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0 19.01.2025
Borbecker Schülerinnen und Schüler lernen: Auschwitz ist die deutsche Bezeichnung für die polnische Stadt Oswiecim, wo die Nationalsozialisten von 1940 bis 1945 ein Konzentrations- und Vernichtungslager betrieben haben. Das Lager befand sich im vom Deutschen Reich vereinnahmten Teil Polens. Überwiegend Juden sowie gegenüber dem NS-Regime kritisch eingestellte Menschen waren in dem Lager inhaftiert oder sie wurden dort fabrikmäßig ermordet. Am 27. Januar 1945 wurde der Lagerkomplex von der Roten Armee befreit. In der Nachkriegszeit wurde der Name „Auschwitz“ zu einem Symbol für den Holocaust. Der Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz ist seit 1996 in Deutschland und seit 2005 international der öffentlich begangene Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus.
Um jüngere Generationen für das Anliegen des Gedenktages zu erreichen, sehen die amtlichen Lehrpläne die schulische Aufarbeitung der NS-Zeit als besonderes Ziel vor. Für die Umsetzung dieses Ziels bietet die Vielfalt der Borbecker Schullandschaft einen fruchtbaren Rahmen. Die schulischen Angebote reichen von Schulen der Primarstufe bis zu Schulen der Sekundarstufen I und II. Außerdem stehen Förderschulen mit unterschiedlichen Förderschwerpunkten zur Verfügung.
Die Schulen sind häufig mit dem pauschalen Vorwurf konfrontiert worden, sie würden junge Menschen zu wenig und nur oberflächlich über die NS-Zeit unterrichten. Die Erfahrungen an Borbecker Schulen belegen aber beispielhaft, dass etwa das Befragen von Zeitzeugen zu unserer Vergangenheit wichtiger Bestandteil ihres Unterrichts geworden ist.
Vor langer Zeit hatte die Stadt Essen ein Besuchsprogramm für ehemalige jüdische Bürger Essens ins Leben gerufen. In Schulklassen konnten sie als Zeitzeugen über ihre Flucht vor den Nationalsozialisten authentisch berichten und in einen Austausch mit den Schülerinnen und Schülern treten. Zu den Gästen unserer Stadt gehörte Ernst Simon. Seine Familie war vor mehr als 70 Jahren über die Niederlande nach Brasilien geflohen. Dort lernte er seine Frau Alice kennen, die ihn nach Borbeck begleitete. Kurz nach der Jahrtausendwende kehrte er in seine Heimatstadt zurück und betrat gespannt das Schulgebäude an der Prinzenstraße. Die Klasse war wissbegierig und reagierte auf die Erfahrungen seiner Familie mit Betroffenheit.
Das Foto (Filz/BN) zeigt von li. nach re:, Franz Josef Gründges, damals Fachbereichsleiter Geschichte, jüdische Gäste: Eheleute Alice und Ernst Simon sowie Wolfgang Sykorra, damals Leiter des Gymnasiums Borbeck.
Acht Jahrzehnte nach Kriegsende leben kaum noch ehemalige Essener Juden, die den Schrecken der Diktatur bewusst erlebt haben. Darauf musste sich der Unterricht einstellen. Ein Blick auf die Websites der Schulen zeigt, wie kreativ sie unterrichtlich das sensible Thema der Judenverfolgung behandeln. Da Zeitzeugen fehlen, müssen Borbecker Jungen und Mädchen auf geschichtliche Spurensuche gehen. Dazu nutzen sie die Bildungspartnerschaften, die ihre Schulen mit dem Stadtarchiv Essen vereinbart haben: Sie sichten Quellen und werten sie aus. Auf diese Weise gelingt es ihnen, Lebensläufe früherer jüdischer Bürger zu rekonstruieren. Ihre Ergebnisse fließen dann in die Vorbereitung von historischen Ausstellungen oder in die graphische Gestaltung so genannter Stolpersteine ein. Diese werden im öffentlichen Raum – oft vor dem Wohnhaus der Betroffenen - in den Boden eingelassen. Dort sollen sie an das Schicksal der Verfolgten erinnern.
Lehrerinnen und Lehrer sind sich sicher, dass eine Analyse authentischer Quellen zu den Schicksalen verfolgter Menschen unsere Vergangenheit für junge Generationen besonders greifbar macht. Viele Schülerinnen und Schüler machen von den vielfältigen Angeboten der Alten Synagoge Gebrauch. In der Zeit als politisches Dokumentationszentrum bot sie die Dauerausstellung „Widerstand und Verfolgung im Dritten Reich“ an. Inzwischen hat sich die Alte Synagoge zu einem Forum entwickelt, das Schülerinnen und Schüler zur Begegnung mit jüdischer Kultur einlädt.
Die Forderung nach kultureller Offenheit spiegelt sich deutlich in unserer Verfassung wider. Deren 75. Geburtstag ist vom Kultur-Historischen Verein Borbeck kürzlich in einer lehrreichen Ausstellung gedacht worden. Blicke in Vergangenheit und Gegenwart zeigen, wohin Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus führen und wie wichtig es ist, Toleranz dagegen zu setzen.
Wolfgang Sykorra
Vor 20 Jahren, am 15. November 2005, wurden in Borbeck die ersten Stolpersteine verlegt. In den Borbecker Beiträgen (23. Jahrgang, Nr.1 /2007, Januar - April) zählte Andreas Koerner fast 50 Stolpersteine auf, die vor allem an jüdische Mitbürger in Borbeck erinnern, die in Konzentrationslagern ermordet wurden. Im Vernichtungslager Auschwitz starben Manfred Loewenthal (1922-1944) vom Borbecker Platz 2 und Alfred van Biema (1882-1942) von der Marktstr. 24 und Eveline Wingen (1918-1942) von der heutigen Neustr. 130. Sie erlebten die Befreiung von Auschwitz nicht mehr. Allein dort wurden 900.000–1.100.000 Menschen umgebracht.
Stolpersteine finden sich an vielen Straßen: Aktienstraße, Alte Bottroper Straße, Altendorfer Straße, Bocholder Straße, Borbecker Platz, Hafenstraße, Haus-Berge-Straße, Marktstraße, Neustraße, Otto-Brenner-Straße, Rechtstraße, Schmale Straße, Theodor-Hartz-Straße, Weidkamp, Wüstenhöferstraße.
Bild oben: Der Künstler Gunter Demnig verlegte am 13. April 2006 Stolpersteine in der Otto-Brenner-Straße für Gustav und Ida Lazarus. (Foto: Andreas Koerner)
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