Giese, Elisabeth

Politikerin

Zuweilen stößt man bei Recherchen auf Persönlichkeiten aus dem engeren Umfeld, von denen man nichts oder nur wenig weiß. Zu ihnen gehört die Politikerin, Frauenrechtlerin und Lehrerin Elisabeth „Else“ Giese.

Elisabeth „Else“ Giese kam am 30. April 1884 als Tochter eines Schreinermeisters in (Essen-)Borbeck zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule und höheren Mädchenschule in Borbeck sowie des Oberlyzeums in Aachen absolvierte sie ein Lehrerinnenseminar und legte 1905 die Prüfung als Lehrerin an Volks- und höheren Schulen ab.

Zunächst unterrichtete Else Giese am Lyzeum der Schwestern vom armen Kinde Jesu in Düsseldorf. Die anschließende Tätigkeit am privaten Lehrerinnenseminar in Vallendar/Rhein von 1906 bis 1908 nutzte sie für Auslandstudien und persönliche Fortbildung. 1908 wurde sie Lehrerin am städtischen Oberlyzeum in Bottrop. Den Bezug zu ihrem Herkunftsort Borbeck hielt noch einige Zeit aufrecht, unter anderem durch den Vorsitz von 1914 bis 1919 im Verein kaufmännischer Gehilfinnen und Beamtinnen in Borbeck.

1917 begann Else Gieses partei- und verbandspolitische Tätigkeit. In diesem Jahr gründete sie die Bottroper Sektion des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDF), die sie lange als Vorsitzende leitete und deren Ehrenvorsitzende sie war. Sie war außerdem Vorstandsmitglied im Verein katholischer deutscher Lehrerinnen (VkdL) und gehörte dem Hauptvorstand der Kommunalpolitischen Vereinigung der Zentrumspartei (KPV) an.

Für das Zentrum saß sie von 1919 bis 1925 in der Bottroper Gemeindeversammlung. Nach Bottrops Erhebung zur Stadt war sie dort von 1929 bis 1933 Stadtverordnete. Von 1919 bis 1921 war sie Mitglied der Verfassungsgebenden Preußischen Landesversammlung, von 1921 bis 1933 gehörte sie für die Zentrumspartei dem Preußischen Landtag an. Außerdem war sie von 1928 bis 1933 Beisitzerin im Landtagspräsidium. Mit der Auflösung des Landtags durch die Nationalsozialisten im Oktober 1933 ging ihre politische Arbeit zu Ende. Gleichzeitig wurde sie als Lyzealoberlehrerin aus dem Schuldienst entlassen.

Neben ihrer parteipolitischen Tätigkeit bekleidete Else Giese führende Positionen in verschiedenen Verbänden. Sie repräsentierte als Oberschullehrerin die Gruppe der nicht-akademisch gebildeten Lehrerinnen an höheren Schulen. Sie war auf kommunalpolitische Themen spezialisiert und kümmerte sich innerhalb des VkdL insbesondere um Kontakte mit dem Ausland und um Fragen der Völkerverständigung (vgl. Doris Sack). Sie war Vorstandsmitglied des Reichsverbandes für die katholischen Auslandsdeutschen und Mitglied des Reichsbeirats für das deutsche Schulwesen in Ausland. In dieser Funktion unternahm sie zahlreiche Auslandsreisen u.a. nach Palästina, Ägypten (1929) und Indien mit dem Ziel, Möglichkeiten eines kirchlich-kulturellen Austauschs zu sondieren.

Else Giese, die zeitlebens ledig blieb, kümmerte sich privat um das Wohlergehen von Ordensschwestern. Als Angehörige eines III. Ordens richtete sie in ihrem Haus ein Heim für Franziskusschwestern ein.

Im August 1944 wurde Else Giese im Zusammenhang mit den Geschehnissen des 20. Juli verhaftet („Aktion Gitter“, Verhaftungswelle der Nazis) und für vier Monate im Gefängnis Bielefeld inhaftiert. Nach 1946 war sie Dozentin an der Volkshochschule in Bottrop. Am 20. Februar 1950 ist sie in Bottrop gestorben. Ihr Grab befindet sich auf dem alten Friedhof an der Horster Straße in Bottrop.

Else Giese erhielt für ihre Verdienste den Orden „Pro ecclesia et pontifice“ und das Jerusalem-Kreuz. In Bottrop-Fuhlenbrock ist eine Straße nach ihr benannt worden. (FJG)

Quelle: Erwin Dickhoff: Essener Köpfe. Essen 2015. – Birgit Sack: Zwischen religiöser Bindung und moderner Gesellschaft. Katholische Frauenbewegung und politische Kultur in der Weimarer Republik (1918/19 – 1933). Münster 1998.

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