinwegtäuschen, dass die Zukunftsperspektiven des Familienunternehmens weniger optimistisch ausfallen“, erklärte das Unternehmen jetzt vor der anstehenden Schließung: „Vor dem Hintergrund von Preisvergleichen und Angebotsvielfalt des Internets, ist eine Fortsetzung der Geschäftstätigkeit in der gegebenen Form nicht länger möglich.“

Neues Projekt für Borbeck-Mitte

Gleichwohl fühlen sich Michael und Petra Balster dem Stadtteil weiter verpflichtet – der Sohn will das Geschäft nicht weiterführen. Wie schon der Firmengründer wollen sie sich weiter für Borbeck engagieren. So wie Hans Balster „mit zahlreichen Aktivitäten für öffentliche Anliegen, Borbecker Belange und die Interessen der Kaufmannschaft“ einsetzte – so die Borbecker Nachrichten 1977 zum 25. Firmenjubiläum –, wollen auch die heutigen Inhaber die Tradition fortsetzen: „Die enge Verbundenheit zum Standort Essen-Borbeck und den Menschen, die hier leben, sieht die Familie Balster jedoch als persönliche Verpflichtung, an einer zukunftsorientierten Lösung für den Stadtteil mitzuarbeiten“, so das langjährige CeBo-Vorstandsmitglied Michael Balster. Die freiwerdenden Geschäftsräume sollen „künftig einem neuen Zweck zugeführt werden, welcher der Fußgängerzone neue Impulse verleihen soll.“

Kita-Konzept überzeugte

Denn wo derzeit noch der Schlussverkauf stattfindet, wird nach der Schließung eine Baustelle eröffnen: Hier soll gemeinsam mit einem privaten Träger ab August 2020 eine Kindertagesstätte mit 45 Plätzen ihren Platz finden. Zum einen solle damit dem akuten Mangel an geeigneten Betreuungsplätzen begegnet werden, zum anderen verspreche man sich „eine Belebung des Dienstleistungszentrums Borbeck durch die regelmäßige Frequenz von Eltern und Angehörigen, die ihre Kleinen in die Kindertagesstätte bringen oder von dort abholen.“ Von den Plänen des privaten Trägers und dem hellen, modernen und barrierefreien Konzept sind sie sehr überzeugt. Es sieht eine von Grund auf völlige Neugestaltung der Räumlichkeiten vor, damit sowohl eine anregende Umgebung für die Kinder entsteht, aber auch ein angenehmes Arbeitsumfeld für die Betreuerinnen und Betreuer. Auch an einen Außenbereich ist gedacht: „Der erhöhte Innenhof, der momentan noch als Parkdeck genutzt wird, soll künftig als ebenerdig erreichbare Spielfläche abseits von klingelnden Straßenbahnen und brummenden Autos dienen."

„Würdige Nachfolge“

Petra und Michael Balster, deren Mitarbeiter fast alle inzwischen eine neue Anstellung gefunden haben, sind vom Ende des Unternehmens natürlich nicht unberührt, das geben sie zu – auch mit Blick auf die Kunden und ein ganzes Arbeitsleben. Doch nach der unausweichlichen Entscheidung nehmen sie jetzt mutig, beherzt und unternehmungslustig Neues in Angriff: „Als Eigentümer des Hauses freut sich die Familie Balster ganz besonders darüber, ein solch attraktives und wegweisendes Projekt für den Stadtteil maßgeblich unterstützen und mitgestalten zu dürfen. Eine würdige Nachfolge für das Unternehmen und ein tolles Zeichen der Verbundenheit zu dem Stadtteil, in dem vor über 60 Jahren alles begann.“

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