„150 Jahre starke Frauen in Borbeck“

Katholische Frauen blicken auf 150-jährige Geschichte zurück

0 16.08.2023

BORBECK. „150 Jahre starke Frauen in Borbeck“ – unter diesem Motto feiert die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) St. Dionysius am Sonntag, 3. September, eine 150-jährige Geschichte. Ein Dankgottesdienst wird um 10 Uhr in der Kirche St. Dionysius beginnen. „Zum anschließenden Empfang im Dionysiushaus sind alle herzlich eingeladen“, wie die Vorankündigung betont. Einige Tage zuvor bereits an dieser Stelle ein Blick in den ersten Teil dieser 15 Jahrzehnte, der nicht durch Erzählungen oder persönliches Erleben bekannt ist. In denen sich Frauen in der Pfarrei bereits tatkräftig und vielfältig engagierten - spätestens seit 1873 ...

1873 – ein Jahr in seiner Zeit

Ein seltsames Jahr war das – 1873: Das Deutsche Reich war zwei Jahre zuvor gegründet worden und die letzten deutschen Soldaten verließen gerade das überfallene Nachbarland. In Deutschland herrschte Siegerstimmung – aber nicht bei allen. Denn nach dem Hunger kam die durch den Deutsch-Französischen Krieg gebeutelte Wirtschaft erst langsam wieder Gang. Doch die Mächtigen störte das nicht. Sie machten längst weiter große Politik.

Kaiser Wilhelm zurrte gerade mit Kaiser Franz Joseph I. für Österreich-Ungarn und Zar Alexander II. für Russland einen eigenen Pakt, im Wiener Prater strömten über 7 Millionen Besucher zur 5. Weltausstellung. Von dort allerdings erreichte auch ein nächstes wirtschaftliches Drama den Rest der Welt: Es fegte der erste Bankencrash bis nach New York, auch in Berlin, wo man nun in eigener deutscher Währung handelte, brach die Börse zusammen. Heinrich Schliemann hatte schon genug verdient und grub als Hobby-Archäologe unbeirrt in Troja weiter. Jules Verne schrieb seine „Reise um die Welt in 80 Tagen“, in den USA wurden die Jeans patentiert, Jesse James überfiel seinen ersten Zug und ein japanischer Fürst stattete der im Krieg noch so gefragten Kanonenschmiede von Krupp einen Besuch ab. Der freute sich, dass im gleichen Jahr seine Villa Hügel bewohnbar wurde.

„Kulturkampf“ mit prägender Wirkung

Währenddessen prägte in Berlin der Abgeordnete Virchow den Begriff „Kulturkampf“. Denn mit der so sehr gefeierten Reichsgründung von 1871 war im neuen Deutschen Reich zugleich eine dramatische Phase im Verhältnis von Kirche und Staat angebrochen: Jetzt erklärte Bismarck der als „ultramontan“ und „reichsfeindlich“ bezeichneten katholischen Kirche mit dem „Brotkorbgesetz“ den Kampf. Rigoros griffen die Behörden gegen Bistümer und Pfarreien durch, beschlagnahmten Kirchengut, Orden wurden verboten und vertrieben, Schulen verstaatlicht, Geistliche vor Gericht gestellt und Gemeinden drangsaliert. Die Presse nahm den von altpreußischen, nationalen und liberalen Politikern gespielten Ball gerne auf – die Stimmung gegen die Kirche nahm an Heftigkeit zu und bald hatten zahlreiche Gemeinden keine Seelsorger mehr. Der Widerstand aber erreichte das Gegenteil von dem, was sich Bismarck ausgerechnet hatte: Das katholische Vereins- und Verbandswesen gewann wie die katholische Presse an ungeahnter Bedeutung. Und damit auch die Politik der mehrheitlich katholischen Zentrumspartei, die eine der stärksten Fraktionen im Parlament wurde. Doch erst 16 Jahre später, 1887, sollte diese für katholische Christen noch lange prägende Zeit offiziell diplomatisch beigelegt werden.

Blick auf die Bürgermeisterei Borbeck

In Borbeck selbst war 1873 zunächst ein gutes Jahr: Schacht „Emscher I“ wurde abgeteuft, eine neue Knaben-Mittelschule gebaut und sogar eine Straßenbeleuchtung stand in Planung. Zugleich aber verlor die Bürgermeisterei immer mehr an Fläche und Einwohnern – nun, 1873, auch Altendorf, das massiv an Bevölkerung gewonnen hatte. Die abgetrennten Zechen „Hagenbeck“ und „Helene & Amalie“ beschäftigten zusammen ein Drittel der Bergarbeiter Borbecks und förderten die Hälfte der dortigen Kohle, auf der Kruppschen Fabrik waren über 9.500 Arbeiter in Lohn und Brot. Für Borbeck war die Abtrennung ein herber Verlust.

Pfarrer in Borbeck war damals Joseph Legrand (1798-1877). Er war schon 1830 als Vikar in das noch bäuerlich geprägte Borbeck gekommen und sollte dort 47 Jahre wirken - bis zu seinem Tode 1877. Zehn Jahre waren seit der ersten Messe in der neuen Pfarrkirche 1863 vergangen – es war das gegen viele Widerstände von Seiten des Staates durchgekämpfte Dauerprojekt des energischen Geistlichen. Und die Pfarre expandierte: Gerade erst war das Grundstück für eine weitere Kirche in Frintrop gekauft worden und ein Düsseldorfer Franziskanerbruder setzte sich an die ersten Bauskizzen für St. Josef. Auch in Bergeborbeck ging es mit den Planungen für eine neue Gemeinde voran - Franz Erdweg übernahm die Vikarstelle an einem umgebauten Schafstall, aus dem später St. Maria Rosenkranz werden sollte.

In der Großpfarre selbst sorgten inzwischen zahlreiche Vereine für ein hochaktives Leben. Eine caritativ tätige Vinzenz-Konferenz wurde 1873 ins Leben gerufen, dazu neben dem großen St. Aloisius-Jünglingsverein, dem 1860 gegründeten Gesellenverein Adolph Kolpings und dem Katholischen St. Marien-Knappenverein von 1861 nun ganz neu auch ein Christlicher Arbeiterverein, der schnell einen großen Zulauf hatte. Während reichsweit Bischöfe in Haft gesetzt wurden und deutliche Auswirkungen der staatlichen Maßnahmen auch im örtlichen Gemeindeleben sichtbar wurden, mischten sich in Borbeck nun auch die katholischen Frauen ein. Welche breite Wirkung sie vor Ort entfalteten, lässt sich im Folgenden an Quellen aus dem Borbecker Kirchenblatt und dem Pfarrarchiv von St. Dionysius nachzeichnen.

1873: „Katholischer Mütter-Verein“

Danach stammt die erste eigene Frauenorganisation in der großen Pfarrei St. Dionysius aus dem Jahr 1873. Damals ist erstmals ein „Katholischer Mütter-Verein“ mit der immerhin bereits beachtlichen Mitgliederzahl von 1.700 erwähnt. Auf Gemeinschaften wie diese, die 1928 den Zentralverband der katholischen Müttervereine gründeten, führt sich bis heute die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) zurück. Zahlreiche weitere Vereinigungen für Frauen sollten in den nächsten Jahrzehnten aus der Borbecker Gemeinschaft hervorgehen oder standen mit ihm in enger Verbindung.

1876: Elisabethverein für die Caritas

Drei Jahre nach der Gründung der ersten katholischen Frauen-Initiative tritt zudem die caritativ tätige Elisabethkonferenz in der Pfarre auf: Am 26. November 1876 traten „mehrere Frauen und Jungfrauen Borbecks zusammen in der Absicht, einen sog. St. Elisabethverein, wie solcher bereits in vielen Gegenden besteht, zu gründen (...) Der jetzige Präses des St. Vinzenzvereines, Herr Kaplan Büttgen, leitete die Versammlung, und so kam die Konstituierung des Vereins in besagter Weise zustande“, hieß es im Geschäftsbericht 1877. Mit 19 aktiven Damen und 66 Ehrenmitgliedern richtete er unter dem Motto „caritative Konkurrenz belebt das Geschäft“ seine Arbeit „namentlich auf Unterstützung der sog. verschämten Haus-Armen, sowohl in materieller als auch geistiger Beziehung“ aus und legte seinen Schwerpunkt in den 1890er Jahren ausschließlich auf die Hilfe für Familien mit Witwen. Die caritative Arbeit des Elisabethvereins geschah dabei auf einer klaren religiösen Grundlage: Die Mitglieder trafen sich jährlich am Fest ihrer Namenspatronin und Caritas-Heiligen St. Elisabeth zur gemeinsamen Messe, deren Kollekte für ihre sozialen Zwecke des Vereins bestimmt war.

1886: Bruderschaft christlicher Mütter und Mädchenarbeit

Als während des Kulturkampfes die Pfarrstelle an St. Dionysius nicht neu besetzt wurde, verwaltete Vikar Schüller die Gemeinde. Unter seiner Ägide wurde am 22. Juli 1886 eine „Bruderschaft christlicher Mütter unter dem Titel der Schmerzhaften Mutter Gottes“ kanonisch errichtet – sie zählte zwei Jahre später schon 2.000 Mitglieder, die sicher weitgehend in Doppelmitgliedschaft beiden vorigen Vereinigungen angehörten.

Zudem ergriff er aber auch die Initiative zur Gründung einer Vereinigung für die Mädchen und jüngeren Frauen: So geht auf Schüller auch die Bildung der Borbecker „Jungfrauenkongregation“ zurück, die 1886 unter dem Titel der Himmelfahrt Mariens ins Leben gerufen wurde. Die Kongregation, die im Gründungsjahr bereits rund 1.000 Mädchen vereinigte, gehörte seit Beginn zu den größten Jugendvereinigungen und rekrutierte ihre Mitglieder vor allem aus der jeweils in großer Anzahl aufgenommen Schulabgängerinnen. Mit ihren Gruppenangeboten sollte die Kongregation bald nicht nur in der Organisation der weiblichen Pfarrangehörigen eine fast konkurrenzlose Rolle spielen.

Nach der undatierten, aber wohl aus der Zeit der Jahrhundertwende stammenden Satzung stellte sich die neue Vereinigung die Aufgabe, „die Jungfrauen der Pfarre Borbeck zur besondern Verehrung der allerseligsten und allzeit jungfräulichen Gottesmutter anzuleiten und ihren besonderen Schutz für die Mitglieder zu erflehen, damit dieselben ihre Standespflichten gut erfüllen und die standesgemäßen Tugenden allezeit bewahren und ausüben“. Präses der Kongregation war satzungsgemäß der Pfarrer von Borbeck, der einen Vikar zur Vertretung beauftragen konnte. Dieser wurde durch eine Präfektin unterstützt, der „Räthinnen“ mit besonderen Aufsichtsbezirken zur Seite standen. Die Mitglieder wählten je zwei weibliche Räte pro 100 Kongreganistinnen. Mitglied der Vereinigung konnte „jede katholische Jungfrau der Pfarre Borbeck werden, welche einen unbescholtenen Lebenswandel führt und entschlossen ist, nach dem Geiste und den Satzungen der Congregation zu leben“. Nach Zulassung zur Aufnahme nach dreimonatiger Probezeit legten sie nach Beichte und Kommunion durch ein eigenes Weihegebet feierlich das Versprechen ab. Sie wurden zur natürlichen Nachwuchsorganisation der Frauenvereinigungen.

1912: Katholischer Frauenbund auch in Borbeck

In allen Vereinigungen wurde dabei nicht nur gebetet: Neben Gottesdiensten, Wallfahrten und Andachten standen auch viele gesellige Termine und durchaus auch viele politische und gesellschaftliche Themen auf dem Programm. Ausdrücklich darum kümmerte sich ab 1912 ein neuer Ortsverein des „Katholischen Deutschen Frauenbunds“ (KFDB), der nach seiner Gründung 1903 in Köln auch 1906 mit einer Zweigstelle des Verbandes in Essen tätig geworden war. Eine Vortragsveranstaltung im Hotel Monopol-Metropol informierte in Borbeck über die rechtliche Lage von Lehrmädchen und die Anforderungen für die Meisterprüfung – offensichtlich die Initialzündung für eine neue lokale Initiative: Für den 15. September 1912, das „Fest der Sieben Schmerzen Mariä“ und Fest der „Bruderschaft Christlicher Mütter“, wurde auch in Borbeck zur Gründung eingeladen.

Wie es im Aufruf des Borbecker Kirchenblattes hieß, sei „in der Bürgermeisterei bereits seit langem das Fehlen einer solchen Organisation beklagt“ worden und in der Schulung der Frauen sei man im Vergleich zu anderen politischen Lagern auf katholischer Seite noch am weitesten zurück. Ein Appell, der sich nicht nur an die Frauen, sondern zweifellos auch an die Männer richtete: „Ach, nur ein wenig mehr Verständnis für unsere Arbeit bei unseren Frauen! hat schon mancher Seelsorger, Vereinsvorstand usw. hierorts geseufzt ... Welche ungeheure Macht würden die konservativen Kräfte der katholischen Frauen in der Öffentlichkeit darstellen, wenn sie jetzt kaum zur Geltung kommen!“ („Einführung des katholischen Frauenbundes in Borbeck und Umgebung“, in: KB 2(1912),37 vom 15.9.).

Der katholische Frauenbund in Borbeck wolle alle Frauen um sich sammeln, dabei aber allen Vereinen und Pfarrorganisationen wie Mütter-, Elisabeth-, und Fürsorgevereinen ihre Selbständigkeit belassen und „nach Art des Volksvereins“ einen „Arbeits- und Organisationsmittelpunkt abgeben“. Alle Frauen und Jungfrauen der Gemeinde waren aufgefordert, sich dem neuen Verein vollzählig anzuschließen, der bei einer großen Versammlung von Frauen aus der ganzen Zivilgemeinde im großen Saal des Vereinshauses Anfang Oktober 1912 in Borbeck eingeführt wurde. Sofort traten dem Verein über 300 Mitglieder bei. Durch eifrige Werbearbeit bei Rundgängen und durch Versammlungen in den Außenbezirken Dellwig, Frintrop, Bergeborbeck und Schönebeck stieg die Mitgliederzahl auf rund 2.000.

Auch auf die Marianische Jungfrauenkongregation der Pfarre, die gegen 700 Mitglieder zählte, schien sich die Initiative des Pfarrers und das Vorbild des Frauenbundes ausgewirkt zu haben: Die Kongregation beschloss, in Zukunft außer den kirchlichen Versammlungen auch alljährlich einige weltliche abzuhalten, „um die Mitglieder gegen die Gefahren unserer Zeit zu wappnen.“ (KB 2 (1912),46 vom 17.11.)

Verbunden war die durchaus politisch akzentuierte Arbeit des Katholischen Frauenbunds mit caritativem Einsatz: Bereits Anfang Juli 1912 war in der Kinderbewahranstalt an der Friedensstraße eine Säuglingsfürsorgestelle eingerichtet worden, „um der großen Kindersterblichkeit zu steuern“. Ärztliche Sprechstunden gaben dort unentgeltlichen Rat über Pflege und Ernährung von Kindern bis zum 2.Lebensjahr. Hier setzte sich der Frauenbund nun ein, stellte die Wöchnerinnenfürsorge in den Mittelpunkt, organisierte zur Beschaffung finanzieller Mittel Verkaufsveranstaltungen mit umgearbeiteten Kleidungsstücken und organisierte „Brockensammlungen“. Sie bekamen mit einen eigenen Nähverein und eigener Kommission seitdem einen festen Platz in der Vereinsarbeit. Parallel liefen zahlreiche kulturelle Veranstaltungen, Festversammlungen mit Theater, prominenten Rednern und Rednerinnen aus Politik und Kirche. Kreuz und quer luden sich nun die Frauenvereine ein, besuchten Theateraufführungen, organisierten Liederabende, gingen auf Exkursionen und brachten viele Besucherinnen für politische Veranstaltungen, etwa zur Schulpolitik oder zu Erziehungsfragen.

1913: Katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder

Sehr rasch stand der inzwischen über sechs Pfarreien verbreitete Borbecker Frauenbund auch bei der Gründung weiterer Organisationen Pate: Eine im Frauenbund am 25. November 1912 eingerichtete Kommission für caritatives Arbeiten führte am 29. April 1913 zur Gründungsversammlung des „Katholischen Fürsorgevereins für Mädchen, Frauen und Kinder, Ortsgruppe Essen-Borbeck“ – dem heutigen „Sozialdienst katholischer Frauen – SkF“ in Borbeck. Die konstituierende Versammlung fand in persönlicher Anwesenheit von Agnes Neuhaus statt, die seit 1899 zunächst in Dortmund mit 25 Frauen ein ehrenamtlich arbeitendes Hilfswerk für junge Mädchen aufgebaut hatte. Dass für den Borbecker Fürsorgeverein nun die Pfarrer an St. Dionysius seit Pfarrer Hammels das Amt des Geistlichen Beirats übernahmen zeigt, wie wichtig diese Arbeit des Vereins auf Seiten der Kirchengemeinde gesehen wurde - auch neben den Vinzenz- und Elisabethkonferenzen.

Dabei blieb der Frauenbund - wie durch die im Vorstand vertretenen Namen deutlich - mit dem Fürsorgeverein eng verbunden, der sich in erster Linie der Wöchnerinnenfürsorge widmete. Die Vorsitzende des Frauenbundes, Direktorin Antonie van Loosen, wurde 1914 zur 1. Vorsitzenden des Zusammenschlusses sämtlicher caritativer Frauenvereine der Bürgermeisterei Borbeck gewählt. In seinem Zentralkomitee waren allein 14 Mitglieder des Frauenbundes vertreten. Denn nun war Krieg: Das Rote Kreuz wurde unterstützt, Wäsche mit dem Auto zur Front geschickt, Vereinsmitglieder sorgten schon in den ersten Mobilmachungstagen für Versorgung von Soldaten am Osterfelder Bahnhof und für ausgebildete Helfer, als sich die Lazarette auch in der Heimat mit Verwundeten füllten.

Zwei Jahre nach der Gründung sind die Bemühungen des inzwischen 124 Mitglieder zählenden Fürsorge-Vereins auf eine feste Grundlage gestellt. Wie die BORBECKER ZEITUNG im Kriegsjahr 1915 berichtete, weiteten sich seine Aktivitäten mit der Einrichtung eines „Heimes für gefallene Mädchen“ aus, für das die Kirchengemeinde das Gebäude stellte. Das erst „Katholisches Fürsorgehaus“, später „Marienheim“ genannte Haus war ab Ende 1915 in der dritten Vikarie untergebracht, die dafür an den Kirchplatz zog. Am 1. Januar 1916 - die Bürgermeisterei Borbeck war gerade in die Stadt Essen eingemeindet worden - wurde das Marienheim seiner Bestimmung übergeben.

Der erfolgreich an die Öffentlichkeit getretene Verein arbeitete professionell, übernahm in den Kriegsjahren eine zunehmende Zahl von Aufgaben und organisierte die vom erzbischöflichen Generalvikariat angeregte Unterbringung von Stadtkindern bei katholischen Familien auf dem Land. Viele Wohltätigkeitsveranstaltungen und Vorträge sorgten für finanzielle Mittel und Werbung. Auch die Mitglieder des Frauenbunds selbst konnten die Vorteile der Wöchnerinnenfürsorge in Anspruch nehmen: Erstlingswäsche wurde nur abgegeben, wenn die Mitgliedskarte vorgezeigt wurde.

1914: Katholische kaufmännische Gehilfinnen und Beamtinnen

Ab 1914 etablierte sich der nächste Frauenverein in der Pfarre, an dem der Frauenbund wiederum einen entscheidenden Anteil hatte: „Da sich „die Zahl der kaufmännischen Gehilfinnen in dem aufblühenden Borbeck von Jahr zu Jahr ... mehrt, sah sich unser Zweigverein veranlaßt, sie in einem besonderen Verein zusammenzuschließen“, hielt der Jahresbericht fest. Bei der Gründungsversammmlung am 22. März 1914 machte Generalsekretärin Wiegand aus Köln die zahlreichen Gäste mit den Aufgaben des Vereins bekannt. Der neue „Verein katholischer kaufmännischer Gehilfinnen und Beamtinnen“ rief zu „Mütterversammlungen“ auf, versprach den ihnen kurzweilige Unterhaltung und eine Tasse Kaffee, zu der sie ihre Töchter mitbringen sollten.

Inzwischen umfasste der Bezirksverband der katholischen weiblichen Standesvereine Groß-Essens bereits 28 Pfarrkongregationen mit rund 13.000 Mitgliedern, die zu Trägern der gesamten weiblichen Jugendpflege Essens werden sollten. Der Borbecker Zweigverein des Katholischen Frauenbund reagierte umgehend im Dezember 1916 mit der Gründung einer eigenen Jugendabteilung des Frauenbundes.

1917: Verein erwerbstätiger katholischer Mädchen und Frauen

Und die örtliche katholischer Frauenarbeit expandierte erneut: 1917 wurde bei einer großen Versammlung aller im Kriegshilfsdienst beschäftigten Frauen der „Verein erwerbstätiger katholischer Mädchen und Frauen“ als jüngster Verein der Pfarre aus der Taufe gehoben. Innerhalb von nur vier Monaten vereinigte er bereits 180 Mitglieder und gab im Winter 1917/18 ein erstes Programm heraus. Die Borbecker Aktivitäten sprachen sich herum: Aus der Kölner Zentrale reiste sogar die Bundesvorsitzende Hedwig Dransfeld an - die katholische Frauen- und Friedensaktivistin aus dem Katholischen Frauenbund, selbst vom sozialdemokratischen „Vorwärts“ als „die bedeutendste Frau der Gegenwart“ bezeichnet, berief man nach dem Krieg als Mitglied in die Weimarer Nationalversammlung. Und die Borbecker Vorsitzende, Direktorin Antonie van Loosen, gerade mit einem päpstlichen Orden für ihre caritative Arbeit ausgezeichnet, wurde im Oktober 1918 im großen Saal des katholischen Vereinshauses gefeiert.

Soziales Engagement wird weiter großgeschrieben

Auch auf den in der Pfarrei seit 1876 tätigen Elisabethverein waren in den Kriegsjahren besondere Anforderungen zugekommen. Der Ertrag seiner eingerichteten Nähstube diente der Anfertigung von Kleidungsstücken für die Armen, auf Rundgängen nahmen die Mitglieder alte Kleidung zur Verwertung oder Umarbeitung für arme Familien entgegen. Kollekten in allen Gottesdiensten galten 1916 den Zwecken des Vereins, der „durch die Kriegsnot und des vor der Tür stehenden Winters“ großen Bedarf hatte, und die Konferenz beteiligte sich 1920 an der Verteilung von Mittagessen, die eine amerikanische Hilfsorganisation bereitstellte.

Die leeren Kassen des Vereins führten dazu, dass alle Kirchenkollekten eines Maisonntags, später sogar vierteljährlich, für seine Zwecke eingesetzt werden mussten. Die allgemeine krisenhafte Entwicklung ließ die Aufgaben der Konferenz Anfang der 1920er Jahre weiter wachsen. Sie unterstützte 1923 mit 23 bzw. zuletzt 18 Mitgliedern wöchentlich durchschnittlich 50 Witwen, sorgten für Bergmannskohlen aus einer Spende der Zeche „König Wilhelm“ und die Zahl der Dauerunterstützten blieb auch in den kommenden Jahren stabil. Die Konferenz half mit Lebensmitteln, Wäsche, Schuhen, Kleidungsstücken und Hilfen zur Ausstattung armer Kommunionkinder. Die kleine Gemeinschaft, die stets rund 20 Mitglieder zählte, sollte auch mit Beginn der 1930er Jahre selbstständig bleiben.

In der unmittelbaren Nachkriegszeit entfaltete sich langsam wieder das aktive Gemeinschaftsleben der Frauenvereinigungen: Die älteste, der rund 1.200 Mitglieder „Katholischer Mütter-Verein“, beschloss bei seiner Generalversammlung im Januar 1920 die Erhöhung des Mitgliedsbeitrages auf 50 Pfg., worin der Preis von 25 Pfg. für die Mitgliederzeitschrift „Monika“ enthalten war. Und eine eigene Versicherung hatte man auch: Das Sterbegeld der eigenen Sterbeversicherung wurde auf 100 Mark festgesetzt. Die Preise ließen sich mit der beginnenden Inflation zwar kaum noch halten, aber die Frauen ließen sich vor allem ihre geselligen Unternehmungen nicht nehmen. Ausflüge zum Gartenlokal Hesse in Dellwig zum gemeinschaftlichen Kaffeetrinken waren offensichtlich sehr beliebt, auch Lichtbildervorträge über die „Notwendigkeit des Haushaltungsunterrichtes“ oder Theaterstücke standen auf dem Programm.

Während sich von der eigenen Jugendabteilung des Katholische Frauenbund inzwischen keine Nachrichten mehr finden, trat der dagegen gut eingeführte „Katholische Fürsorgeverein für Frauen, Mädchen und Kinder“ für seine von allen Frauen- und Mädchenvereinen unterstützt Arbeit im Marienheim wieder regelmäßig mit Werbung bei den Pfarrangehörigen hervor. Obwohl Kaplan Bers in einem Kirchenblattartikel 1923 das Wirken des Frauenbundes besonders würdigte, der unter den kirchlichen Vereinen nach seiner Meinung eine herausragende Stellung einnahm, finden sich keine Veranstaltungen mehr in den Mitteilungen des Kirchenblattes.

Vor 100 Jahren: Das Krisenjahr 1923

1923 genehmigte der Kölner Erzbischof nach mehrfachen Anträgen die offizielle Angliederung des aus der Jungfrauenkongregation hervorgegangenen Frauenchors an den Kirchenchor. Keinen Anlass zur Sorge meldete derweil der allererste Frauen-Verein, der nun sein inzwischen 50-jähriges Bestehen feiern konnte: 1923 gab der „Christliche Mütterverein“, wie er nun hieß, das Durchschnittsalter der Mitglieder mit 43 Jahren an. Offensichtlich war dort die Nachwuchsarbeit so intensiv, dass sich auch junge Mütter dem Verein gerne anschlossen. Anteil hatte sicher unter anderem die ausgebaute Möglichkeit einer preiswerten Sterbegeldversicherung, in die sich Neumitglieder auch nachträglich einkaufen konnten.

Daneben verstärkte sich der Zug zur politischen Arbeit: In einem Kirchenblattartikel hieß es Ende April 1923, die katholische Frau habe es „nie sonderlich geliebt, sich im öffentlichen Leben vorzudrängen“, denn „sie wisse, daß die Schwerkraft ihres Wirkens in der Familie liege“ („Die katholischen Müttervereine Essens“ in: KB 13(1923),17 vom 29.4.,70.). Zum „Kampf gegen den Zerfall der Familie und der menschlichen Gesellschaft“ sei aber nun ein Zusammenschluss notwendig, dem mit der Gründung des Verbands der katholischen Frauen- und Müttervereine der Erzdiözese Rechnung getragen worden sei. Eine gemeinsame Tagung aller Essener Vereinsvorstände am 12.3.1923 verabschiedete eine Satzung für einen Bezirksverband der katholischen Müttervereine und Frauenkongregationen - heute würde er damit sein 100-Jähriges feiern. Zu einer weiteren Versammlung trafen sich die Müttervereine Essens am Fest ihrer zweiten Patronin, der hl. Monika, im Vereinshaus an St. Gertrudis.

Das eigentliche Aufgabenfeld der Vereine lag aber in den Pfarrgemeinden, wo die Vereinsaktivitäten während Ruhrbesetzung und Inflation von der wirtschaftlichen Lage weiter überschattet waren. Der Borbecker „Mütter-Verein“ beschloss, die Sterbekasse vorläufig ruhen und kein Sterbegeld auszahlen zu lassen, da mit dem Geld doch nichts anzufangen sei. Der Vereinsbeitrag wurde auf eine freiwillige Gabe beschränkt, von der die laufenden Vereinskosten, einschließlich der Teilnahme der Fahne an der Beerdigung verstorbener Vereinsmitglieder und auch das Seelenamt bestritten werden konnten. Das ganze Beitragswesen durch das viele, fast wertlose Kleingeld und die verspätete Ablieferung „über den Haufen geworfen“. Denn die abnehmenden Leistungen des Vereins machten scheinbar auch in der Wahrnehmung der Pflichten nachlässig: Zu Ende des Jahres beklagten die Vereinsmitteilungen die „armselige“ Teilnahme an der Beerdigung einer verstorbenen Mitschwester: „Das muß wirklich im neuen Jahre besser werden, sonst müßte man sich bei einer Mitgliederzahl von anderthalb Tausend des Vereins fast schämen!“ (KB 13(1923),50 vom 30.12.)

Erst nach Abklingen der Krisenjahre fasste der Verein, der 1924 seine Mitgliederzahl mit 1.700 angab, wieder Tritt. Im März 1926 führte der Mütterverein wieder das Sterbegeld ein, obwohl dies - nach der entsprechenden Notiz in den Vereinsnachrichten - mit den Aufgaben einer kirchlichen Bruderschaft nichts zu tun habe und von der erzbischöflichen Behörde in den kirchlichen Vereinen verboten worden sei, da „das Umlageverfahren als ungerecht und unsicher angesehen“ werde.

Im Juli 1926 bot der Verein seinen Mitgliedern über die Bezirksvorsteherinnen Karten für die damals mit großem Aufwand gefeierten Passionsspiele im Borbecker Schlosspark an und unterstützte auch die konkrete religiöse Bildung: Gesponserte Exerzitienkurse im neuen Borbecker Exerzitienhaus „St. Augustinus“, regelmäßige Vorstands- und Bezirksvorsteherinnen-Sitzungen, Kommunionen und Betstunden, das Titularfest Ende März zum Fest der Schmerzhaften Mutter, aber auch Theateraufführungen und Wallfahrten zeugen von einem intensiven Vereinsleben – besonders nach 1930, als eine massive Arbeitslosigkeit um sich griff.

1931 berichtete das Borbecker Kirchenblatt: „Wie im Vorjahre, veranstalten die Müttervereine des Dekanates Borbeck auch dieses Jahr wieder eine gemeinsame Wallfahrt zur Gottesmutter nach Neviges. (...) Im Vorjahre war die Teilnahme so groß, daß wir wegen Ueberfüllung des Zuges teilweise mit Autobus haben fahren müssen. Es ist darum für dieses Jahr vorgesehen, daß zwei Züge verkehren, einer von Dellwig-Ost für die Pfarreien Ober- und Unterfrintrop und Dellwig, der andere für Borbeck, Bergeborbeck, Bochold und Schönebeck. (...) Daß wohl viele Mütter an der Wallfahrt teilnehmen, ist wohl außer Frage (...) Von der Mütter Gebet erhoffen wir so vieles in der Not unserer Tage. (...) Unsere Mütter wissen es, welche große Verantwortung in unseren schweren Tagen auf ihren Schultern lastet (...) Vor dem Bilde der Schmerzensmutter wollen unsere Frauen ihr Herz ausschütten, wollen Kraft und Trost holen, um in unseren schweren Tagen dem Gatten und den Kindern zu helfen...“.

Der Mütterverein - obwohl er nie selbst offensiv an die Öffentlichkeit trat -, sollte seine hohen Mitgliederzahlen über das Jahr 1933 hinaus halten und konnte sie sogar noch bedeutend steigern. Vereinigte er 1933 noch 1.900 Frauen, zählte er 1936 und 1938 in der St. Dionysius-Pfarre 2.100 weibliche Mitglieder.

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Soweit ein Überblick über gut sieben Jahrzehnte - zumindest aus der „ersten Halbzeit“ einer 150-jährigen Geschichte, auf die man bei den organisierten katholischen Frauen in Borbeck nun bald zurückschauen wird. Dass damals und bis heute viele Aspekte mehr eine Rolle spielen, ist sicher: Dass sich Frauen etwa in den verschiedenen Einrichtungen - von der Bücherei bis zum Philippus-Krankenhaus - aktiv beteiligten, in der sozialen Arbeit, in der Liturgie und im Einsatz für die Dionysius-Kirche, in der religiösen und kulturellen Bildung, in der Jugendarbeit, dazu in den Gremien des Pfarrgemeinderats und des Kirchenvorstands der Pfarrei. Und dass sie auch in der Pfarrseelsorge eine immer größer gewordene Rolle spielen – dies alles wird am Sonntag, 3. September 2023, sicher gewürdigt werden.

C. Beckmann

Quellen: Christof Beckmann, „Katholisches Vereinswesen im Ruhrgebiet. Das Beispiel Essen-Borbeck 1900-1933“, Diss., Westfälische Wilhelms-Universität Münster

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