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Brücken haben in der Geschichte der Menschheit stets eine tragende und nichtragende Rolle gespielt, sie es in architektonischer, politischer, militärischer, kultureller oder literarischer Hinsicht. Von der „Brücke am Kway“ bis zur Rahmetalbrücke spannt sich ein weiter Bogen. Zu den besonderen Brücken zählt auch eine Brücke ganz in der Nähe, die aber nur noch im Volksmund weiterlebt. Es ist die sogenannte Fünf-Pfennig-Brücke oder in anderer Schreibweise die Fünfpfennigbrücke. In ihr spiegelt sich die Geschichte von der stinkenden Kloake, der sogenannten „Köttelbecke“, des 19. Jahrhunderts zum heutigen „blauen Fluss“. Wer über die Emscher von Ebel nach Bottrop musste und die Kloake nicht schwimmend, sondern zu Fuß überqueren wollte, der hatte für jede Überquerung fünf Pfennig abzudrücken. Heute ist die Emscher-Insel ein etwa 34 km langer Landschaftsstreifen zwischen Rhein-Herne-Kanal und Emscher, auf dem knapp 1.600 Menschen wohnen. Ebel grenzt im Norden und Osten an die Bottroper Stadtteile Lehmkuhle und Welheimer Mark, im Süden an die Essener Stadtteile Dellwig und Bergeborbeck sowie im Westen an den Oberhausener Stadtteil Vondern.
Die Fünfpfennigbrücke hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Am Anfang stand eine einfache Holzbrücke, die von der Familie Devens, Eigentümerin von Haus Knippenburg (seit 1821), in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts errichtet worden war. Solche einfachen Holzbrücken waren nur für Fußgänger und Viehtrieb geeignet. Friedrich Leopold Devens war von 1859 bis 1868 Landrat des Kreises Essen. Wer die Brücke passierte, musste Wegezoll bezahlen. Zu diesem Zeitpunkt führte die träge fließende und mäandernde Emscher noch kristallklares Wasser und war äußerst fischreich. Bei Starkregen trat sie regelmäßig über die Ufer.
In der Besiedlungs- und Industrialisierungsphase des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurde das Ökosystem Emscher durch industrielle Abwässer und Fäkalien der Bevölkerung weitgehend zerstört. Sie wurde zunehmend zu einer Gefahr für die Gesundheit. 1901 kam es, ausgelöst durch ein Emscher-Hochwasser, zu einer Typhusepidemie, die rund 350 Menschen aus dem Gelsenkirchener Raum das Leben kostete. Die unhaltbaren hygienischen Zustände waren nicht zuletzt der Grund dafür, dass sich im Dezember 1899 Bergbau- und Industriebetriebe sowie die anliegenden Städte und Gemeinden zur Emschergenossenschaft zusammengeschlossen hatten. Zwischen 1906 und 1920 führte die Genossenschaft einen grundlegenden Umbau des Emschersystems durch. Zu den Maßnahmen gehörte die Begradigung und Tieferlegung der Emscher in ein Korsett aus Beton sowie der Bau von Pumpwerken und Kläranlagen.
Schon im Jahre 1861 hatte die 1856 gegründete Arenbergsche Actiengesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb (ab 1919 Rheinische Stahlwerke oder kurz Rheinstahl) mit der Kohleförderung auf Prosper I begonnen (benannt 1861 nach Herzog Prosper Ludwig von Arenberg). Täglich waren dort zu diesem Zeitpunkt 98 Bergleute beschäftigt. 1875 setzte die Kohleförderung auf Prosper II ein. Zuvor hatte die Arenbergsche Actiengesellschaft das Gelände um die Knippenburg jenseits der Emscher samt Brücke erworben. Wegen der ständig steigenden Zahl an Bergarbeitern und ihren Familien errichtete die die Gesellschaft nördlich von Prosper I auf Borbecker Gebiet Arbeiterwohnungen. Die Arbeiterkolonie wurde ständig erweitert, stieg doch die Zahl der Einwohner von Bottrop nicht zuletzt durch die Zuwanderung von Bergarbeiterfamlien von 4.000 (1856), über 11.000 (1880) und 25.000 (1900) auf 78.000 (1919) bei der Stadterhebung.
Fotos: Archiv der Emschergenossenschaft (Dank an Petra Baumers)
Für den täglichen Weg der Bergleute zur Arbeit auf Prosper II wurde vielleicht schon 1909, vielleicht aber auch erst 1912 (auch 1882 wird einmal genannt) die alte Holzbrücke durch eine neue Brücke ersetzt. Die Arenbergsche AG als neue Eigentümerin ließ das Brückengeld bestehen. Auch neue Brücke bestand komplett aus Holz und führte flach über die damals noch mäandernde Emscher. Bei einem schweren Unwetter, das die Emscher in einen reißenden Fluss verwandelte, wurde die Holzbrücke von den Fluten weggerissen. Danach gab es Reparaturen und notdürftige Nachbauten, doch wurde die Brücke schließlich so baufällig, dass sie abgerissen werden musste und vermutlich um 1921/1922 durch eine tragfähige eiserne Straßenbrücke ersetzt wurde. Der Gang über die Brücke war jedes Mal gleichbedeutend mit einem Grenzübertritt. Denn hierbei wechselte man von der preußischen Provinz Rheinland in die Provinz Westfalen. Da war eine Maut unverzichtbar. Nur den Bergleuten war auf dem Weg zur Arbeit in den Schächten von Prosper II in der Zeit von 12 Uhr bis 16 Uhr und von 19 Uhr bis 7 Uhr die kostenlose Nutzung gestattet. Alle anderen Passanten mussten am Wärterhäuschen fünf Pfennig Wegezoll entrichten. Für Fahrzeuge galten besondere Tarife.
Als Konstrukteur der Brücke wird ein Baumeister Brinkmann genannt. Der letzte Brückenwärter soll ein gewisser Prokorny gewesen sein, der von 1916 bis 1922 seinen Dienst im Wärterhäuschen verrichtete. Nach der einen Version wurde der Brückenzoll 1922 im Zuge der Inflation, nach einer anderen Version erst 1929/1930 nach der Eingemeindung von Ebel aufgehoben. 1934 übernahm die Emschergenossenschaft die Unterhaltung der Brücke. Die Fahrbahn war gerade mal zwei Meter breit. Während der dreiwöchigen Sperrung der Hafenstraße für Straßenbauarbeiten im März 1939 führte der gesamte Durchgangsverkehr von Essen nach Bottrop über die schmale Brücke. Schwere Lastwagen mussten zum Teil auch den aus einfachen Holzbohlen bestehenden Gehweg benutzen. Es wurde offensichtlich, dass die alte Brücke für das aktuelle starke Verkehrsaufkommen nicht mehr geeignet war. Im Zusammenhang mit dem Vorhaben, die Verbandsstraße am Bottroper Hauptbahnhof und an Bottrop-Süd vorbei über Ebel nach Essen zu führen, kam die Idee auf, die alte Brücke abzureißen und eine dem aktuellen Verkehr entsprechende neue Emscherbrücke zu bauen. Das Projekt scheiterte jedoch am Widerstand der Reichsbahn, die die Kosten für notwendige Überführungsbauten von zwei Brücken über die breiten Bahnlinien in Ebel scheute.
In den letzten Tagen des 2. Weltkriegs wurde die Fünfpfennigbrücke, wie alle anderen über die Emscher und den Kanal führenden Brücken, von den Nazis vor den herannahenden US-Truppen gesprengt. Ein Hochwasser, das in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 1946 den durch Bomben vorgeschädigten Damm im südlichen Gelsenkirchen-Horst, brechen ließ, führte zu Überschwemmungen in großen Teilen von Karnap, Bottrop und Osterfeld. Diesem Hochwasser fiel möglicherweise auch die marode Fünfpfennigbrücke in Ebel zum Opfer. Nach der Wiederherstellung 1946 durch die Emschergenossenschaft blieb sie für den gesamten Durchgangsverkehr in Betrieb, wurde dann aber 1973 wegen statischer Mängel für den Autoverkehr gesperrt. Der Bau einer neuen Brücke war notwendig geworden, weil wegen der zunehmenden Bergsenkungen die Gefahr bestand, dass die stinkende Emscher bei Hochwasser die Brücke zerstörte, über die Ufer trat und die angrenzenden Grundstücke überflutete.
Obwohl allen klar war, dass die Fünfpfennigbrücke schon lange nicht mehr in die verkehrspolitische Landschaft passte, lieferten sich die Emschergenossenschaft und die Stadt Bottrop einen jahrelangen Streit über die Konstruktion der Nachfolgebrücke und auch darüber, wer die Kosten übernehmen müsse. Als dann praktisch über Nacht bei den Vorbereitungen für den Bau einer neuen Brücke die bestehende Brücke für den Verkehr komplett gesperrt wurde, kam es zu heftigen Protesten in der Bürgerschaft. Denn durch die Sperrung der Brücke ging den Ebelern die Kurzverbindung zur Bottroper Innenstadt verloren. Die Lage beruhigte sich erst, als im April 1975 die neue Fünfpfennigbrücke fertiggestellt (Baukosten 1,4 Mio. DM) und für den Verkehr freigegeben wurde. Sie war mit einer Spannweite von 35 Metern für den Schwerlastverkehr bis zu 60 Tonnen zugelassen.
Zu diesem Zeitpunkt existierten in Höhe Bottrop-Ebel drei Brücken. Denn 1971 war das Teilstück der A42 zwischen dem AB Essen-Nord und dem AB Bottrop-Süd fertiggestellt worden. Vermutlich Ende Mai 1975 ist dann die alte Fünfpfennigbrücke endgültig abgerissen worden. Die Neukonstruktion wiederum wurde im Rahmen des Ausbaus der A 42 wieder abgerissen und durch eine neue Brücke, die heutige Emscher-Brücke an der Bahnhofstraße ersetzt.
Der Ausbau der Infrastruktur in der Arbeiterkolonie, mit dem man gegen Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hatte, zog sich über mehrere Jahre bis 1904 hin. In dieser Zeit entstanden unter anderem die evangelische Schule Vogelheim II (1902) und die katholische Schule Vogelheim III 1903. Dazu kamen notwendige Erweiterungen wie die „Kleinkinder-Bewahrschule“ und ein „Brausebad“. Zu dieser Zeit gehörte die Siedlung Ebel noch zur Bürgermeisterei Borbeck. Sie war begrenzt durch die Bottroper Straße im Süden und die Ebelstraße im Norden. Dazwischen lagen heute längst vergessene Straßen wie die Berthastraße, Alfredstraße, Oskarstraße und Ernststraße. In der Siedlung wohnten fast ausschließlich Arbeiter und Angestellte der Zechen Prosper I und Prosper II. 1914 wurde die Prosper-Kolonie durch den Bau des Rhein-Herne-Kanals von der Heimatgemeinde Borbeck abgeschnitten. 1915 kamen dann im Zuge der Eingemeindung Borbecks auch die Zeche Prosper I und die Arbeiterkolonie nach Essen. Grund war der Wunsch der Fa. Krupp, einen eigenen Zugang mit Hafen zum neuen Kanal zu haben.
Dem Wunsch der Rheinstahl Arenberg, Prosper I, die Hauptverwaltung und die anderen Prosper-Unternehmen an einem Ort zu haben, wurde die Umgemeindung der Zeche Prosper I mit allen Flächen südlich der Emscher (Hauptverwaltung, Feuerwehrwache, Schirrhof, Direktoren-Villa, Prosper-Wäldchen etc.) und der Prosper-Kolonie nach Bottrop am 31. Juli 1929 vollzogen. Das Areal wechselt somit von Rheinland nach Westfalen. Damit verlor die Fünfpfennigbrücke endgültig ihre ursprüngliche Bedeutung. Sie war, um es bildhaft auszudrücken, keinen Pfennig mehr wert. Gleichzeitig ging mit der Eingemeindung nach Bottrop der Brückenzoll seiner rechtlichen Grundlage verlustig. Doch hat sie sich in wechselnden Formen von der ersten Holzbrücke des 19. Jahrhunderts bis in den Anfang der 1980er-Jahre hinübergerettet. Die Fünfpfennigbrücke ist damit eine Jahrhundertbrücke.
Das ehemalige Areal der Zeche Prospekt I ist heute ein Gewerbegebiet zwischen A 42 und Rhein-Herne-Kanal, eingebunden von der Prosperstraße und der Bottroper Straße. In Ebel sind noch viele Häuser der ehemaligen Arbeiterkolonie erhalten geblieben. Unter der Autobahnbrücke der A42 am Ortseingang von Bottrop-Ebel kann man am Emscherradweg in der sogenannten „Emscher Galerie“ ein großformatiges Bild der Fünfpfennigbrücke sehen, gestaltet von Ebeler-Anwohnerinnen im Rahmen des Projekts „Soziale Stadt Ebel“ mit Unterstützung durch den Künstler Reinhard Wieczorek. Als Vorlage diente ein Foto, das der Fotograf der Borbecker Nachrichten, Kurt Wohlgemuth, im Jahre 1969 gemacht hatte. Einer der besten Kenner der Geschichte von Ebel ist der gebürtige Ebeler Helmut Brus, dessen Urgroßvater ab 1899 als Steinhauer auf der Zeche Prosper I gearbeitet hat.
Nicht weit von der Kolonie Ebel entfernt wurde zwischen Bahnhof Frintrop und Emscher für die Bergleute der Zeche Vondern eine Siedlung errichtet. Auf dem Weg zu der Schachtanlage mussten die Bergleute die Emscher überqueren. Für die Benutzung der Brücke, die dem Grafen Droste-Vischering vom „Haus Vondern“ gehörte, hatten sie ein tägliches Brückengeld zu entrichten. Nach langen Verhandlungen mit dem Eigentümer erwarb die Gutehoffnungshütte die Brücke, ließ sie abbrechen und in unmittelbarer Nähe der Schachtanlagen in der Verlängerung der Einbleckstraße wieder anbringen.
In Essen hat es noch eine weitere Fünfpfennigbrücke gegeben. Sie führte von Essen-Horst über die Ruhr nach Altendorf/Ruhr (heute nach der Eingemeindung 1970 Burgaltendorf). Erbaut 1901 wurde sie ab 1936 von der Altendorfer Bauernfamilie Schulte-Holtey betrieben. Auf der Altendorfer Seite befand sich ein Kassenhäuschen mit Schranke, an dem Fußgänger den staatlich genehmigten Wegezoll in Höhe von fünf Pfennig entrichten mussten. Eine von der Sprengung der Möhntetalsperre verursachte Flutwelle riss 1943 einen großen Teil der Brücke mit sich. Sie wurde provisorisch für Fußgänger wieder aufgebaut, jedoch 1958 auf Anweisung der der Landesregierung abgerissen. 1982 wurde eine neue Brücke – heutige die Schwimmbrücke Holtey – errichtet.
Fünfpfennigbrücken hat es auch anderswo gegeben, zum Beispiel die Pfennigbrücke in Celle, die Sechserbrücke in Tegel oder den „Fünferlsteg“ über den Inn in Passau. Deren Existenz schmälert jedoch keineswegs den Wert und die Bedeutung „unserer“ Fünfpfennigbrücke als historisches Bindeglied zwischen Borbeck und Bottrop und mit ihrem langen Weg von der „Köttelbecke“ zum „blauen Fluss“ als Symbol für die Transformationsprozess im Ruhrgebiet. (FJG)
Koerner, Andreas: Zeche Prosper I von 1856 bis 1922, in: Borbecker Beiträge 3/2003, S. 100-113.
Biewerth, Gerd/Stemplewski, Jochen (Hg.): Emschervertellekes. Eine Region und ihr Fluss, Klartext-Verlag, Essen 2004.
Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie Gmbh. (Hg.): Emscher 3.0. Von Grau zu Blau oder wie der blaue Himmel über der Ruhr in die Emscher fiel, Verlag Kettler, Bönen 2013.
Kurowski, Herbert: Die Emscher. Geschichte und Geschichten einer Flusslandschaft, Klartext-Verlag, Essen
Brus, Helmut: Schriftliche Mitteilungen per Mail an den Verfasser (09.05.23).
Auf dem Rad im Ruhrgebiet – ein Hauch von Europa weht uns entgegen. Ein Bericht von Stefan Hauer (eingestellt am 05.08.2022, http://www.wir-sind-europa.eu.) (Abgerufen am 05.50.2023).
Artikel im Internetportal KulturKanal (mit Foto vom Bild der Brücke). (https://kulturkanalruhr>emscher-galerie-weidende-schafe). (Abgerufen am 05.05.2023).
Stadtarchiv Bottrop: Artikel im Bottroper Anzeiger vom 19.03.1939, Artikel aus der Westdeutschen Allgemeinen vom 23.10.1971 und Artikel aus den Ruhrnachrichten vom 26.04.1975 (ein Dankeschön an Heike Biskup vom Stadtarchiv Bottrop).
Bilder von Prosper I um 1870 und um 1905 (https://www.ruhrzechenhaus.de).
Grütter, Heinrich Theodor, Paetzel, Uli (Hg.): Die Emscher. Bildgeschichte eines Flusses, Klartext-Verlag, Essen 2022
Fotos: Archiv der Emschergenossenschaft (Dank an Petra Baumers)