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Johanna Lösing, katholisch, ledig, wurde am 10. Juni 1918 in Essen-Katernberg als Tochter des Steigers Heinrich Lösing (Zeche Zollverein, geb. am 13.04.1888 in Essen-Katernberg, und dessen Ehefrau Emma geb. Hanke, geb. am 28.10.1889 in Peukendorf (Thüringen), geboren. Ihre Schwester Maria kam am 28.12.1921 in Essen-Katernberg zur Welt. Im Adressbuch für das Jahr 1998 ist Johanna Lösing unter der Adresse Schlosswiese 20 in Essen-Borbeck aufgeführt. Vorher wohnte sie in der Maybachstr. 5 in Essen-Bredeney.
Nach dem Abitur 1937 an einem Gelsenkirchener Gymnasium absolvierte sie den obligatorischen Arbeitsdienst studierte zwei Semester Pädagogik an der Hochschule für Lehrerinnenbildung in Hannover, wechselte dann nach Jena, um schließlich ihr Studium der Biologie, Mathematik und Chemie in Göttingen abzuschließen. Während des Studiums war Johanna Lösing wissenschaftliche Assistentin am Botanischen Institut der Universität Göttingen, wo sie 1947 über ein pflanzenphysiologisches Thema zum Dr. rer. nat. mit „gut“ promovierte. Ein Jahr später legte sie am 16. Juli 1948 die Wissenschaftliche Prüfung ab mit Lehrbefugnis für das Grundfach Biologie (mit Auszeichnung) und die Beifächer Mathematik (befriedigend), Chemie (gut) und Philosophie (gut). Am 28. September 1949 bestand sie die Pädagogische Prüfung mit „gut“.
Vom 1. Oktober 1949 bis zum 21. Februar 1954 unterrichtete sie als Referendarin und Studienassessorin, vom 22. Februar 1954 bis zum 26. Mai 1960 als Studienrätin und ab 27 Mai 1960 als Oberstudienrätin an der Viktoriaschule in Essen (eröffnet 1912, geschlossen 2000). In einer dienstlichen Beurteilung aus den 1960er-Jahren wird Dr. Johanna Lösing die uneingeschränkte fachliche und menschliche Qualifikation für die Übernahme einer Leiterinnenstelle bescheinigt. Die bei Schülerinnen, Eltern und im Kollegium gleichermaßen hoch angesehene Lehrerin galt schon lange als potenzielle Schulleiterin.
Der Unterricht für die Eingangsklasse des neuerrichteten Mädchengymnasiums Essen-Borbeck, neusprachliches Gymnasium für Mädchen in Entwicklung, wurde am 1. April 1965 aufgenommen. Die ersten beiden Klassen waren zunächst im Gebäude der Luisenschule untergebracht und von Lehrerinnen und Lehrern der Luisenschule unterrichtet worden. Seit dem 1. Dezember 1966 wurde das auf vier Klassen angewachsene Mädchengymnasium als selbstständige höhere Lehranstalt im Entstehen geführt. Die Schulleitung oblag zu diesem Zeitpunkt noch dem Leiter der Luisenschule. Um den Schulleiter von der Doppelfunktion zu entlasten, wurde Frau Dr. Lösing auf dem Wege der Dringlichkeitsentscheidung mit Wirkung vom 1. August 1967 zur kommissarischen Leiterin des Mädchengymnasiums ernannt.
Im Juni 1967 hatte man mit den Bauarbeiten für das neue Mädchengymnasium Borbeck auf dem Gelände des früheren Sportplatzes von SV Borbeck an der Ecke Drogandstraße/Fürstäbtissinstraße begonnen. Die Baukosten waren mit 8,4 Millionen DM veranschlagt. Im 1. Bauabschnitt wurden bis zur Übergabe 1969 insgesamt 24 Klassenräume mit sämtlichen Sonderunterrichtsräumen, Aula, Turnhalle und Gymnastikhalle fertiggestellt. Bis dahin hatte der Unterricht notdürftig in Kellerräumen der Bergbau-Berufsschule in der Neustr. 2 in Borbeck stattgefunden, wo die Stadt im Herbst des Jahres 1966 Räume angemietet und das Gebäude mit einem finanziellen Aufwand von 52.000,- DM in einen erträglichen Zustand versetzt hatte. Mit Beginn des Schuljahres 1967/68 umfasste die Schule zwei Sexten, zwei Quinten, eine Quarta und eine Untertertia.
Einweihung und Übergabe des neuen Schulgebäudes fanden 1969 statt. In der Aula der Schule konnte das Schönebecker Jugend-Blasorchester zum ersten Mal erstmals das traditionelle Weihnachtskonzert durchführen. Unter der Leitung von Frau Dr. Lösing erweiterte das MGB das Sprachenangebot um Russisch. Mit dieser Sprache erzielte die Schule große Erfolge. Seit vielen Jahre unterhält sie eine Partnerschaft mit einer Schule in Nishnij Nowgorod. Im Jahr 2000 stattete die damalige Gattin des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Ljudmila Putin, der Schule einen Besuch ab. 1972 nahm das MGB an den ersten Versuchsreihen für die Reform der gymnasialen Oberstufe teil.
Frau Dr. Lösing lag die Mädchenbildung besonders am Herzen. Von ihr ist bekannt, dass sie in der Aula der Schule der kompletten Jahrgangsstufe 5 Biologie- und Aufklärungsunterricht erteilte. Bis zum Ende ihrer Schullaufbahn verschloss sich Frau Dr. Lösing Vorstößen zu einer koedukativen Erziehung (das MGB wurde zu ihrer Zeit im Volksmund „St. Johanna-Stift“ genannt) und einer Kooperation mit dem Gymnasium Borbeck, die dann unter ihrem Nachfolger Dr. Günter Brodeßer (1982-2001) und den Nachfolgerinnen Elisabeth Gemein (2001-2011), Katy Wenning (2011-2016) und Jutta Reimann (ab 2016) nach und nach umgesetzt wurde.
Nach ihrer Pensionierung tat sie sich schwer damit, die Schulschlüssel abzugeben. Am 21. Oktober 2004 ist Johanna Lösing nach langer schwerer Krankheit gestorben. Im Nachruf der Borbecker Nachrichten werden der engagierten Pädagogin bleibende Verdienste bescheinigt. Ihrer Standfestigkeit sei es zu verdanken, „dass die Schule in der Zeit der Koedukations-Euphorie ihre bewährte Eigenart und ihren Modellcharakter bewahren konnte.“ (BN vom 28.10.2004). Bis heute ist das Mädchengymnasium Borbeck das einzige öffentliche Mädchengymnasium in Nordrhein-Westfalen, ein Beleg dafür, wie stark die Wurzeln sind, die in der Amtszeit von Frau Dr. Lösing entstanden sind.
FJG
Fundstellen:
Artikel in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung vom 08.07.1967 zur Wahl von Frau Dr. Lösing zur Leiterin des Mädchengymnasiums in Essen-Borbeck.
Meldekarte von Frau Dr. Lösing (aus dem Bestand vom HdEG/Stadtarchiv).
Vorlage von Stadtdirektor Spies vom 30.03.1967 für die Sitzung des Hauptausschusses der Stadt Essen am 12.04.1967 betr. Wahl der Schulleiterin des Städt. Mädchengymnasiums Essen-Borbeck (aus dem Bestand vom HdEG/Stadtarchiv).
Nachruf in den Borbecker Nachrichten vom 28.10.2004.