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0 12.11.2019
BORBECK. Am Sonntag, 17. November, ist Volkstrauertag - ein stiller Feiertag, der den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft gewidmet ist. In ganz Deutschland hängen deshalb bei öffentlichen Gebäuden die Fahnen auf Halbmast. Viele Veranstaltungen erinnern an die Bedeutung dieses Tages, auch im Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Die zentrale Gedenkstunde beginnt um 13.30 Uhr und wird von der ARD direkt übertragen. Sie steht unter Schirmherrschaft von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der auch das Totengedenken spricht. Die Gedenkrede hält Dr. Rafał Dutkiewicz, der ehemalige Stadtpräsident von Breslau, die musikalische Gestaltung liegt beim Landesjugendchor Brandenburg in Kooperation mit dem Kammerchor Adoramus aus Słubice und einem Bläserensemble des Musikkorps der Bundeswehr in Siegburg.
Eröffnet wird das Gedenken im Bundestag durch Wolfgang Schneiderhan, den Präsidenten des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der traditionell die Veranstaltung ausrichtet: „Der Erste Weltkrieg kostete 17 Millionen Menschen das Leben, unzählige Menschen verloren alles, was ihnen lieb und teuer war. Nur 20 Jahre später brachte der Zweite Weltkrieg wieder entsetzliches Leid über noch viel mehr Menschen. Der Volkstrauertag als Gedenktag, der fordert uns auf, nachzudenken“, erklärte Schneiderhan zu diesem Tag, der erstmals am 5. März 1922 mit Reichstagspräsident Paul Löbe begangen wurde – damals noch ganz unter dem unmittelbaren Eindruck der ungeheuren Opfer dieses ersten industriell geführten Massenkriegs. Eine große Herausforderung für den damals neu gegründeten Volksbund – daran werden 2019 im Reichstag auch die Lesungen erinnern. Sie stehen unter dem Titel „100 Jahre Kriegsgräberfürsorge in Deutschland und Europa“ und werden von Wegbegleitern des Volksbundes aus drei Generationen gestaltet.
Wer in die Geschichte der eigenen Region schaut, wird nicht daran vorbeischauen können, dass das massenhafte Sterben des Ersten Weltkriegs von einer gigantischen Rüstungsmaschinerie getrieben war, die bis dahin ohne Beispiel war. Maßgeblich sorgten die von Kaiser und Militärs umworbenen Stahlproduzenten des Ruhrgebietes für einen scheinbar unversiegbaren Nachschub an Kanonen und Munition, die in nie zuvor gekanntem Maße zum Kennzeichen dieses Krieges wurde. In patriotischer Begeisterung zogen 1914 die Soldaten der Kaiserlichen Armee in die Schlacht, im Vertrauen auf die eigene Unbesiegbarkeit fest davon überzeugt, dass bald die Waffen wieder schweigen würden – nach einem schnell errungenen Sieg. Davon konnte bekanntermaßen keine Rede sein.
Kisten mit Feldpostbriefen aus dem Dionysius-Archiv, die Pfr. Joseph Hammels 1914-18 von Frontsoldaten des Ersten Weltkrieges erhielt
Die „Feldzüge“ erstickten bald in dramatischen und zermürbenden Stellungskriegen, besonders im Westen, wo die Kriegsgegner nach ersten Erfolgen auf über 1000 Kilometern Frontlinie schnell im Schlamm und Gräben steckten. Davon zeugen fast 1.000 Feldpostbriefe, die im 1. Weltkrieg den Pfarrer von St. Dionysius erreichten – ein schier unglaublicher Schatz, der bislang kaum gehoben ist und auf den uns Hans-Werner Kreul als Verwalter des Dionysiusarchivs aufmerksam machte. Adressat der Post war Dr. Joseph Hammels (1868-1944), der von 1912 bis 1922 Pfarrer in Borbeck war und später Weihbischof in Köln wurde. Er unterhielt mit den Soldaten während der gesamten Kriegszeit einen ausgedehnten Briefwechsel, von dem im Pfarrarchiv zwei große Kartons erhalten sind. Hier wie überall versuchten die Leitung der Pfarrei und die Verbände mit „Liebesgaben ins Feld“ die Kontakte in die Heimat aufrecht zu erhalten – das zeigen die gen Heimat gesandten Briefe von den Fronten. Viele von ihnen wurden durch Hans-Werner Kreul und den langjährigen Borbecker Pfarrer Otmar Vieth aus der damals gebrauchten Sütterlin-Schrift in lesbare Form übertragen.
„Nehmen Ew. Hochwürden für das mir gütigst übersandte Paket hiermit meinen besten Dank entgegen“, so schrieb etwa August E. am 29.11.1914 von der Westfront aus dem kleinen Nest Martencourt im Département Meurthe-et-Moselle in Lothringen. Gut vier Monate zuvor hatten die deutschen Truppen die Grenze überschritten. Jetzt hing der Borbecker rund 30 Kilometer nordnordwestlich von Nancy fest: „Fünfzehn Wochen haben wir mit Gottes Hülfe die Strapazen des Krieges und seine Entbehrungen gekostet. Manches blutige Treffen mit dem Feind war uns in dieser Zeit beschieden.“ Die überstandenen Schlachten und der Übergang über die Maas würden ihm „unvergesslich“ bleiben, schrieb August im folgenden Wortlaut des Briefes:
„Nicht minder war der Kampf im Argonner Wald. Die Franzosen hatten sich hier fest eingebuddelt und so wurde es unsere Aufgabe den Wald zu säubern. Jeder Schritt mußte hier erkämpft werden. Das war hier umso schwerer, als der Gegner nur aus kleinen Löchern in versteckten Stellungen schoß und sonst nicht zu sehen war. Teilweise waren unsere Schützengräben nicht mehr als 30 m. von denen der feindl. entfernt. Ein Sturmangriff war hier unmöglich; er hätte zuviel Menschenleben gekostet. Unsere Truppen machten sich auf allen vieren an den Feind heran; während unsere Pioniere sich mit Handgranaten und Mienen sich verteidigten.
Unsere Haubitzen haben bei dieser Gelegenheit besonders scharf mitgesprochen. Aber auch der Gegner hat seine schwere Artillerie zu uns herüber gesandt. Wenn auch ein großer Teil von Blindgängern sogenan. Versagern sich unter der Sendung befand. Manches Geschoß des Feindes hat trotzdem seine Wirkung nicht versagt. Und mancher unserer lieben Kameraden mußte hier dem Tod in's Angesicht sehen. Trotz der großen Gefahr gelang es uns hier direckt, hinter der Schützenlinie einem Feldgottesdienst beiwohnen zu können.“
Mittlerweile seien sie nun abgelöst worden, schrieb er nach Hause. Zur Erholung „der Pferde und Mannschaften, die 15 Wochen keinen Stall und Haus gesehen haben“, seien sie jetzt auf einem großen Hof untergebracht. Und trotz allem siegessicher, schloss er seine Feldpost an den Pfarrer: „Hoffentlich wird unserer gerechten Sache mit Gottes Hülfe bald der Sieg verliehen und können wir als siegreiche Helden von 1914 unseren Einzug in Borbeck halten. Bis dahin „Gott befohlen" gestatte ich mir Ew. Hochwürden zu grüßen.“
Doch der Rausch der von der Propaganda angeheizten Kriegsbegeisterung verflog, der Kriegswinter brachte keinen Fortschritt. Wer tatsächlich ernsthaft geglaubt hatte, man könne schon zu Weihnachten den Sieg in Paris feiern, der sah sich nun mit der Wirklichkeit konfrontiert. Im Sommer 1915 ist der Krieg längst zum Alltag geworden: „Wir liegen jetzt hier im Biwak in einem kleinen Tale“, schreibt Matthias Homberg an „Herrn Pfarrer Hammels Hochw., Borbeck b. Essen, Lieber Herr Pastor! ...“ am 19. Juni. Der Angehörige der Landwehr-Sanitäts-Kompanie 39 war Teil der 1. Armee, die sich an der Westfront eingerichtet hatte. In seinem Brief beschreibt Matthias zunächst das tägliche Leben mit diesen Worten:
„Vierzehn Tage führen wir schon ein richtiges Zigeunerleben. Unter jedem Baum ist ein kleines Zelt errichtet, unsichtbar für das scharfe Auge der feindlichen Flieger, die über uns ihr lustiges Spiel treiben. Es ist nämlich sehr unangenehm, wenn sie über uns herfliegen und dann mit Schrapnells beschossen werden. Die Kugeln fallen wieder zur Erde, und es ist kein schönes Gefühl, so ein Kugelchen wie einen Tornister auf den Rücken zu bekommen. Tagsüber laufen wir in Hose und Hemd herum, weil die Hitze zu groß ist, und nachts kann man sich nicht dicht genug einhüllen, um ruhig bei einer Temperatur von 2g (Grad) schlafen zu können. Als Kopfkissen dient unser Tornister. Matratzen werden durch Moos und Stroh ersetzt und unser Hemd vertritt die Stelle einer Wärmeflasche. Tische, Bänke und Stühle haben wir aus Baumästen gebaut. Das Polster muß man sich denken. Unsere Gesichtsfarbe hat die eines Kongonegers angenommen. Abends tritt unser Gesangsverein oder unser Kasperletheater in Tätigkeit. Auch haben wir schon einen Fußball „gekauft". Wenn diese humorvolle Seite im Kriege nicht wäre, so würde wohl manchem der Mut sinken.“
Ganz sicher weiß er, dass er auch der Heimat kaum allein Anekdotisches zumuten kann. Längst ist deutlich genug, dass der Krieg zahllose Opfer fordert. Matthias selbst ist damit direkt konfrontiert: Als Mitglied der Landwehr-Sanitätskompanie ist er offensichtlich einer von über 2.000 Führern eines speziell ausgebildeten Sanitätshundes, wie sie im Ersten Weltkrieg zur Suche nach Vermissten und Verletzten in unübersichtlichem Gelände üblich wurden (s. Abb. oben: Sanitätshunde auf dem Weg zu ihren Einheiten, aus: Illustrierte Kriegs-Chronik des Daheim, Heft 31, 1914, Titelseite). So wendet er sich in seinem Brief an den Pfarrer auch dem unmittelbaren Krieggeschehen zu:
„Nun zur ernsten Seite des Krieges. In der letzten Woche haben wir tüchtig gearbeitet. Fast jeden Tag wurden wir mit der 7. Ldw. San. K. alarmiert. Da wir vorläufig mit unsern Hunden im Stellungskampf nicht arbeiten können, sind wir Hundeführer freiwillig als Krankenträger mitgegangen. Zuerst ging es an der Artillerie vorbei, die nicht schlecht pfefferte. Aber auch die Franzosen ließen nicht auf Antwort warten. Nun in kleinen Kolonnen eine Höhe hinüber in nasse ... Laufgräben hinein. Gut daß die Franzosen nicht genau schössen. Daher wurde unser Rücken nur mit Erdkrümchen d.i. Lehmstücken übersät. Nach 1 Stunde waren wir am Sammelplatze für Verwundete angelangt. Jetzt ging's unter dem heftigen Granatfeuer, das der Artillerie galt, zum Notverbandsplatz hinter dem letzten Schützengraben.
Bald flog eine Mine über uns hinweg. Bald ein Schrapnell, dann wieder eine Granate, schließlich setzte noch Gewehrfeuer ein alles über unsere Köpfe zur Artillerie. Das Gefühl, das man in solchem Feuer hat, kann man sich leicht ausmalen. Nach ¾ Stunde waren wir an der Notverbandsstelle angekommen.“
Wie sehr betroffen er ist, als er dem Artilleriefeuer glücklich entgehen kann, verbirgt er jetzt jedoch kaum. Jedes Reden vom heldenhaften Soldatenleben weicht nun ganz anderen Beobachtungen. Jetzt mischen sich Mitleid, Wut und Resignation mit der Hoffnung auf ein schnelles Ende des Tötens:
„Schon viel Elend habe ich in diesem Kriege gesehen; aber nun solche Not wie gerade nach dieser Schlacht habe ich noch nie gesehen. Schildern kann man so etwas nicht, wie diese armen Kerls, die aus dem Schützengraben herauskommen, aussehen. Einem hängen die Beine wie Fetzen am Leibe, dort liegt einer ohne Kopf - es ist einfach schauerlich, dies alles zu beschreiben. Der erste, den ich tragen half, hatte 4 Bauchschüsse und 2 Armschüsse. Die andern waren noch schlimmer zugerichtet. Jeder mußte ... weggetragen werden. Wie lange dauerte es diesen armen Menschen bis wir in dem Dorfe, wo die Sammelstelle war, ankamen. Einer wollte sogar von der Trage hinunterspringen, als das Granatfeuer näher kam. Drei Mann starben, als wir sie eingeliefert hatten. Und da gibt es noch Bierbankpolitiker, die uns im Westen für nicht so tüchtig halten wie unsere Ostarmee. Hier muß jeder Millimeter mit hundert Menschenleben bezahlt werden, denn die Stellungen sind ganz anders als die im Osten. Dreimal mußten wir den Weg zur Stellung machen. Aber beim letzten Male waren wir alle so hundemüde bei der Hitze von 30 g, daß wir froh waren, die vorläufig gesammelten Soldaten untergebracht zu haben. Wie viele lagen noch auf freiem Felde die des Nachts wegetragen werden mußten. Hoffentlich hat dies Menschenmorden bald ein Ende.“
In der Borbecker Pfarrei stellte man alle anderen Themen nun zurück: Der in Russland als Feldgeistlicher tätige Vikar veröffentlicht ein Kriegstagebuch, und in loser Folge erscheint im Borbecker Kirchenblatt (KB) - einer weiteren Quelle dieser Zeit - eine von Schwester Honorata geschriebene Serie „Lazarettbilder aus Rußland“. Zweimal wöchentlich werden jetzt Kriegsandachten für die im Feld stehenden Soldaten aus der Gemeinde angesetzt, alle Pfarrmitglieder sind zu zahlreichem Besuch eingeladen. Die Pfarre und Einzelvereine intensivieren ihre Paketdienste für die Soldaten. Junge Männer, denen die Einberufung bevorsteht, besuchen eigene Rekrutenexerzitien, in denen sie geistlichen Beistand erfahren sollen. Immer mehr Vereine betrauern den Verlust von Mitgliedern, für die zu Messen eingeladen wird, das Vereinsleben ist zunehmend eingeschränkt und kommt mit dem Kriegsverlauf fast ganz zum Erliegen. Ohne Zweifel von großer Wirkung ist ein im Kirchenblatt Ende März 1916 unter dem Titel „Das Testament eines christlichen Helden“ veröffentlichter Brief eines Kolpingbruders. Die mit „Robert“ gezeichneten tröstlichen Zeilen an seine Eltern und Geschwister dürfe man den Pfarrangehörigen nicht vorenthalten, hieß es:
„Liebe Eltern und Geschwister! Wenn ihr dies erhaltet, bin ich vielleicht nicht mehr unter den Lebenden. In der kommenden Nacht soll... gestürmt werden. Ich setze mein Vertrauen auf Gott. Ist es sein hl. Wille, daß ich zu Euch zurückkehre? Oder soll ich mein junges Leben lassen wie so viele andere? Die Beantwortung dieser Frage wollen wir dem lieben Gott überlassen. Er weiß am besten was für mich gut ist. Ich habe mich schon in alles gefügt... Möge der liebe Gott Euch trösten und stärken mit seiner Gnade! Ich weiß es wohl, daß ihr im Gebete stets meiner gedenkt und ich bitte Euch, darin nicht nachzulassen... Lebt wohl bis auf ein frohes Wiedersehen im Jenseits... Grüßet mir auch noch alle anderen lieben Verwandten und Bekannten und betet für meine arme Seele. Nun mit Gott in den Kampf!“ (KB 6(1916), 13 vom 26.3.)
An der Westfront beginnt im Februar 1916 die Schlacht von Verdun, die zur „Blutmühle“ für Zehntausende wird. Sie beginnt ab Jahresmitte auch an der Somme zu mahlen. In der Heimat sind die Menschen hilflos: Seit März 1916 hat man für die auch sonntags in der Rüstung verpflichteten Kruppschen Arbeiter eine zusätzliche 5 Uhr-Messe eingerichtet, die bis Kriegsende durchgehalten wurde. „Religiöse Kriegswochen“ bereiten die 200. Borbecker Kevelaer-Wallfahrt vor, zu der 4.300 Teilnehmer aus allen Borbecker Pfarren in den Marienwallfahrtsort aufbrechen. Über 2.000 Kinder besuchen im August 1916 die nach Anordnung Papst Benedikts XV. für alle katholischen Kirchen Europas zur Erflehung des Friedens angesetzte Generalkommunion in St. Dionysius. (KB 6(1916),33 vom 13.8.) Sie sollte von allen Kindern in den Ländern Europas empfangen werden. Dazu wurden auch in Borbeck umfangreiche Vorbereitungen getroffen. Mehrere Vorträge in der Gemeinde und auf Stadtebene nehmen in den nächsten Monaten die Friedensinitiative des Papstes auf, der die Kriegsgegner zuletzt vergeblich zum Einlenken bewegen wollte. Bereits Ende Juli 1915 hatte er den Krieg verdammt und als „grauenhafte Schlächterei“ bezeichnet:
„Im heiligen Namen Gottes, unseres himmlischen Vaters und Herrn, um des gesegneten Blutes Jesu willen, welches der Preis der menschlichen Erlösung gewesen, beschwören Wir Euch, die Ihr von der göttlichen Vorsehung zur Regierung der kriegsführenden Nationen bestellt seid, diesem fürchterlichen Morden, das nunmehr seit einem Jahr Europa entehrt, endlich ein Ziel zu setzen. Es ist Bruderblut, das zu Lande und zur See vergossen wird. Die schönsten Gegenden Europas, dieses Gartens der Welt, sind mit Leichen und Ruinen besät. Ihr tragt vor Gott und den Menschen die entsetzliche Verantwortung für Frieden und Krieg. Höret auf Unsere Bitte, auf die väterliche Stimme des Vikars des ewigen und höchsten Richters, dem Ihr werdet Rechenschaft ablegen müssen. Die Fülle der Reichtümer, mit denen Gott der Schöpfer die Euch unterstellten Länder ausgestattet hat, erlauben Euch gewiss die Fortsetzung des Kampfes. Aber um was für einen Preis? Darauf mögen die Tausende junger Menschenleben antworten, die alltäglich auf den Schlachtfeldern erlöschen.“ (Benedikt XV. Exhortatio „Allorché fummo chiamati" vom 28. Juli 1915)
Während Geistliche, Klöster und Orden zur Unterstützung der Schwerverwundeten in den Frontlazaretten aufrufen und Geld und Naturalien sammeln, zeigt sich - auch in Borbeck - eine zunehmend verschlechternde Versorgungslage. Die sich ausbreitende Kriegsmüdigkeit ist offensichtlich: Im November 1916 heißt es im Borbecker Kirchenblatt deutlich: „Mit Gott für König und Vaterland“... „Mit Gott“, das ist die Hauptsache..“ (KB 6 (1916),46 vom 12.11.)
Wie bekannt, ist damals das Ende noch lange nicht erreicht – die zweite Hälfte des Krieges folgt erst noch: Millionen werden noch ins Feuer geschickt – auf allen Seiten. Die Armeen graben sich ein, wühlen sich durch den Dreck und Schlamm, überziehen Tausende von Quadratkilometern mit Stacheldrahtverhauen, Panzersperren und Minenfeldern. Seitdem 1915 das erste Gas über die Schlachtfelder zog, wird das Bombengewitter zum Dauerzustand, die Lazarette füllen sich mit Amputierten und Traumatisierten. Der Winter 1916/17 wird zum „Steckrüben-" oder Hungerwinter, der uneingeschränkte U-Bootkrieg ab Beginn des Jahres 1917 führt zum Kriegseintritt der USA, die Revolution in Russland kann den Kriegsverlauf nicht verändern. Und weiter werden Zehntausende in immer neue unsinnige Offensiven geschickt.
Niemand kann die Oberhand gewinnen, der Krieg blutet aus. Unter fürchterlichen Opfern. Endlich, am Morgen des 11. November 1918, unterzeichnen Franzosen und Deutsche den Waffenstillstand. Und ganz Europa ist ausgeblutet: Fast 10 Millionen sind auf den Schlachtfeldern geblieben, etwa 20 Millionen Verwundete bleiben zurück, die zivilen Opfer werden auf sieben Millionen geschätzt.
Das Kaiserreich ist zerschlagen, die Kriegsverantwortlichen drücken sich, schieben die Niederlage auf die mangelnde Unterstützung der „Heimatfront“. Die am 9. November 1918 ausgerufene Republik sollte dafür die Konsequenzen tragen: Sie wird zur Beute aller werden, die das Trauma und den Hass des Krieges zum Feuer für ihre radikalen Botschaften und ihren Terror machen. Und die mit dem nächsten Krieg und ihrem Hass - nur zwei Jahrzehnte später – Abermillionen morden werden und eine zerrissene Gesellschaft in den Untergang stürzen.
C. Beckmann
Ein Brief aus dem November 1914 an Pfr. Dr. Joseph Hammels: „... Fünfzehn Wochen haben wir mit Gottes Hülfe die Strapazen des Krieges und seine Entbehrungen gekostet. Manches blutige Treffen mit dem Feind war uns in dieser Zeit beschieden.“
Unten ein Brief aus dem Juni 1915: „... Schon viel Elend habe ich in diesem Kriege gesehen; aber nun solche Not wie gerade nach dieser Schlacht habe ich noch nie gesehen. Schildern kann man so etwas nicht, wie diese armen Kerls, die aus dem Schützengraben herauskommen, aussehen. Einem hängen die Beine wie Fetzen am Leibe, dort liegt einer ohne Kopf - es ist einfach schauerlich, dies alles zu beschreiben."
Abgebildet ist jeweils die Titelseite der Briefe. Fotos: Hans-Werner Kreul, Dionysius-Archiv, Katholische Pfarrgemeinde Borbeck
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