Lipperheidenbaum

Die Lipperheide im heutigen Alt-Oberhausen ist benannt nach der am Rand der Heide gelegenen Bauerschaft Lippern, die mit der Bauerschaft Lirich zum Stift Essen gehörte. Nach der Säkularisation kam das Heidegebiet verwaltungsmäßig zur Bürgermeisterei Borbeck, 1862 wurde es an die Stadt Oberhausen abgetreten.

In der Lipperheide stand an der Grenze zwischen dem Hoheitsgebiet des Stiftes Essen und dem Herzogtum Cleve ein Schlagbaum, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Bezeichnung „Lipperheidenbaum“ erhielt. An diesem Schlagbaum pflegte man hohe Gäste, die ihren Besuch vorher selbstverständlich angekündigt hatten, mit allen militärischen Ehren und Salutschüssen zu begrüßen.

Ute Küppers-Braun hat einen solchen Vorgang in ihrem lesenswerten Buch über das Damenstift Essen am Beispiel des Empfangs des Apostolischen Nuntius Agostino Francotti im Jahre 1668 anschaulich geschildert. Hier der entsprechende Auszug aus ihrem Buch:

„Der Nuntius hatte am 27. Juli eintreffen wollen, und die Fürstäbtissin hatte ihm ihre Staatskutsche bereits am Vormittag über Mülheim entgegengesandt. Gegen Mittag waren die Inhaber der fürstlichen Erbämter, fürstliche Räte und Vertreter der Stadt zur Lipperheide (…) geritten und hatten an dem dortigen Schlagbaum (…) Aufstellung genommen. Doch am Nachmittag ging ein heftiges Gewitter nieder, das die Staatsgewänder der unentwegt Wartenden völlig ruinierte und auch den Nuntius an der Weiterfahrt hinderte. Er übernachtete in Kaiserswerth, und die Deputierten der Fürstin kehrten abends triefendnass und unverrichteter Dinge zurück. Am anderen Morgen ritten sie wieder dem Nuntius bis zur Lipperheide entgegen. Nach umständlichen Begrüßungen begleiteten die Reiter die Kutschen (…) durch Frintrop, Bedingrade und Borbeck bis Essen. 500 Schützen (Bauern) standen am Labberg und schossen Salut. Sie schwenkten dann ein und marschierten gruppenweise, von ihren Bauernführern begleitet, dem Zug voran.“ (Macht in Frauenhand, ebd. S. 168).

Bedeutsam für die Entwicklung des Gebietes war der Plan der Königlichen Regierung, die preußische Grafschaft Mark mit dem preußischen Herzogtum Cleve durch eine befestigte Straße mit Steindeckung und Pflasterung zu verbinden. Konkret ging es um die Weiterführung der Straße von Steele über Essen, Borbeck und Frintrop zum Lipperheidenbaum bis zur Grenze zum Herzogtum Cleve. Das Problem bestand darin, dass das selbstständige geistliche Fürstentum Essen genau zwischen den beiden preußischen Besitzungen lag.


Das Stift Essen auf einer Karte der Grafschaft Mark von Nicolas Sanson, 1681

Als die Landstände im Stift Essen – die Stiftsdamen, die Kanoniker und der Landadel – der Fürstin-Äbtissin Maria Kunigunde die Zustimmung zum Straßenbau aus Kostengründen verweigerten, griff diese zur Selbsthilfe und zahlte die Kosten aus eigener Tasche. Damit gehörte das Teilstück der Chaussee, das über das Gebiet von Stift Essen führte, zu ihrem Privatbesitz. An der befestigten neuen Straße ließen sich zwischen 1790 und 1795 mehrere Gastwirte als Betreiber von Raststätten für die Fuhrwerke nieder.

Eine Raststätte befand sich an der Zollstätte am Lipperheidenbaum, nicht weit vom Schemmannshof und vom Haus Bermen entfernt, einem alten Rittersitz, der zum Stift Essen gehörte. Von ihm ist nichts mehr erhalten geblieben. Hier wurde zu Beginn des 18 Jahrhunderts (eine genaue Datierung ist nicht möglich) eine Zollstelle mit Schlagbaum errichtet, zu der wohl auch eine Gastwirtschaft und Pferdeställe gehörten.

Die neue Chaussee führte vom „Roten Haus“ (Kreuzung Schlosstraße und Frintroper Straße) an Schemmannshof, Haus Bermen und Zollstelle vorbei über die Emscher zum Haus Oberhausen. Nach der Auflösung von Stift Essen verlor der Lipperheidenbaum seine Funktion als stiftische Zollstätte. Statt Zollgebühren an die Äbtissin zu entrichten, zahlte man beim Grenzübergang an der Hebestelle fortan sogenanntes Wegegeld.

Um 1880 wurden die Chausseegeld-Hebestellen, darunter auch die Hebestelle am Lipperheidenbaum, abgeschafft. Das alte Zollhaus mit seinem Restaurationsbetrieb wurde in der Folge eine einfache Straßengaststätte, über deren weiteres Schicksal nichts weiter bekannt ist. (FJG)

Quellen: Andreas Koerner: Bermen, Schemmann, Lipperheidenbaum – viel Geschichte auf kleinem Raum. In: Borbecker Beiträge 2/2015, S. 40-53. – Ute Küppers-Braun: Macht in Frauenhand. 1000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen. Essen 2002.

Bild oben: Ausschnitt aus der Preußischen Generalstabskarte um 1820; unten: Vorzeichnung zur Emscher-Vermessung von 1842: Bürgermeisterei Borbeck - Blatt 6 Gem. Lippern & Lirich Sektion A

Der Berich der Bürgermeisterei Borbeck - Ausschnitt - Reymanns Specialkarte 1847

 

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