Mariengrotte an St. Dionysius

Aus der Tafel in der Grotte geht hervor, dass der Borbecker Knappenverein 1911 aus Anlass seines 50jährigen Bestehens diese Grotte errichten ließ. Kulturgeschichtlich gesehen, hatte der Grottenbau schon eine längere Tradition. Der „Waschzettel“ zu einem einschlägigen wissenschaftlichen Buch lautet: „Seit dem frühen 16. Jahrhundert entstanden nach dem Vorbild der Antike in neuen fürstlichen Gärten Frankreichs, Italiens, später auch Deutschlands künstliche Grotten. Mit Springbrunnen und Statuen geschmückt, luden sie ein zu Kontemplation und inspiriertem Gespräch und boten kühlende Zuflucht vor der Sommerhitze.

Ob künstliche Naturgrotte oder architektonische Grotte – der Bauherr des 16. Jahrhunderts konnte eine Form wählen, die seinen ästhetischen wie auch finanziellen Vorstellungen entsprach. Der Phantasie der beauftragten Künstler waren kaum Grenzen gesetzt. So konnten sie z.B. Grotten verspiegeln oder als Ruinen gestalten, die über dem Eintretenden zusammenzubrechen scheinen. Die Wände wurden in plastische Bilder von Meeresungeheuern und magischen Wesen verwandelt oder in Lauben mit zarten Blütenranken und exotischen Vögeln. Auch die bauliche Situation beschränkte sich bald nicht mehr allein auf die seit alters dafür bestimmten Gärten, sondern die Grotten rückten in den unmittelbaren Villenbereich ein – eine berühmte Villa wurde sogar über einem Untergeschoss von Grottenzimmern errichtet. Die vorliegende Arbeit versucht eine Klassifizierung der Grotten nach Ausstattungsart und architektonischer Anlage. Dabei zeigt sich, dass Italien und Frankreich schon nach kurzer Zeit eigenständige Formen entwickelten und sogar ein rückwirkender Einfluss Frankreichs auf das Ursprungsland Italien festzustellen ist. Der Bogen spannt sich von der einfachen Tuffhöhle bis zum komplizierten Grottentheater, mit dem die Grottenmode im beginnenden 17. Jahrhundert ihren Höhepunkt und Ausklang erreichte.“1 Die Grottenmode muss später wieder in Schwung gekommen sein. Dazu fehlen mir genauere Kenntnisse, wie es anderswo war.

Im Borbecker Adressbuch von 1909 annoncierte der Stukkateur Karl Frantzen „Spezialität: Grottenbau in allen Schlackenarten“. Theodor de Mennes-Teschenmäker nannte im selben Adressbuch seine Gaststätte am Weidkamp „Zur Grotte“ und beschrieb sie näher: „schöner Saal mit prachtvoller Grotte“. Auch heute noch gibt im Garten eines Hauses von damals eine Grotte: In dem Garten von Flurstraße 197 hinter der Figur von Rotkäppchen und dem Wolf.

Eine Besonderheit innerhalb der Grotten sind die Marien-Grotten. Sie gehen zurück auf die Marien-Grotte in Lourdes, wo Bernadette Soubirous 1858 mehrere Marienerscheinungen hatte, wo ein Wallfahrtsort entstand. Diese Grotte ist an vielen Orten nachgebildet worden.2 In der näheren Umgebung gab es eine in der Kölner Straße 41, die leider den letzten Krieg nicht überlebte. Sie war auf dem Gelände des Kindergartens (oder „Kleinkinderbewahrschule“) der Elisabethschwestern von Schuir errichtet worden.3 Auch In einem Buch über Bochum von 1991 wurde eine Lourdes-Grotte gezeigt.4 Danach entstand sie im Bereich des Krankenhauses St. Josef etwa gleichzeitig wie das 1909 errichtete Krankenhaus selbst. Am 3. Oktober 2008 fuhr ich nach Bochum, um die Grotte zu besichtigen. Ich fragte beim Pförtner. Der freundliche Pförtner kannte sie nicht, hatte aber eine Ahnung, wo sie sich befinden könnte. Dort fand ich sie auch: in einem abgeschlossenen kleinen Garten. Daneben steht ein großes Kruzifix. Es sind durch die Lage bedingt wohl nur wenige Leute, die zur Grotte gehen. Es gibt es neuerdings auch ein Hinweisschild darauf.

Das hat „unsere Lourdesgrotte“ nicht nötig. Sie steht an gut sichtbarer Stelle und wird beachtet, wie der frische Blumenschmuck zeigt. In der Festschrift zur Einweihung „unserer Lourdesgrotte“ berichtete der damalige Präses des Borbecker Knappenvereins Vikar Wilhelm Müller: „Sie wurde erbaut aus Thüringer Tropfsteinen von Herrn Stukkateurmeiser Frantzen-Borbeck.

Die Statue lieferte Bildhauer Kirsch-Borbeck und eine meisterhafte Bemalung gab ihr Herr Kirchenmaler Fierlings-Düsseldorf.5

Andreas Koerner

1 Das dazugehörige Buch hat folgende Daten: Barbara Rietzsch: Künstliche Grotten des 16. und 17. Jahrhunderts. Formen der Gestaltung von Außenbau und Innenraum an Beispielen in Italien, Frankreich und Deutschland. München: scaneg 1987. 164 S., 79 Abb. EUR 30,- ISBN 978-3-89235-017-0

2 Fotos von 29 Lourdesgrotten, davon keine aus dem Ruhrgebiet, kann man unter folgender Internetadresse anschauen: http://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Lourdes_Grottoes?uselang=de

3 Vgl. … S. 273

4 Bochum zu Fuß, hrsg. v. Norbert Konegen und Hans H. Hanke. Hamburg: VSA-Verl. 1991, S. 95-06.

5 Fest-Schrift zum Goldenen Jubiläum des Kath. Knappen-Vereins in Borbeck. 1861 – 1911, S. 21.

 

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