Hilda-Heinemann-Haus

Stiftung ermöglichte ein Zuhause für geistigbehinderte Erwachsene

Direkt neben dem Bethesda-Altenheim gibt es seit 40 Jahren eine Einrichtung, die geistig behinderten Erwachsenen ein Zuhause ist: Das Hilda-Heinemann-Haus an der Wüstenhöferstraße 179.

Am Anfang dieser Geschichte stehen drei Namen: Heinrich Gehring, Gerhard Haase und Hilda Heinemann. Also ein evangelischer Pfarrer, ein Diakon und die Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann. Was hatten sie miteinander zu tun? Heinrich Gehring, heute (2020) Superintendent a.D., kam 1967 als neuer Pfarrer in die evangelische Kirchengemeinde Borbeck-Vogelheim, wo er den Diakon Gerhard Haase kennenlernte. Diese Begegnung war folgenreich, denn Haase war fest entschlossen, an der seinerzeit noch ziemlich oft rückständigen Behandlung von Menschen mit Behinderungen etwas zu ändern.

„Damals wurden Betroffene noch auf eine Art und Weise behandelt, die durch die Epoche des Nationalsozialismus geprägt war“, erinnert sich Heinrich Gehring heute. „Es gab zwar einige Werkstätten, in denen Behinderte arbeiten konnten, doch ansonsten lebten sie zu Hause, von der Öffentlichkeit abgeschirmt und ignoriert – auch wenn ihre Eltern sie mit unendlicher Liebe großzogen, ausbildeten und schützten.“ Öffentliche Schulen, Betreuung und Assistenz? Fehlanzeige. Es herrschte eher eine „Kultur der Verachtung und Verdrängung aus dem Alltag“, wie Gehring es nennt.

In Borbeck gab aber schon einen „Freizeitclub“ für Menschen mit Behinderungen. Aus dieser Arbeit heraus entstand dann 1970 der Entschluss, im Stadtteil ein neues Zuhause für Menschen mit Behinderungen zu schaffen: Ein Ort, an dem Menschen mit Behinderung auch noch in fortgeschrittenem Alter leben können, dann nämlich, wenn ihre Eltern selbst zu alt sind, um sie intensiv zu betreuen. Zusammen mit Diakon Haase setzte sich Heinrich Gehring, der mittlerweile auch Vorstandsmitglied der Essener „Lebenshilfe e.V.“ geworden war, für das Projekt ein. Die Gemeinde stellte eines ihrer Grundstücke zur Verfügung und gemeinsam mit der „Lebenshilfe“ nahm ihr Plan konkrete Formen an.

Zehn Jahre nahmen die Planung und der Bau des Hauses insgesamt in Anspruch. Die bürokratischen Hürden waren hoch und die Finanzierung nicht geklärt.

Doch Hilda Heinemann half. Die Ehefrau des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann (ein Essener) hatte eine eigene Stiftung gegründet, die sich die Unterstützung behinderter Menschen zur Aufgabe gemacht hatte, und war auch selbst „zu einer wichtigen inneren Stütze im Kampf für die Rechte behinderter Menschen“ geworden. Hilda Heinemann sorgte dafür, dass das gesamte Vermögen ihrer Stiftung in das Projekt floss; die Stiftung ging gewissermaßen in der neuen Wohnstätte auf. Damit war dann auch schnell klar, dass das Haus nach seiner Fertigstellung den Namen „Hilda-Heinemann-Haus“ tragen würde.

Hilda Heinemann selbst hat die Eröffnung der neuen Wohnstätte nicht mehr miterlebt. An der Grundsteinlegung konnte sie kurz vor ihrem Tod im Mai 1979 noch teilnehmen. Als das Gebäude dann 1980 bezogen wurde, war sie zum Bedauern der Initiatoren und der ersten Bewohner schon verstorben.

Heute ist das Hilda-Heinemann-Haus eine Gesellschaft, an der der Verein „Lebenshilfe“, der Kirchenkreis Essen und die Gemeinde Borbeck-Vogelheim zu gleichen Teilen beteiligt sind. Es folgten weitere Einrichtungen, die das Angebot des Hilda-Heinemann-Hauses ergänzen. Die Außenwohngruppe Am Brauhaus folgte 1997. Im Jahre 2003 wurde das Haus im Winkel in Dellwig eröffnet. Und um allen Menschen mit einer geistigen Behinderung eine möglichst selbstbestimmte Wohnform anzubieten, wurde das Leistungsspektrum im Jahr 2004 um den Fachbereich Ambulant Unterstütztes Wohnen erweitert.

Somit kann das „Hilda“ Menschen mit einer geistigen Behinderung individuelles Wohnen anbieten. Zurzeit werden in den Wohnmöglichkeiten 90 Frauen und Männer betreut. (Stand 2020)

Stefan Koppelmann / Susanne Hölter

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