Höltingplatz

Der sogenannte Höltingplatz liegt mitten in Borbeck am Schnittpunkt von Gerichtsstraße und Rechtstraße, umsäumt von kleinen und großen Geschäften. Woher hat er der Platz seinen Namen bekommen?

Möglicherweise geht das Hölting auf eine alte vorchristliche Kultgemeinschaft zurück. Doch weiß man nicht Genaues darüber. Seit dem frühen Mittelalter ist das Hölting ein Holzgericht für sämtliche Holz- und Forstangelegenheiten der Markgenossen an einem Markenwald. In seiner Zuständigkeit lag alles, was mit Wald, Wasser, Weide, Weg und Steg zu tun hatte. Die Mark diente in erster Linie der Holzgewinnung. Es gab aber auch Flächen für das Weiden der Kühe und für die Eichelmast.

Das Borbecker Hölting regelte bei den regelmäßigen Zusammenkünften auf dem Platz, auf dem um 1150 die erste Dionysiuskirche bzw. Kapelle errichtet wurde, alle rechtlichen Angelegenheiten und ahndete Verstöße gegen geltendes Recht. Die Markgenossen beschlossen die Nutzungsrechte und setzten die Strafen fest. Zu den Waldfreveln gehörten die Übernutzung von Wäldern und Gehölzen durch (Brand-) Rodung oder Abholzung zur Bau- oder Brennholzgewinnung, der Viehtrieb während der Hauptvegetationszeit („Gottesmast“), der Diebstahl von Vieh, das unerlaubte „Wipfeln“ von Bäumen und das Fällen von Mastbäumen oder Schmerbäumen (Eiche, Buche), deren Früchte für das Mästen der Schweine verwendet wurde.

Vergehen wurden in der Regel mit Geldbußen belegt oder mit dem Einzug von landwirtschaftlichem Gerät geahndet. Ein Waldhüter führte Aufsicht und Kontrolle vor Ort, vier Förster waren für den geordneten Ablauf des Waldwirtschaftsbetriebs zuständig. Über allem wachte der sogenannte Holzgraf, der auch den Vorsitz in den Versammlungen führte. Der Fürstin und den Erben der Mark standen als Sonderrechte das Jagd- und Fischereirecht zu.

Über die Einnahmen und Ausgaben führte die Markgenossenschaft eine Markenkasse. Zu den Ausgaben gehörte unter anderem die Instandhaltung der Kirche und des Pfarrhauses in Borbeck. Dafür waren besondere Kirchspiel-Ländereien aus dem Allgemeinbestand ausgegrenzt worden. Alle wichtigen Unterlagen wurden in einer Markenkiste aufbewahrt, für die es nur drei Schlüssel gab.

An die Borbecker Mark grenzten im Osten die Viehofer Mark (Bild oben) und nördlich der Berne die Welheimer Mark. Markrechte in der Borbecker Markgenossenschaft besaßen die Essener Fürstäbtissin, der Oberhof Borbeck, der Paushof und der Schultenhof in Vogelheim. Die Gesamtzahl aller Markenrechte belief sich auf 120. Die Borbecker Markgenossen besaßen das Recht, ihr Vieh durch alle drei Marken treiben zu dürfen. Der mit dem Haus Horl belehnte Marschall des Stifts Essen hatte zusätzlich das Recht, in den drei Marken Wildpferde zu züchten, die alljährlich von den sogenannten „Pferdestrickern“ eingefangen wurden.

Ab dem späten Mittelalter versuchten die Fürstäbtissinnen verstärkt Einfluss auf das Hölting nehmen. Zu diesem Zweck ließ die damalige Fürstin Elisabeth von Manderscheid-Blankenheim im Jahre 1589 eine Neufassung der uralten Markenkur (Verfassung) anfertigen, in der ihre Rechte erweitert wurden. Manchmal gab es in der Borbecker Mark gänzlich unvorhergesehene Vorfälle. So trieben 1591 durchziehende Soldaten (Geusen) 500 Schweine aus den Markwaldungen mit sich fort. 1647 wurden die Nutzungsbestimmungen in der Markenverfassung auf Betreiben der Fürstäbtissin Anna Salome von Salm-Reifferscheidt erneut überarbeitet mit dem Ziel eines stärkeren Einflusses der Fürstlichen Kanzlei auf das Hölting und die Verwaltung der Mark.

Auf Veranlassung der letzten Fürstin Maria Kunigunde von Sachsen nahm der stiftische Oberförster und Geometer Franz Pasbach (geboren 1757 in Neuwied, gestorben 1827 in Hagen, seit 1785 für das Stift Essen tätig) im Jahre 1786 eine Kartierung der Borbecker Mark vor. Sie war wohl als Grundlage für den Vergleichsvorschlag gedacht, der eine Aufteilung der Mark vorsah und den die Fürstin im Streit zwischen den Markgenossen und den Beerbten im Jahre 1789 – allerdings erfolglos – vorlegte. 1835 wurde die Markgenossenschaft durch eine Königliche Kommission aufgelöst. Die 2.500 Morgen Land in der Borbecker Mark wurden mit Zustimmung aller Beteiligten aufgelassen (Ende der Nutzung). Der preußische Staat übernahm die früheren Anteile der Fürstäbtissin. 1928 wurde der Wald abgeholzt.

In Vogelheim gibt es seit 1930 den Höltingsweg und seit 1982 den Holtrichterweg. Ein vom früheren Kunstlehrer des Gymnasiums Borbeck Herbert Renelt gestaltetes Wandbild mit einer Darstellung eines Hölting hängt heute als Geschenk der Borbecker Nachrichten in der Höltingschule in der Zechenstraße. (FJG)

Quelle: Ludwig W. Wördehoff: Borbeck in seinen Straßennamen. Essen 1987 (s. unter Höltingsstraße). – Gewachsen in elf Jahrhunderten. Borbecker Chronik, Band 1. Borbeck 1980. – Andreas Koerner: Zwischen Schloss und Schloten. Die Geschichte Borbecks. Bottrop 1999, S.30-32.

oben: Platte im Boden im Durchgang zum Dionysiuskirchplatz, gefertigt von Steinmetzt Franz Bitter mit der Umschrift: „Auf diesem Hügel über dem Tal der Borbecke hielten die ersten Borbecker nach germanischem Brauch ihre Volks- und Gerichtsversammlungen das Hölting ab."

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