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Geboren wurde Nikolaus „Nico“ Roesler 1942 in Düsseldorf, wo er auch seine Jugend- und Schulzeit verbrachte. Nach dem Besuch der Volksschule wechselte er auf das Rethel-Gymnasium, wo er nach neun Jahren 1962 die Abiturprüfung ablegte. Anschließend absolvierte er eine zweijährige Ausbildung zum Leutnant bei der Bundeswehr und diente dann ein weiteres Jahr als Feuerleitoffizier bei einem Artillerie-Bataillon. Danach studierte er Germanistik, Geschichte und Kunstgeschichte in Tübingen und Köln. Er war dann ab 1972 Lehrer, davon über dreißig Jahre am Mädchengymnasium Essen-Borbeck (MGB). Er ist mit der aus Wales stammenden Englischlehrerin Cary verheiratet, die ebenfalls am MGB gearbeitet hat. Beide wohnten zunächst in Essen und zogen von dort nach Wachtendonk am Niederrhein. Oskar, Heinrich und Schröder hießen die Hauskater, ihnen folgte Katze Daisy.
Fotografieren war schon früh ein Hobby des Schülers, der bald erste Fotos in Zeitungen veröffentlichen konnte; später als Lehrer führte er diese Form des Fotojournalismus als freier Zeitungs-Mitarbeiter weiter. Auch ist beispielsweise bekannt, dass er auf Klassenfahrten ständig mit dem Fotoapparat unterwegs war und die begleitenden Kolleginnen bat, während seiner Motivsuche die Aufsicht über die Schülerinnen zu übernehmen Die Idee, Fotos auszustellen, hat angefangen mit der Wiederbelebung eines ungenutzten Fotolabors und der Gründung einer Foto-AG am MGB. Da Nico Roeslers Schülerinnen zahlreiche Preise gewannen, etwa beim Deutschen Jugend-Fotowettbewerb oder beim Europa-Wettbewerb des Landes NRW, kam die Idee auf, diese Fotos in verschiedenen Borbecker Geschäften und auch im Schloss Borbeck auszustellen.
Die Entwicklung des Fotografen Nico Roesler lässt sich an den Kameras ablesen, die er benutzt hat. Begonnen hat er mit einer Agfa Clack, eine Art Box für einen Rollfilm mit acht Bildern im Format 6x9 cm, ein Einsteigermodell, das der Philosophie folgte: Je weniger man einstellen kann an der Kamera, desto weniger kann man falsch machen. Vergaß man allerdings nach einer Aufnahme den Film weiter zu drehen, folgte eine Doppelbelichtung, denn einen automatischen Filmtransport oder eine Doppelbelichtungs-Sperre hatte die Agfa Clack nicht. Es folgte eine Agfa Billy, eine Kamera mit Faltbalgen und verschiedenen Blenden- und Zeiteinstellungen. In den 1960er-Jahren benutzte er eine Agfa Silette, eine Kleinbild-Kamera mit feststehendem Objektiv und manueller Belichtungseinstellung bis 1/300 sec. Schließlich machte er seine Aufnahmen mit diversen Canon-Spiegelreflexkameras, zunächst analog, ab der Mitte der 2000er-Jahre dann digital, alle mit zahlreichen Wechselobjektiven vom Weitwinkelobjektiv bis zum extremen Teleobjektiv ausgestattet.
Einen Namen machte sich Nico Roesler zunächst mit seinen Autorenlesungen in der Item-Buchhandlung in Essen-Frintrop und in der Alten Cuesterey in Essen-Borbeck. Am 11. Mai 2004 stellte er in der Item-Buchhandlung das neue EU-Mitglied Estland in Wort und Bild vor. Neben einer kleinen Ausstellung seiner Estland-Fotos las er im Wechsel mit der Schülerin des Mädchengymnasiums Borbeck Sonja Eumann aus Werken estnischer Autorinnen und Autoren vor, die in Deutschland noch weitgehend unbekannt waren, darunter „Professor Martens Abreise“ von Jaan Kross (der immer wieder für den Literatur-Nobelpreis vorgeschlagen wurde, ihn aber nie erhielt), „Im Grenzland“ von Emil Tode und „Der siebte Friedensfrühling“ von Viivi Luik. Im Oktober und November 2004 präsentierte Nico Roesler in der Item-Bücherei zum Thema „Klassiker der letzten 50 Jahre“ weitere Lesungen, u.a. Hans-Ulrich Treichel „Der Verlorene“ und Gisela Elsner „Die Riesenzwerge“. Die Lesungen wurden von jungen Künstlerinnen und Künstlern musikalisch begleitet.
Auf die Fotoausstellung mit Lesung von Anfang Mai in der Item-Buchhandlung folgte mit 75 Fotos die umfangreiche Estland-Ausstellung „Estland - neues EU-Land“, die am 27. Juni 2004 in der Alten Cuesterey durch den damaligen Essener Landtagsabgeordneten Thomas Kufen eröffnet wurde, musikalisch umrahmt von der Harfenistin Katharina Könnings, 1. Preisträgerin im Wettbewerb „Jugend musiziert“ und Schülerin des MGB. Die Bilder entstanden bei Besuchen in Estland, wo der Maler und frühere Kunstlehrer am MGB Christian-Ivar Hammerbeck inzwischen lebte. Sie sollen laut Nico Roesler eine Brücke zwischen altem und neuem Europa schlagen und Schlaglichter auf den Sprung der Esten in die Moderne werfen. Die kontrastreichen Aufnahmen aus dem alten und modernen Estland machte Nico Roesler während seiner Reisen durch Estland im Herbst 2002 und Sommer 2003. Sie erzählen nicht von großer Geschichte, sondern bieten Motive aus der russischen Vergangenheit Estlands und Momentaufnahmen aus dem Alltag der Menschen im ländlichen Estland.
Die Estland-Ausstellung wurde ein Jahr später vom 30. Juni bis 18. Juli 2005 in der estnischen Stadt Tartu im Rahmen der 25. Internationalen Hansetage gezeigt. In den Bildern geht es Nico Roesler darum, den Blick eines westlichen Betrachters auf die Entwicklung des sowjetisch geprägten Landes zu einem modernen Estland zu zeigen. So stellen sich dem Betrachter Impressionen aus der Hauptstadt Tallinn, deren Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, aus der Universitätsstadt Tartu und dem Badeort Pärnu an der Ostsee. Er sieht stimmungsvolle Bilder von der Ostseeküste und der Insel Hiiumaa, aber auch Bilder von endlosen Wäldern und weiten Feldern, verfallenen Dörfern, Lehmpisten und anderen Zeugnissen einer defizitären Infrastruktur als Zeugnisse der langen sowjetischen Herrschaft über Estland, die 1944 begann und erst 1991 beendet wurde.
Beispielsweise hat Nico Roesler an der estnisch-russischen Grenze auf den Auslöser gedrückt. Das Bild zeigt eine trostlose Landschaft ohne Menschen und Tiere, Blickfang ist ein verfallener Bauwagen. Auch auf der Aufnahme in einem ehemaligen russischen Dorf am Peipussee in Estland fehlt menschliches und tierisches Leben. Eine russisch-orthodoxe Kirche und ein Holzhaus mit Kreuz künden davon, dass hier in aller Abgeschiedenheit und Verlassenheit Menschen gelebt haben und vielleicht noch leben. Darauf deutet eine Schubkarre mit Blumen hin.
Auch ein weiteres Motiv aus dem Dorf lässt auf die Anwesenheit von Menschen schließen. Es zeigt eine Holzhütte mit Wellblechdach, davor steht ein Tisch mit Holzbänken, drum herum sind Wäscheleinen gespannt. Doch wo sind die Bewohner? Verfall kennzeichnet die Bilder, auf denen Nico Roesler die Spuren der russischen Vergangenheit festgehalten hat. Überreste einer Kolchose mit verbogenen und verrosteten Erntemaschinen auf dem einen Bild, von Russen zerstörter ehemaliger Gutshof mit einer ursprünglich ansehnlichen Fassade in einem Grau-in-Grau-Ambiente auf einem anderen. In einer völlig unsortierten Asservatenkammer stößt der Betrachter neben einem alten Rundfunkempfänger auf eine ausrangierte Büste von Lenin. Beide sind verstummt, das Radio und der Revolutionär. Der Betrachter ist aufgefordert, die Bilder zum Sprechen zu bringen. Manchmal sind die Bilder bewusst so angeordnet, dass sie miteinander zu sprechen oder sich zu widersprechen scheinen. Dem muss der Betrachter auf die Spur kommen. Übrigens musste Nico Roesler für diese Ausstellung Bilderrahmen von den Borbecker Fotofreunden ausleihen, weil es in Tartu zwar eine geräumige Künstler-Wohnung und schöne Ausstellungsräume, aber keine passenden Rahmen gab.
2007 durfte Nico Roesler die Estland-Bilder wegen der positiven Resonanz der Russland-Ausstellung aus dem Jahre 2005 im Staatlichen Museum für Photographie in Nizhnij Novgorod ausstellen. Diese Ausstellung nahm keinen guten Verlauf. Die Fernsehsendung samt Interview mit Nico Roesler anlässlich der Ausstellungseröffnung wurde abgebrochen, angeblich weil die Übersetzerin ein zu schlechtes Russisch gesprochen habe. Den wahren Grund erfuhr er später in einer Diskussionsrunde mit russischen Studentinnen und Studenten. Demnach erfolgte der Abbruch, weil in der Ausstellung Bilder zu sehen waren, auf denen nach dem Urteil der Veranstalter die sowjetische Zeit (z.B. Bild von Lenin in der Rumpelkammer) zu schlecht und das moderne Estland zu gut weggekommen seien.
Die Ausstellung „Russland-Fotos“ vom 2005 im Staatlichen Museum für Fotografie in Nizhnij Novgorod kam durch die Städtepartnerschaft mit Essen zustande. Die ausschließlich schwarz-weißen Russland-Bilder, entwickelt und vergrößert in der eigenen Keller-Dunkelkammer, waren während eines Gastseminars entstanden, das Nico Roesler an der Linguistischen Universität Nizhnij Novgorod zur Literatur der deutschen Romantik gehalten hatte. Die Ausstellung stieß auf breite Resonanz. Sie wurde im lokalen Fernsehprogramm gezeigt und fand wohlwollende Kritik. Nico Roesler war allem Anschein nach der erste deutsche Fotograf, dem die Ehre zuteil wurde, in dem renommierten Museum ausstellen zu dürfen.
Niznij Novgorod hat etwa 1,2 Millionen Einwohner und liegt ca. 400 km östlich von Moskau am Zusammenfluss von Oka und Wolga. Von 1930 bis 1991 hieß die Stadt Gorki und war für Ausländer eine verbotene Stadt, zugleich Verbannungsort für den Physiker und Friedensnobelpreisträger Andrei Sacharow. Seit 1991 sind Essen und Niznij Novgorod Partnerstädte.
Die Russland-Fotos zeigen im Unterschied zu den Aufnahmen aus Estland häufig Straßenszenen mit Menschen, die im Gespräch sind oder achtlos nebeneinander stehen. Auf allen Bildern schenken die Personen dem Fotografen keinerlei Beachtung. Das gilt sowohl für den Polizisten mit Funkgerät und den Polizisten mit Zigarette, als auch für die beiden Männer, die über Kartons mit Krimskrams in ein Verkaufsgespräch vertieft sind. Nicht am Verkaufen interessiert ist offenbar die Kvas-Händlerin, die an ihrem Verkaufswagen viel nacktes Bein zeigt, aber hauptsächlich mit der Pflege ihrer Fingernägel beschäftigt ist. Ebenso wenig kümmern sich die vier Menschen um den Fotografen, die an einem Betonblock am Wolgaufer abhängen. Ihre Körperhaltung, die Zigarettenschachtel auf der Steinplatte und eine Bierflasche im Hintergrund lassen darauf schließen, dass es sich um einen Treff von Menschen aus der Trinkerszene handelt.
In scharfem Gegensatz dazu steht die Aufnahme mit elegant gekleideten Menschen der „besseren“ Gesellschaft, offensichtlich eine Hochzeitsgesellschaft. Die Kleidung, aber auch die Wein- und Sektflaschen hinter ihnen dokumentieren den Standesunterschied. Weibliche Ehrengardisten im Paradeschritt gehören ebenso zu den Russland-Motiven wie das ausrangierte Kampfflugzeug als Spielgerät in einem Vergnügungspark und das bronzene Monument mit bewaffneten Soldaten. Hinter ihnen steht auf dem Sockel einsam und verlassen eine Bierflasche. Wer mag die wohl dahin gestellt haben?
Eindrucksvoll und voller Geschichten ist das Denkmal, das Lenin als Revolutionsführer und Agitator vor einer Gruppe von Menschen zeigt, die gebannt seinen Worten lauschen. Senkt der Betrachter den Blick, stellt sich mit einem Mal ein desillusionierender Kontrast ein. Lenin wird durch zwei am Fuß des Denkmals hockende, bei einem privaten Trinkgelage befindliche ärmlich gekleidete Männer gleichsam vom Sockel geholt. Ein starker Kontrast, der den Betrachter ganz nach dem Willen des Fotografen ins Nachdenken über die Langzeitwirkung von Revolutionen und die Bedeutung des Wortes „Denkmal“ geraten lässt.
2006 konnte Nico Roesler einen Teil seiner Russland-Fotos (etwa 60 Bilder) aus dem Alltagsleben in Essens Partnerstadt im Foyer des Essener Rathauses ausstellen. Die Ausstellung wurde am 1. September 2006 im Rahmen der seit 15 Jahren bestehenden Städtepartnerschaft mit Nizhnij Novgorod vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt Essen Dr. Wolfgang Reiniger eröffnet. Die Ausstellung dauerte bis zum bis 22. September 2006.
Im Februar 2019 stellte Nico Roesler in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Deutsch-Russische Begegnung mehr als 50 großformatige Russland-Bilder in der Alten Cuesterey in Essen-Borbeck aus, verbunden mit einer Lesung aus Werken von Maxim Gorki. Mit dabei waren junge Russinnen und Russen aus Niznij Novgorod, die sich im Rahmen eines sozialen Jahres in Essen aufhielten. Wie Nico Roesler seine Aufnahmen vom Straßen- und Alltagsleben gemacht hat, stellt er so dar:
„Für meine Motive entscheide ich mich spontan. Ich stehe mit meinem Teleobjektiv an einer Stelle, wo ich nicht auffalle. Wenn mich dann irgendetwas anspricht, knipse ich, das ergibt sich ‚zufällig‘.“
So entstanden – im Warten auf den richtigen Moment – Fotos von den Menschen, die ihrer Alltagsarbeit nachgehen. Der Kontakt zu Niznij Novgorod kam durch eine Gastschülerin vom Staatlichen Gymnasium Nr. 1, Partnerschule des Mädchengymnasiums Borbeck, zustande, um die sich Nico Roesler und seine Frau während ihres halbjährigen Aufenthalts gekümmert hatten. Nico Roesler nahm die Einladung der Eltern zu einem Besuch in Niznji Novgorod gerne an, Beginn einer engen Bindung an die Stadt. Nico Roesler:
„Ich war schon zu allen Jahreszeiten dort, bin der Wolga geschwommen und auf der zugefrorenen Wolga spazieren gegangen.“ [Beide Zitate stammen aus dem Borbeck Kurier vom 05. Februar 2019].
Nico Roesler ist mit seiner Frau dreimal in Nepal gewesen. Einmal war es eine Himalaya-Trekking-Tour, dann eine Tour zu hinduistischen und buddhistischen Klöstern und schließlich eine Tour zu verschiedenen nepalesischen Städten, darunter Lumbini, dem Geburtsort Buddhas, verbunden mit längeren Aufenthalten in Kathmandu, der Hauptstadt Nepals, und im tibetischen Flüchtlingscamp Tashi Ling und Kloster in Pokhara.
Die Ausstellung „Nepal – Menschen und Götter“ wurde zuerst im August 2010 in der Alten Cuesterey in Essen-Borbeck gezeigt. Sie wurde eröffnet durch Suresh Pradhan, den Botschafter Nepals, und den nepalesischen Generalkonsul Ram Pratap Thapa. Weiter wurde die Ausstellung 2012 in der Krefelder Klinik Königshof und 2013 im französischen Acigné (Bretagne) im Kontext des europaweit größten alljährlichen Fotofestivals in der bretonischen Gemeinde La Gacilly gezeigt.
Nepal an der Südflanke des Himalaja hat 30 Millionen Einwohner. Es gibt über 100 verschiedene Volksgruppen, davon sind 80% Hindus und 15 % Buddhisten. Nepal ist seit 2008 formell eine Republik und ist auf Grund der instabilen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse zum Lavieren zwischen den Großmächten China und Indien gezwungen. Nepal gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Etwa 50% der Erwachsenen sind Analphabeten. Die Unzulänglichkeiten des staatlichen Schulsystems haben zahlreiche Sponsoring-Organisationen auf den Plan gerufen, darunter dem privaten Dieter Kenkmann Fonds von 1987, dem sich auch Nico Roesler und seine Frau angeschlossen haben. Während der Besuche der von ihnen unterstützten tibetischen Familie entstanden die Bilder der Ausstellung „Nepal – Menschen und Götter“.
Auch mit den Nepal-Bildern bleibt Nico Roesler seiner fotografischen Philosophie treu. Neben Bildern aus dem facettenreichen religiösen Leben in Nepal, wo jede religiöse Gruppe ihre eigenen Götter hat, zeigt er Aufnahmen aus dem Alltag einer Dorfschule und eines buddhistischen Klosters. Kontrastreich sind die Szenen aus dem Straßenverkehr. Da gibt es einen Motorradfahrer (Marke „Royal Express“) mit Helm, hinter ihm sitzen zwei Kinder ohne Helm, die sich an ihn klammern. Dann wieder sieht man eine Brücke, auf der eine den Hindus heilige Kuh steht und Fußgänger und Radfahrer zum Warten zwingt.
An anderer Stelle setzt Nico Roesler nach einem riesigen Buddha und einer für das Initiationsritual reicher Hindumädchen gekleideten „Sonnenbraut“ ein kleines Mädchen in Szene, das selbstvergessen einen Fußball vor sich hertreibt – Moderne im Zusammenspiel mit Tradition. Das gilt auch für die Klosterschüler, die an einem Tisch sitzen, auf denen neben verschiedenen Gegenständen eine Cola-Flasche steht.
Nico Roesler beließ es nicht beim Fotografieren. Mit seiner Frau übernahm er, wie schon erwähnt, bereits 1996 Patenschaften über drei Kinder aus einer tibetischen Flüchtlingsfamilie, die in einem Camp in Pokhara lebt und ermöglichte ihnen den Besuch von Schule und Universität. Ein Mädchen hat einen Abschluss als Krankenschwester und Hebamme und lebt jetzt mit ihrem Mann und der kleinen Tochter in Paris, die andere hat einen Master in Business-Administration und arbeitet in der Verwaltung eines tibetischen Klosters und einer daran angeschlossenen Teppichmanufaktur. Der Junge musste krankheitsbedingt sein Studium (Tourismus) abbrechen, lebt inzwischen in Kanada und stellt kunsthandwerkliche Produkte her.
Über 25 Jahre haben Roesler und seine Frau im Rahmen des „Dieter E. Kenkmann Fonds 1887 e.V.“ die Ausbildung der Kinder gesponsert. Alle drei Kinder mussten in Indien studieren, da Tibeter in Nepal nicht an Universitäten zugelassen werden. Die Tibeter, die in den verschiedenen Flüchtlingscamps in Nepal leben, haben, selbst wenn sie schon in dritter Generation in Nepal geboren sind, nur ganz eingeschränkte Bürgerrechte. Sie dürfen außerhalb der Flüchtlingslager keine Berufe ausüben und können keine nepalesische Staatsangehörigkeit erhalten, also auch keinen Pass – sie haben lediglich den internationalen Flüchtlingsausweis der UN. In Nepal leben diese Flüchtlinge in Lagern als Nachkommen derjenigen zig-tausend Tibeter, die nach der Besetzung, Annexion und Unterdrückung Tibets durch China seit den frühen 1950er-Jahren nach der Flucht des Dalai Lama 1959 nach Indien ebenfalls aus Tibet geflohen sind. Eine große Zahl der tibetischen Flüchtlinge siedelte in Indien, das auch Sitz der tibetischen Exilregierung in Daressalam ist und den Tibetern großzügig Schutz gewährt, im Gegensatz zu Nepal, das im Laufe der Jahre auf Druck Chinas immer repressiver gegen die tibetischen Flüchtlinge im Lande vorging und vorgeht. So werden die wenigen Flüchtlinge, denen jetzt noch die Flucht aus Tibet (China) über die Grenze nach Nepal gelingt, sofort nach Indien weiter geschickt. [Die Informationen über die Situation der Tibeter stammen von Nico Roesler].
Die von Nico Roesler in der häuslichen Dunkelkammer handwerklich hergestellten analogen Schwarz-Weiß-Fotos sind, ebenso wie die in professionellen Labors entwickelten digitalen Farbfotos, keine Werbefotos für Reisebroschüren und andere touristische Erzeugnisse. Vielmehr will er dem Betrachter jenseits aller touristischen Attraktionen den Alltag und die Lebensweise von Menschen näherbringen. Über seine fotografische Tätigkeit sagt er selbst.
„Ich habe mit meinen Fotos nie ‘Kunst‘ machen wollen, sondern mein Fotografieren aufgefasst als den eher fotojournalistischen Versuch, mit dem einen festgehaltenen Augenblick, mit der Momentaufnahme von etwas Alltäglichem etwas auszusagen über die soziale, kulturelle, menschliche, politische Realität, in der das Bild entstanden ist; wenn es gelungen ist, weist das Bild über das vordergründig Abgebildete hinaus und erzählt eine ganze Geschichte. Aus diesem fotojournalistischen Ansatz heraus habe ich mich einerseits sehr ausführlich mit der ‘street-photography‘ gewidmet und andererseits konsequent auf die digitale Nachbearbeitung meiner Fotos verzichtet, um die Realität so objektiv wiederzugeben, wie sie mir in dem einen Augenblick begegnet ist.“
Diesem Ansatz folgend verzichtet Nico Roesler in der Regel auf erklärende Bildunterschriften. Was gibt es auch groß zu erklären, wenn man Kinder in einer Dorfschule betrachtet, die sich um den Fotografen nicht zu kümmern scheinen, oder einen nepalesischen Jungen sieht, der im Verkaufstand der Eltern Hausaufgaben macht. Nico Roesler will mit seinen Momentaufnahmen einen Dialog mit dem Betrachter in Gang setzen. Er soll im idealen Fall die hinter dem Bild stehende Geschichte weiterdenken. Darin besteht die „Kunst“ des Fotografierens. In diesem Sinne ist Nico Roesler ein „Foto-Künstler“.
Franz Josef Gründges
Quellen:
Artikel in den Borbecker Nachrichten und im Borbeck Kurier (Stadtteil-Zeitung).
Dokumente aus dem Privatarchiv von Nico Roesler.