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Bei Wanderungen durch Borbeck streift man zuweilen architektonisch auffällige Gebäude mit einer ungewöhnlichen baugeschichtlichen Vergangenheit. Dazu zählt ein Wohnhaus, das bis heute so gar nicht zu seiner Umgebung passen will. Es ist das Haus Wolfsbankstraße 9.
Zur Zeit der Entstehung lag das Haus in der Viktoriastraße 9, die 1907 in Carl-Funke-Straße und 1915 in Wolfsbankstraße umbenannt wurde. Sie war recht kurz und verband Kaiserstraße (ab 1915 Fürstenstraße, ab 1934 Legrandallee) und Kirchstraße (ab 1915 Germaniastraße) miteinander. Parallel dazu verlief die Reichsstraße (ab 1938 Termiedenhof). Nach der Karte der Gemeinde Borbeck von 1904 war die Viktoriastraße zu dieser Zeit weitgehend unbebaut. Lediglich drei Grundstücke waren bebaut, zwei auf der linken und ein Grundstück auf der rechten Straßenseite. Bei letzterem handelt es sich wohl um das Grundstück Viktoriastraße 9. Es lag mitten in einem Industrie- und Zechengebiet, unweit der der Zeche Wolfsbank, der Gasanstalt und der Zinkhütte.
Warum ausgerechnet in diesem Umfeld ein Gebäude mit einer ungewöhnlich prächtigen Fassade errichtet worden ist, lässt sich heute nicht mehr ergründen. Vielleicht spielt das Repräsentationsbedürfnis eines Stuckateurs eine Rolle. Die Gestaltung der Fassade an dem vergleichsweise unscheinbaren Gebäude war jedenfalls so auffällig, dass die Architekturkritiker Cürlis und Stephany sie als übertrieben, unpassend und „lächerlich“ empfanden. Vielleicht ist ein kurzer Seitenblick „über den Zaun“ in die nahe gelegene Kaiserstraße lohnenswert. Dort hatte sich der Borbecker Kommunalbaumeister Heinrich Voßkühler im Jahre 1894 ein prachtvolles Baudenkmal in Form einer italienischen Villa hingestellt. Man kann sie in der Legrandstraße noch heute besichtigen. Mit seiner Idee, die Kaiserstraße von Borbeck-Mitte bis zur Rosenkranzkirche in Bergeborbeck als Prachtallee auszubauen, scheiterte Voßkühler am Widerstand des damaligen Bürgermeisters Heinrich. Der sorgte (auch aus persönlichen Gründen) dafür, dass die „Prachtallee“ schon nach wenigen Metern als Sackgasse endete.
Die schlechten Erfahrungen, die der Baumeister mit seinem Straßenprojekt gemacht hatte, hielten gegen Ende des 19. Jahrhunderts den Borbecker Stuckateur Gottfried Schäfer, der in einem Hinterhof der damaligen Viktoriastraße eine Werkstatt betrieb, nicht davon ab, auf seinem Grundstück in der Viktoriastraße einen Neubau zu errichten. Mit der Planung und Durchführung des Projekts beauftragte Schäfer 1898 die Dortmunder Baufirma Maiweg & Companie in der Person des Architekten, Baumeisters und Ziegeleibesitzers Gustav Maiweg, der das gesamte Anwesen nach Fertigstellung von Schäfer erwarb. Bei dem Haus Viktoriastraße 9 handelte es sich um ein Mehrfamilienhaus, in dem den Adressbüchern zufolge vor allem Familien aus dem Mittelstand bzw. Beamtenstand wohnten. Namentlich zu erwähnen ist der Gemeindesekretär Tripschu. Er war 1902 Vorsteher des Meldebüros im Bürgermeisteramt Borbeck. Später leitete er das Borbecker Gemeindesteueramt.
Bezüglich seiner architektonischen Gestaltung gehört das Gebäude mit seiner im neubarocken Stil aufwendig dekorierten Stuckfassade zum repräsentativen Villenbau der Jahrhundertwende. Ein Blickfang ist die doppelflügelige Haustür mit neubarockem Türblatt und Säulenportikus. Es gab insgesamt vier Wohnungen. Zu den beiden Wohnungen im Erdgeschoss und Obergeschoss gehörten Badezimmer, die zusammen in einem rückwärtigen Anbau nebst zwei Ställen untergebracht waren. Die Wohnung im Obergeschoss, die sogenannte Beletage, verfügte über sechs Räume. Die kleinen Mansardenwohnungen hatten kein Badezimmer. Die Toiletten befanden sich für alle Wohnungen auf dem Treppenabsatz im Flur.
Abschließend noch ein Wort zum Architekten. Gustav Maiweg (geboren am 04.12.1869 in Werne, gestorben am 08.04.1930 in Dortmund) war von 1906 bis 1910 unbesoldeter Stadtverordneter in Dortmund. Zugleich gehörte er Anfang des 20. Jahrhunderts als Meistbegüterter dem Borbecker Gemeinderat an. Er war insofern nicht ohne Einfluss auf einzelne infrastrukturelle Maßnahmen in der Bürgermeisterei Borbeck. Gustav Maiweg kaufte im Umkreis der Viktoriastraße weitere Grundstücke auf, die er nach und nach bebaute. 1928 nahm er an einem Architekturwettbewerb der Industrie- und Handelskammer Dortmund teil. Sein Vater Friedrich Wilhelm Maiweg, ein Maurermeister, hatte 1859 ein Bauunternehmen in Langendreer gegründet. Später kam eine Ringofen-Ziegelei dazu. 1888 gehörte Friedrich Wilhelm Maiweg dem Ausschuss des Komitees für die Errichtung des Kaiser Wilhelm-Denkmals auf der Hohensyburg an. Die Grabstätte der Familie Maiweg befindet sich auf dem Dortmunder Ostfriedhof. Von dem Haus in der Wolfsbankstraße 7 abgesehen hat Gustav Maiweg in Borbeck keine weiteren Spuren hinterlassen.
(FJG)
Quellen:
Essener Streifzüge – Von Haus zu Haus durch neun Jahrhunderte, Folge 2 der Essener Streifzüge, Herausgeber: Historischer Verein für Stadt und Stift Essen e.V., Klartext Verlag, Essen 2016.
Cürlis, Hans und Hermann Stephany: Die künstlerischen und wirtschaftlichen Irrwege unserer Baukunst. Vergleichende kritische Studien deutscher und belgischer Architektur, Piper Verlag, München 1916.
Ost(en)friedhof Dortmund – https://www.kdwupper.de (mit Fotografien von der Maiweg-Grabstätte)