Hirtsiefer, Heinrich

Schlosser, Minister, KZ-Opfer

Heinrich Hirtsiefer wurde am 26. April 1876 in Essen als Sohn einer katholischen Arbeiterfamilie geboren. Nach einer Ausbildung als Schlosser arbeitete er von 1891 bis 1904 als Schlosser bei der Firma Krupp. 1904 wurde er Bezirksleiter des christlich-sozialen Metallarbeiterverbandes für das Rheinisch-Westfälische Industriegebiet, 1920 stieg er zum Verbandssekretär des Gesamtverbands auf. Außerdem war er von 1920 bis 1922 Mitglied im Verbandsrat des Ruhrgebietsverbandes und seit 1924 Mitglied des Rheinischen Provinzialausschusses.

Von 1907 bis 1924 war Hirtsiefer, der um 1900 der Zentrumspartei beigetreten war, Stadtverordneter in Essen, zwischen 1919 und 1921 gehörte er der Verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung an. 1928 wurde er in den Vorstand des Generalverbands des Zentrums gewählt und war dort einer der sechs stellv. Parteivorsitzenden.

Von 1921 bis 1933 war Hirtsiefer Mitglied des Preußischen Landtags und Minister für Volkswohlfahrt. Im Oktober 1931 wurde er zum ständigen Vertreter von Minister Brauns ernannt, nach dessen Rücktritt im Mai 1932 übernahm er die Geschäftsführung des Kabinetts. Im März 1933 legte er das Amt des stellv. Preußischen Ministerpräsidenten nieder. Am 22. März 1933 wurde Hirtsiefer in Essen-Altendorf in Schutzhaft genommen, wieder freigelassen und am 11. September erneut verhaftet. Zuvor hatte man ihn an einem Strick durch Essen geführt, um den Hals ein Schild mit der Aufschrift „Ich bin der Hungerleider Hirtsiefer“.

Aus der Schutzhaft wurde Hirtsiefer zunächst in das KZ Kemna in Wuppertal und dann in das KZ Börgermoor bei Papenburg im Emsland gebracht. Die Söhne erreichten über Interventionen bei Hindenburg und beim Apostolischen Nuntius seine Freilassung. Am 12. Oktober wurde er mit der Auflage entlassen, nicht in seine Heimatstadt Essen zurückzukehren. Die letzten Lebensjahre verbrachte er in Berlin. Dort starb er am 15. Mai 1941.

In all seinen politischen Funktionen und Verbandsgremien verfocht Hirtsiefer, überzeugter Demokrat und Republikaner (auch er war bei Brauns Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold), die Interessen der Arbeiter. Im Herbst 1930 rief er mit Gleichgesinnten die „Berliner Winterhilfe“ ins Leben, ein Hilfswerk für Familien, die von Arbeitslosigkeit betroffen waren. Zu den Schwerpunkten seiner politischen Tätigkeit und Verbandsarbeit gehörten der Kampf gegen Arbeitslosigkeit sowie der Einsatz für Konsumwesen, Sozialversicherung, Jugendfürsorge und familiengerechte Arbeiterwohnungen.

Hirtsiefer erhielt die Ehrendoktorwürde der Universitäten Bonn, Breslau und Graz. Die katholische Kirche nahm ihn ins Martyrologium des 20. Jahrhunderts auf. Hirtsiefer-Straßen gibt es in Essen, Berlin und Köln.

Franz Josef Gründges

Quelle: Christof Beckmann: Fast vergessen – Heinrich Hirtsiefer. Kirche in den NRW-Radios. Beitrag vom 23.02.2019.- Artikel in Wikipedia.

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