125 Jahre: Jubiläumsjahr beim Caritasverband für die Stadt Essen

Laarmann-Straße erinnert an den Gründer – Spuren der Caritas in Borbeck

0 01.02.2022

BORBECK. Im vergangenen Jahr jährte sich ein runder Jahrestag in Bedingrade: Vor 90 Jahren erhielt dort eine Straße zwischen Bergheimer Straße und Rabenhorst einen neuen Namen. Bis 1915 hieß sie Bachstraße, dann „In der Düsterbecke“ und 1931 wurde sie in Laarmannstraße umbenannt. Nicht jedem wird jedoch bekannt sein, wer sich dahinter verbirgt. Es ist Franz Heinrich Laarmann, der am 24. Mai 1897 die „katholische charitative Vereinigung für die Stadt Essen“ ins Leben rief, den ältesten örtlichen Caritasverband in Deutschland.

Caritas-Pioniere in Essen

Wie in vielen anderen Fragen wurde damit in Essen auch in dieser Hinsicht Pionierarbeit geleistet, um „gegen Noth und Elend (zu) kämpfen zum Wohle des Nächsten“ – so der damalige Gründungsaufruf. Der konstituierenden Versammlung der ersten 36 Mitglieder gehörten alle Pfarrer und Pfarr-Rektoren der damals sieben Essener Stadtkirchen an. Sie beschlossen die Herausgabe eines „Charitasführers“, der über alle caritativen Anstalten und Vereine der Stadt Auskunft geben sollte. Dazu war die Einrichtung einer „charitativen Auskunftsstelle“ geplant, die in „schwierigen Fällen namentlich auch bei Inanspruchnahme auswärtiger Anstalten Rath erteilen und hilfreiche Hand bieten“ sollte.

Während des Ersten Weltkriegs und 20 Jahre nach ihrer Gründung wurde die Vereinigung am 7. März 1917 in „Caritasverband für die Großstadt Essen e.V.“ umbenannt, der am 11. Oktober 1918 ins Vereinsregister eingetragen wurde. Zum 1.7.2018, 100 Jahre später, wurden über 50 Einrichtungen an verschiedenen Standorten im gesamten Stadtgebiet in der cse gGmbH zusammengeführt, einer gemeinsamen Tochtergesellschaft von SkF Essen-Mitte (Sozialdienst katholischer Frauen) und dem Caritasverband für die Stadt Essen e.V..

Caritas-Netzwerk feiert Jubiläum

Aus kleinen Anfängen entstand so bis heute ein vielfältiges Netzwerk „Caritas für Essen": In den Diensten und Einrichtungen des Caritasverbands für die Stadt Essen und seiner korporativen Mitglieder sind derzeit rund 15.000 Mitarbeiter in Einrichtungen der Altenpflege, Behindertenhilfe, Flüchtlingshilfe, Kindertageseinrichtungen und Krankenhäusern beschäftigt. Und so soll das runde Jubiläum in diesem Jahr nun auch gefeiert werden: „125 Jahre Caritas. Mit Menschen. In Essen“ lautet das Motto, unter dem überall in Essen das ganze Jahr über verschiedene unterschiedliche kleine und große Veranstaltungen und Aktionen stattfinden.

Auftakt der Veranstaltungen im Jubiläumsjahr ist „One Billion Rising“ am 14. Februar 2022. Caritas-Skf-Essen gGmbH (cse) und „Caritas macht Schule/youngcaritas“ laden zu Online-Mitmachaktionen ein. Auf dem Programm stehen weiter ein „Zirkusfest für Jung und Alt", ein „Kneipp-Vormittag für Jung und Alt", eine große Sozialaktion von allen für alle, ein „Gesundheitsfest” und ein „Inklusiv Aktiv“-Sportfest. Geplant sind ebenfalls eine Radpilgertour zum Caritas-Jubiläum, ein Fußballturnier, ein Poetry-Slam-Workshop für Jugendliche und junge Erwachsene sowie ein Fachtag am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen”. Beim Caritas-Geocaching gibt es mit Hilfe von QR Codes und kleinen versteckten Dosen Informationen und kleine Rätsel an verschiedenen Gebäuden. Auch eine Podiumsdiskussion und Türöffner-Tage mit dem Besuch von sonst nicht zugänglichen Einrichtungen sollen in diesem Jahr stattfinden. Nicht zuletzt: Symbolisch für die Verwurzelung mit der Stadt werden im Jubiläumsjahr 125 Bäume in Essen gepflanzt.

Spuren der Caritas in Borbeck

Mit dem großen Jubiläum werden alle caritativen Initiativen sicher mitfeiern – auch in Borbeck. Und auch hier lohnt ein Blick auf die Ursprünge. Jahrhundertelang war man den Nöten der Zeit mit der Armenstiftung in der Pfarrei St. Dionysius begegnet, die vom jeweiligen Pfarrer verwaltet wurde. Doch die Anfänge einer organisierten modernen Caritas gehen im 19. Jahrhundert auf die heute weitgehend kaum noch bekannte Vinzenzkonferenz zurück. Sie entstand nach dem Vorbild des Hl. Vinzenz von Paul in Frankreich, hatte 1848 in Werden und 1861 die Stadt Essen erreicht und kam 1873 auch in die damalige Bürgermeisterei Borbeck. Der „St. Vinzenzverein Borbeck zur Unterstützung bedürftiger Familien“ entwickelte soziales Engagement mit praktischen Hilfeleistungen für Arme, Kranke und Bedürftige, kümmerte sich um Jugendliche und sorgte für Arbeitsplätze.

Vier Jahre später, am 26. November 1876, gründete sich mit dem nach der Hl. Elisabeth von Thüringen benannten St. Elisabethverein eine Gruppe von Frauen, die sich vor allem der Unterstützung von Familien und Witwen verschrieb. Stark unterstützt wurde die Initiative von Karl Sonnenschein, von 1887-1895 Pfarrer an St. Dionysius. Er baute zudem in dieser Zeit in unmittelbarer Nähe zur Dionysiuskirche auch das katholische Krankenhaus „Philippusstift“. Die Statuten des zur Beschaffung der finanziellen Mittel gegründeten „Katholischen Krankenhaus-Bauverein“ wurden am 11. 4. 1893 von Bürgermeister Heinrich genehmigt – auch wenn dieser den Bau eines Gemeindekrankenhauses bevorzugte. Das nach Philippus Kardinal Krementz, dem von 1885-1899 amtierenden Kölner Erzbischof benannte Haus wurde von den Missionsschwestern vom hl. Herzen Jesu betreut. Pfarrer Sonnenschein vermachte dem Krankenhaus seinen gesamten Nachlass und auch unter Pfarrer Wilhelm Tönnissen, 1895-1911 an St. Dionysius, wurde es weiter ausgebaut.

Caritas im 20. Jahrhundert

Eine noch stärkere Professionalisierung der Arbeit brachte die Vorkriegszeit: Am 29. April 1913 nahm in Borbeck ein „Katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder“ seine Arbeit auf, der als „Sozialdienst katholischer Frauen“ (SkF) bis heute am Dionysiuskirchplatz tätig ist. Er ging aus dem ein Jahr zuvor gegründeten „Katholischen Frauenbund, Zweigverein Borbeck“ hervor. Die konstituierende Versammlung fand in Anwesenheit von Agnes Neuhaus statt, die seit 1899 in Dortmund ein ehrenamtlich arbeitendes Hilfswerk für junge Mädchen aufgebaut hatte. „Brockensammlungen“ und ein eigener Nähverein brachten die ersten Finanzmittel zusammen. Bereits 1915 ermöglichten sogar zahlreiche Spender und Zuwendungen aus der örtlichen Industrie die Einrichtung eines „Katholischen Fürsorgehauses“ im alten Vikariatsgebäude am Germaniaplatz 2. In dem später „Marienheim“ genannten Gebäude arbeitete eine fest angestellte Fürsorgerin, zudem wurden die Räume als vorübergehendes Obdach für gefährdete Frauen und Mädchen genutzt. Nach dem Ersten Weltkrieg beschloss der Pfarrcaritas-Ausschuss, in einer freigewordenen Vikarie 1919 ein weiteres Haus unter Leitung der Hiltruper Missionsschwestern in Betrieb zu nehmen. Allein 1924 nahmen die Einrichtungen über 500 Mädchen auf, ein Jahr später nahmen fast 7.300 Hilfesuchende den Verein in Anspruch.

Auch der ohne große Öffentlichkeit arbeitende Vinzenzverein hatte inzwischen bereits neue Initativen entwickelt. Für die „verschämten Armen" schleppte man nicht nur gespendete Kohle die Treppen hoch, sondern sorgte gerade in der Kriegszeit mit einem neuen Gutscheinsystem für die Klienten. Für die von ihm geleistete Unterstützung für straffällig gewordene männliche Jugendliche – und offensichtliche gab es viele - trat unterdessen ein weiterer Verein auf: 1913 entstand eine Borbecker Ortgruppe des Katholischen Fürsorgevereins für Männer, der vor allem in der Bewährungshilfe tätig war. Im Bereich der Pfarren Ober- und Unterfrintrop, Dellwig, Bergeborbeck, Schönebeck, Bochold und Borbeck bearbeitete der Verein allein 1930 fast 600 neue Fälle, in seiner Geschäftsstelle an der Stolbergstraße gab es über 1400 Sprechstundenbesucher und noch einmal so viele Hausbesuche durch die Mitglieder des Männerfürsorgevereins.

Dass auch die Kleinsten in besonderer Weise unterstützt wurden, zeigt neben den eingerichteten Kindergärten auch der „Verein für Ferienkolonien“. Er wurde im Sommer 1911 in der Bürgermeisterei auf Anregung des katholischen Lehrervereins ins Leben gerufen. Sämtliche Vereine in der Pfarre traten ihm bei, um Erholungsurlaube für Kinder zu finanzieren. „Es ist besonders Blutarmut, Tuberkulose und Skrofulose, die früh bekämpft, von den Kindern weggenommen werden kann, während sie später für ganze Generationen sehr verhängnisvoll wird: Deshalb sollen solchen armen Kindern in den Ferien durch Milchkuren und Aufenthalt in waldreichen Gegenden recht geeignete Erholung und Kräftigung zuteil werden ... Möge Gottes Segen die gute Sache in reichem Maße begleiten“, hieß es in den Werbeaufrufen. Treibende Kraft war vor allem die Lehrerschaft in den Pfarreien und die Geistlichkeit, von denen die Ferienaufenthalte koordiniert wurden. Rund 300 Kinder nahmen 1930 etwa an den Ferienfreizeiten der Kinderwohlgruppe teil. Auch für die Kinder, die in den Ferien in Borbeck blieben, stellte die Kinderwohlgruppen ein Programm zusammen – eine Art früher „Ferienspatz“.

In vielen Pfarreien schlossen sich die Aktivitäten nach dem II. Weltkrieg längst in den örtlichen Caritaskonferenzen zusammen, die auf Stadtebene miteinander kooperieren. Lediglich in der damaligen Pfarrei St. Dionysius blieben die Vinzenz- und die Elisabethkonferenz als Wurzeln der örtlichen Caritasarbeit bis Mitte der 1990er Jahre getrennt. Erst dann bildeten auch sie eine Caritaskonferenz. Wenn sie das Gründungsjahr der Vinzenzkonferenz in den Blick nähmen, könnte die organisierte Caritas im Stadtteil IV im kommenden Jahr ein rundes 150. Jubiläum begehen. Immerhin erinnert die Laarmannstraße in Bedingrade ja hier auch an den Gründer der Essener Caritas ...

CB

Quellen:
Christof Beckmann: Katholisches Vereinswesen im Ruhrgebiet. Das Beispiel Essen-Borbeck 1900-1933. Diss. Münster 1990
„Verein für Ferienkolonien“, in: Borbecker Kirchenblatt 1(1911), 34 vom 16.7.
FESTSCHRIFT 75 Jahre Sozialdienst katholischer Frauen Essen-Borbeck 1913-1988, Essen-Borbeck 1988.

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