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0 06.05.2020
Was ich zu meinem dreizehnten Geburtstag geschenkt bekam, weiß ich nicht mehr. Es kann ohnehin nicht von großem materiellem Wert gewesen sein, denn wir schrieben den 8. Mai 1945.“ Winfried Stöckmann (88) erinnert sich noch gut an die letzten Kriegstage und das Ende. - (Viele kennen noch den Dellwiger, der Jahrzehnte lang für die Borbecker Nachrichten und andere Essener Medien über den Tischtennissport berichtete.)
Stöckmann weiter: „Als schönstes Geburtstagsgeschenk ist der Tag bei mir in Erinnerung geblieben, denn dieses Datum markiert nicht nur das Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern bis heute eine unglaublich lange Zeit des Friedens.
An diesem sonnigen Frühlingstag des 8. Mai war die tägliche Gefahr für uns durch Geschützfeuer vom anderen Ufer des Rhein-Herne-Kanals, der Bomben- und Tieffliegerangriffe schon drei Wochen vorbei. Die ,Amis‘ hatten Essen ohne großen Widerstand eingenommen und das ständige Schutzsuchen im Keller oder Bunker hatte endlich ein Ende.
Geblieben war jedoch die ständige Suche nach noch intakten Lebensmittelgeschäften, in denen es auf Marken für das weitere Überleben noch etwas zu kaufen gab. Sich dabei jetzt gefahrlos bewegen zu können, war ein völlig neues Gefühl. Auch in unser Kinderleben kehrte langsam wieder Normalität ein. Ohne fürchten zu müssen, durch Fliegeralarm unterbrochen zu werden, begann jetzt die Suche nach einer Stelle, wo wir trotz der Trümmer endlich wieder pöhlen konnten. Allerdings zum Unwillen meiner Eltern, die sich um das kostbare Schuhwerk sorgten und den in ihren Augen „unnötigen Kalorienverbrauch“ ihres Sohnes anmerkten.
Problemlos konnten wir Jungens uns jetzt in der näheren Umgebung herumtreiben. Die erste Begegnung mit farbigen Amerikanern bleibt für mich eine unvergessene Episode. Mit einigen Freunden wollten wir einen Schulkameraden in Oberfrintrop besuchen. Die dort stationierten Besatzungssoldaten ließen uns jedoch nicht ohne weiteres durch. Um zu erklären, was wir wollten, Einer von uns hatte den Mut und versuchte mit den noch äußerst spärlichen englischen Schulkenntnissen unsere Absicht durch den Satz „I will to my friend in the second house” verständlich zu machen. Der Ami hatte aber verstanden. Wir durften passieren.
Die noch lebendigen Erinnerungen an meinen dreizehnten Geburtstag lassen jedoch die Zeit davor mit der Kinderlandverschickung (KLV) ins damalige Böhmen und Mähren, dem Hunger und den Bombenangriffen nicht vergessen. Es ist aber ein Segen, dass man in diesem jungen Alter solche Dinge schnell verdrängt.
75 Jahre später ist es ein Virus, das die Welt in Unruhe versetzt. Das Gefühl der Ohnmacht ist ähnlich wie damals. Der vorherrschende Gedanke bei der Erinnerung an meinen Geburtstag am 8. Mai 1945 ist aber: Endlich Frieden!
Zum Bild: Das Foto zeigt Winfried Stöckmann zwei Jahre vor Kriegsende. Am 8. Mai 1945 wurde der Junge dreizehn Jahr alt.
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