Imagina von Öttingen

Wann und auf welche Weise ist die aus Schwaben stammende Imagina von Öttingen (heute: Landkreis Donau-Ried) nach Essen gekommen? Und wie hat sie sich dort eingerichtet und zurechtgefunden? Ute Küppers-Braun, beste Kennerin der Essener Stiftsgeschichte, hat ihr unter dem Stichwort „Querulantin?“ ein ganzes Kapitel gewidmet. Das klingt spannend.

1532 war Imagina zusammen mit ihrer sieben Jahre alten Schwester Jakobe von den Eltern aus der schwäbischen Heimat nach Essen geschickt worden. Dafür gab es zwei Gründe. Erstens hatten die Eltern sieben Söhne und zwölf Tochter zu versorgen und zweitens waren die Öttinger mit der damals residierenden Essener Äbtissin Margarete von Beichlingen verwandt.

Im Essener Damenstift durchlief die junge Stiftsdame störungsfrei die üblichen Stationen der Karriere. 1541 wurde sie Scholastikerin, 1556 Küsterin. Zusätzlich hatte sie zwei lukrative Ämter übernommen, das Küchenamt und das Amt der Circularia, verbunden mit nicht näher bestimmten Aufsichts- und Kontrollfunktionen. Dann gab es einen ersten Karrierestopp. Imagina, die das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, sie habe 1551 freiwillig, obschon gewählt, auf das Amt der Äbtissin verzichtet, wurde 1553 bei der Wahl einer neuen Dechantin übergangen.

Während die in Schwaben bei den Eltern weilte, hatte die beiden in Essen verbliebenen Stiftsdamen (es grassierte wieder einmal die Pest) die Wahl unter sich ausgemacht. Das ließ Imagina nicht auf sich beruhen. Sie klagte in mehreren Instanzen erfolglos gegen Äbtissin und Stiftsdamen. Daraufhin ließ sie sich andere Vorwürfe einfallen. Vom Diener der Äbtissin fühlte sie sich wie eine Fischerstochter, nicht wie eine geborene Gräfin, behandelt. Der „Narr“ der Pröpstin soll sie im gräflichen Chor mit dem Messer bedroht haben, so dass sie seitdem vor lauter Angst nicht mehr am Gottesdienst teilnehmen konnte.

Schließlich ging es noch um finanzielle Forderungen der Imagina gegen die Pröpstin. In einem Vergleich vor dem Herzog von Kleve musste die Pröpstin 1558 tatsächlich eine größere Nachzahlung an Gebühren und Einkünften an Imagina leisten. Dass ein Jurist aus Öttingen an dem Vergleich beteiligt war, sei nur der Ordnung halber erwähnt. Zusätzlich musste die Pröpstin versprechen, ihren Narren künftig vom gräflichen Chor fernzuhalten, machte jedoch unmissverständlich klar, dass die Einlassungen der Imagina aus ihrer Sicht nur vorgeschoben seien. Schließlich habe die Dame seit Jahren nicht mehr am Chordienst teilgenommen.

Übrigens hatte Imagina in ihrem Haushalt einen eigenen Narren namens „Borchardt“. In ihrem Testament vermachte sie ihm u.a. Bett, Kissen, Strohsack, Laken und Bettbezüge. Zu der etwas anderen Persönlichkeit der Stiftsdame passt, dass sie sich mit allerlei Dingen gegen Krankheiten und Epidemien zu schützen versuchte. Sie besaß u.a. ein Armband aus blutstillenden Blutsteinen, trug um den Hals zwei in Silber gefasste Wurzeln und bewahrte in einem Schrank eine menschenähnliche Zauberwurzel auf. An Schmuck hinterließ sie fünf Goldketten, zwei Armbänder, ein goldenes Kreuz mit zwei Diamanten und zwei Rubinen, einen silbernen Spiegel, einen Siegelring, sechs Ringe mit Saphir, Türkisen und Rubinen sowie mehrere Rosenkränze aus Kristall.    

Bleibt die Frage, ob die aus Schwaben stammenden Imagina von Öttingen, in deren Nachlass sich auch ein Hackbrett befand, im Essener Stift eher als eigenwillige „Ausländerin“, oder als Querulantin wahrgenommen worden ist. Noch in ihrem Testament verlangte die zum Schluss mit allen Stiftsdamen zerstrittene Imagina, nicht auf dem „Jungfern-Kirchhof“ sondern auf dem großen „Kirchhof der Laien“ beigesetzt zu werden.  (FJG)  

Quelle: Ute Küppers-Braun: Macht in Frauenhand. 1000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen. Essen 2002, bes. S. 375/76.

 

 

 

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