Bernhardine Sophia von Ostfriesland und Rietberg

Fürstäbtissin 1691-1726

Über die Äbtissin Bernhardine Sophia von Ostfriesland und Rietberg ist recht wenig bekannt. Im Pfarrarchiv von St. Dionysius Essen-Borbeck ist eine zeitgenössische Quelle aufbewahrt, in der es über sie heißt, dass sie „wegen ihrer übergroßen Talente, zumal ihrer glühenden Liebe zur Religion, der glänzenden Eigenschaften ihres Herzens, der Lauterkeit ihres Charakters und ihrer hervorragenden Geistesgaben eines besseren Loses und einer längeren Regierungszeit würdig gewesen wäre.“ (Küppers-Braun 333/334). Dagegen stehen andere Urteile, wie jenes von Robert Jahn in seiner „Essener Geschichte“, wonach sie eine selbstbewusste Fürstin gewesen sei, die einen doktrinären, absolutistischen Regierungsstil praktiziert habe.

Zur Welt kam Bernardine Sophia 1654 als Tochter von Johann IV. Graf von Ostfriesland und Rietberg und Anna Catharina Gräfin von Salm-Reifferscheidt. Ihr Vater, ein strammer Katholik, war spanischer Oberst und Domherr in Köln. Für seine Heirat 1647 mit Anna Catharina von Salm-Reifferscheidt, die kurz zuvor in Thorn zur Äbtissin gewählt worden war, erhielt er aus konfessionspolitischen Gründen päpstlichen Dispens. Die westfälische Grafschaft Rietberg (Bild oben: Wappen und Schloss) wäre sonst den Protestanten in die Hände gefallen. Nach dem Tod des Vaters 1660 bemühte sich die Mutter schon früh um die Stiftskarriere ihrer Tochter. Ihre Bemühungen scheiterten jedoch immer wieder am schwierigen Charakter der eigenwilligen Tochter, der ständisch geprägtes Handeln fremd war und die lieber den Einflüsterungen geistlicher Ratgeber folgte. Nach der Präsentation der Ahnentafel mit dem Nachweis der geburtsständischen Qualifikation im Juni 1659 wurde Bernhardine Sophia bereits drei Tage später zugelassen, ihre Emanzipation als gleichberechtigte Kapitularin erfolgte jedoch erst zehn Jahre später, im Oktober 1669. Die Gründe dafür sind nicht bekannt.

1672 wurde sie in Thorn aufgenommen, leistete dort von 1681 bis 1682 ihre Residenz (Probejahr)und ging von dort nach Vreden, wo sie 1688 zur Pröpstin gewählt wurde. Seit März 1689 war sie auf päpstliche Empfehlung Dechantin im Stift Essen. Im April 1691 wurde sie hier (im zweiten Anlauf) zur Äbtissin gewählt. Sie gehörte von Beginn an der 1694 von Jesuiten in der Essener Johanneskirche „Bruderschaft von der Todesangst unseres am Kreuz sterbenden Heilandes Jesu Christi und seiner schmerzhaften Mutter Mariä zur Erlangung einer seligen Sterbestunde“ an (zur Todesbruderschaft vgl. Andreas Koerner, Borbecker Beiträge 2/2007, S. 48-50). Bernardine Sophia starb am 14. August 1726 auf Schloss Styrum in Mülheim, dem Rückzugsort in den letzten Jahren ihres Lebens. Beigesetzt wurde sie in der Katakombe des Schlosses.

Die Biografie der Bernhardine Sophia weist einige auffällige Brüche auf. Das Jahr 1688 markierte einen Wendepunkt in ihrem Leben. Zum einen scheiterte ihr Bruder Franz Adolf bei dem Versuch, Wilhelm von Fürstenberg zum Erzbischof von Köln zu machen, zum anderen erlitt sie bei der Wahl der Äbtissin in Essen selbst eine Niederlage. Das hatte für Bernhardine Sophia neben dem Ehrverlust auch erhebliche finanzielle Folgen. Sie konnte aus verschiedenen erbschaftspolitischen Gründen von Seiten der Familie keine Unterstützung erwarten und war damit auf die Einkünfte aus ihren Ämtern angewiesen. Außerdem besaß sie im Unterschied zu ihren Vorgängerinnen keine Hausmacht. Nur bei den Jesuiten fand sie Unterstützung. Diese waren ihrerseits im Bestreben, die katholische Religion in Stadt und Stift wiederherzustellen, mit der von ständischen Interessen weitgehend freien, katholischen Äbtissin sehr zufrieden.

Siebzehn Jahre lang gehörte Bernhardine Sophia der Todesangstbruderschaft an, setzte sie 1714 als Haupterbin ein, enterbte sie sieben Jahre später aus nicht bekannten Gründen und verbannte das „Schändliche Geschmeise“, wie der Kanoniker Fabricius die Gesellschaft titulierte, vom fürstlichen Hofe. In keinem der vier Stifte – weder in Elten, Vreden, Thorn und Essen – hat sie feste Wurzeln schlagen und feste Bindungen zu den Stiftsdamen knüpfen können. Da ist es nicht verwunderlich, wenn die Fürstin „tief enttäuscht und verbittert“ aus dem Leben schied. (Küppers-Braun 152).

Ihre Schwester fünf Jahre ältere Maria Leopoldina, seit 1697 ebenfalls Mitglied der Todesangstbruderschaft der Essener Jesuiten, verließ das Stift Essen nach nur einem Jahr, war über zehn Jahre Dechantin in Elten, heiratete 1686 Oswald von den Bergh-s’Heerenberg und starb 1718 in Boxmeer (Niederlande). Eine Karriere der ganz anderen Art. (FJG)

Quelle: Ute Küppers-Braun: Frauen des hohen Adels im kaiserlich-freiweltlichen Damenstift Essen (1605-1803). Münster 1997). Karte unten: Stift Essen und Grafschaft Mark, Nicolas Sanson 1681

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