August Gottschalk zum 100. Geburtstag

Meisterspieler, Dirigent und Sturmtank

0 12.12.2021

Er war der unumstrittene Chef auf und neben dem Platz und zugleich der verlängerte Arm von Georg Melches. Als Dirigent, Spielführer und Kopf der Mannschaft führte er Rot-Weiss Essen zu zwei Westdeutschen Meisterschaften, dem DFB-Pokalsieg und zur Deutschen Meisterschaft.

August Gottschalk kam am 14. Dezember 1921 in Essen-Altenessen zur Welt. Seine stattliche Figur wurde dem jüngsten Sohn einer dem Gewichtheben verschriebenen Familie gleichsam in die Wiege gelegt. Mit dem Fußballspielen begann Gottschalk als Achtjähriger bei Preußen 02. Als 17jähriger wechselte der kräftige Stürmer 1939 zu Rot-Weiss Essen und durfte mit einer Sondergenehmigung in der 1. Mannschaft spielen. Der Aufstieg in die Gauliga, der damals höchsten deutschen Spielklasse, machte schließlich auch Sepp Herberger auf das junge Stürmertalent aufmerksam, der ihn zu einem Nachwuchs-Lehrgang nach Berlin einlud. Doch der Zweite Weltkrieg verhinderte den Sprung ins Nationalteam, Gottschalk wurde 1941 Soldat.

Mannschaftskapitän August Gottschalk (oben mit Autogramm) spielte von 1937 bis 1955 für RWE und war an allen großen Erfolgen beteiligt. In der Presse wurde das Team nicht selten als „Gottschalk-Elf“ bezeichnet.

Nach dem Krieg wechselte er zunächst zurück zu Preußen 02 und wurde prompt Stadtmeister. Georg Melches holte ihn in der Saison 1946/1947 wieder an die Hafenstraße. August Gottschalk wurde in den nächsten Jahren für Rot-Weiss Essen so wichtig wie Ernst Kuzorra für Schalke 04, Fritz Walter für den 1. FC Kaiserslautern oder Uwe Seeler für den Hamburger SV.

Der Denker und Lenker des RWE-Spiels beim Kopfball

Die Gottschalk-Elf

Der damalige Geschäftsstellenleiter Paul Nikelski meinte über ihn: „Ein echter Kapitän. Ein Dirigent, der auf dem Spielfeld die Richtung bestimmte. Wenn er auf dem Platz seine Kommandos gab, kuschte selbst ein Individualist wie Helmut Rahn, der gewiss nicht nach jedermanns Pfeife tanzte. Auch außerhalb des Spielfeldes galt sein Wort. Ohne August lief nichts. Bei ihm musste alles seine Ordnung haben. Er wies den jüngeren Mitspielern im Bus die von ihm vorgesehenen Sitzplätze zu, und selbst beim gemeinsamen Essen rührte keiner die Gabel, bevor er sein ´Mahlzeit` empfohlen hatte. Und nach den Spielen bemühte sich der Mannschaftsführer um eine familiäre Atmosphäre, indem er die Spielerfrauen einlud. Gottschalk war die von allen respektierte Integrationsfigur.“ Und so schrieben viele Journalisten auch von der „Gottschalk-Elf", wenn es um RWE ging.

Als RWE 1955 die Deutsche Meisterschaft gewann, war der Mannschaftskapitän bereits endgültig zum Dirigenten auf dem Platz gereift. Der legendäre Rundfunkreporter Kurt Brumme schrieb in der RWE-Festschrift von 1957: „Man kann die Mittelstürmer Westdeutschlands an einer Hand aufzählen, die es an Fußballkunst diesem Manne gleichtun konnten. Vom Reißer der Fußball-Frühlingstage hat er sich zum Strategen, zum überlegenen Sturmführer seiner Mannschaft entwickelt, der er bald mit seiner Persönlichkeit den Stempel aufdrückte.“

Eine der markantesten Persönlichkeiten des Fußballsports

Mit August Gottschalk erlebte Rot-Weiss Essen seinen kometenhaften Aufstieg. Höhepunkt der Karriere Gottschalks war der 4:3 Erfolg im Endspiel um die Deutsche Meisterschaft gegen den 1. FC Kaiserslautern.

Die WAZ kommentierte: „Die Augen der Tausenden hingen an zwei Spielern, Fritz Walter hielt die Regiefäden der Kaiserslauterer; er, der glanzvolle Dirigent jener deutschen Weltmeisterelf von Bern. Bei Rot-Weiss führte August Gottschalk die Spielhandlungen. Um eine Nuance spielte der Mittelstürmer aus Essen klüger, um eine Nuance, die den späteren Sieg mitbestimmte.“

Die zwölfseitige Sonderausgabe des Sportpresseverlags schrieb: „Gottschalk wurde zum überragenden Dirigenten. Trotz Doppelbewachung von Stopper Liebrich und Mittelstürmer Horst Eckel, denen er sich durch geschicktes Rochieren entziehen konnte.“

In einem Kurzportrait drei Tage nach der Meisterschaft fasste die WAZ die charakteristischen Merkmale der Persönlichkeit August Gottschalks noch einmal trefflich zusammen: „Wenn man weiß, dass Bruder und Vetter in der Gewichtheberstaffel von Essen 88 (Deutscher Mannschaftsmeister) mitmachen, versteht man, dass Zweizentner-August keine Nurmifigur (Paavo Nurmi war ein finnischer Ausnahmeläufer, der zwischen 1920 und 1928 bei den Olympischen Spielen 9 Goldmedaillen gewann und bei einer Größe von 1,74m gerade einmal 65 kg wog, Anm. des Verf.) haben kann.

Auch das Gastwirtschaftsgewerbe, zu dem Gottschalks Kneipe in Borbeck gehört, verführt nicht gerade zur Schlankheitskur. Als Fußballer ist der 34-jährige geborene Essener eine der markantesten Persönlichkeiten dieses Sports in Deutschland: Ein Mannschaftsführer, wie man sich ihn besser nicht denken kann, der für seine Kameraden das Letzte hergibt, aber der sich auch unter allen Umständen durchzusetzen weiß. Dass sein Köpfchen nicht nur zum „Köpfen“, sondern zu einer raffinierten und überlegenen Spielführung taugt, dass er die Fäden des Spiels in jedem Augenblick klar überblickt, hat nicht zuletzt das Meisterschaftsspiel in Hannover gezeigt.“

Der größte Erfolg – Deutscher Meister 1955. August Gottschalk mit der Meisterschale.

Für immer RWE

Nach der Meisterschaft 1955 beendete August Gottschalk seine Karriere und war noch eine Saison als Spielertrainer für den SV Borbeck aktiv. Auch beruflich blieb er der Ruhrgebietsmetropole weiter fest verbunden. Die von Gottschalk und seiner Frau betriebene Sportlerklause am Borbecker Germaniaplatz war die Vereingaststätte des SV Borbeck, ab 1967 arbeitete das RWE-Mitglied als Repräsentant der Stauder-Brauerei.

Seine Heimatverbundenheit und Treue zu Rot-Weiss Essen fasste Gottschalk so zusammen: „Ich habe nach dem alten Spruch gehandelt: Bleibe im Lande und nähre dich redlich. In Essen habe ich meine Freunde und Bekannte. Mit Rot-Weiss habe ich die ganze Welt gesehen. Und ohnehin konnte ich es meinem väterlichen Freund Georg Melches, ohne den Rot-Weiss nie so weit gekommen wäre, nicht wehtun, wegzugehen.“

August Gottschalk absolvierte für RWE 186 Spiele in der Oberliga West sowie den Endrunden zur Deutschen Meisterschaft und schoss dabei 99 Tore. Ein weiteres Pflichtspieltor gelang ihm 1953 im DFB-Pokalhalbfinale mit dem 3:2 Siegtreffer gegen Waldhof Mannheim.

Seinen Lebensabend verbrachte das RWE-Urgestein im St. Thomas Altenwohn- und Pflegeheim an der Vogelheimer Straße – nur 200 Meter Luftlinie von der Hafenstraße entfernt. Hier hatte er auf der Tribüne im Georg Melches-Stadion noch viele Jahre nach seiner Karriere die Spiele der Rot-Weissen verfolgt.

August Gottschalk starb am 27.11.2014 im Alter von fast 93 Jahren. Welche Bedeutung der RWE-Ehrenspielführer für die Geschichte seines Vereins hat, zeigt auch die nach ihm benannte Gästetribüne im Stadion an der Hafenstraße.

Georg Schrepper

vgl. unser Eintrag zu August Gottschalk von Franz Josef Gründges im Borbeck-Lexikon: https://www.borbeck.de/lexikon-details/gottschalk-august.html

August Gottschalk und Fritz Herkenrath nach der Landung von der Amerikareise 1954.

Das Erfolgstrio von Rot-Weiss Essen: Helmut Rahn, Georg Melches und August Gottschalk

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