Bücking, P. Hermann, SVD

Hermann Bücking wurde am 7. November 1863 als Sohn des Schmieds Hermann Bücking in Borbeck geboren. Nach sechs Jahren Volksschule besuchte er die Borbecker Rektoratsschule. 1878 verließ der 15-jährige Hermann die Schule und arbeitete als Lehrling in der unterhalb der Pfarrkirche St. Dionysius im Weidkamp gelegenen väterlichen Schmiede, die 1802 von Franz Bücking gegründet worden war. Auf Wunsch des Vaters, der in der örtlichen Kirchengemeinde St. Dionysius als Vorsitzender des Gemeinderats stark engagiert war, erhielt Hermann Bücking durch einen Geistlichen in der Gemeinde Privatunterricht in Latein und Französisch.


Schmiede von Hermann Bücking sen. am Weidkamp in Borbeck um 1870, zweiter von rechts ist Hermann Bücking, der als Missionar nach Togo ging.

Durch einen Freund kam er in Kontakt zu den Steyler Patres. Nach einem Besuch des Missionshauses in Steyl wuchs in Hermann Bücking der Wunsch, Priester zu werden. Er bat den Gründer und Rektor des Missionshauses St. Michael in Steyl, P. Arnold Janssen (1837-1909), ihn als Schüler, nicht als Schmied, aufzunehmen. Am 6. April 1880 traf Hermann Bücking in Steyl ein. Dort begann er in der untersten Klasse seine schulische Ausbildung. Hermann Bücking erwies sich als ein fleißiger, frommer und ernster Schüler, der an freien Tagen gern in der Schlosserei aushalf. 1885 legte er das Schlussexamen es. Es folgten zwei Jahre Lyzeum (ebenfalls in Steyl), philosophisch-theologische Studien und die Profess. Nach einer Phase der Unsicherheit und des Zweifels empfing er am 11. Mai 1890 durch Weihbischof Antonius Fischer, den späteren Erzbischof und Kardinal von Köln, die Priesterweihe.

Im Sommer 1890 wurde P. Bücking in der Finanzverwaltung des Ordenshauses in Steyl eingesetzt. Diese ungeliebte Tätigkeit musste er nur für kurze Zeit verrichten. Schon im September 1890 wurde er als Prokurator und Spiritual an das ein Jahr zuvor gegründete Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzensdorf bei Mödling südlich von Wien versetzt. Ein Jahr darauf, im September 1891, rief ihn Generalsuperior P. Janssen gegen seinen Willen nach Steyl zurück. Dort musste P. Bücking, der unsicher war, ob er der Aufgabe gewachsen sein würde, als Unterpräfekt am Gymnasium die Schüler der drei unteren Klassen an den Missionsberuf heranführen. Die Schüler achteten P. Bücking als einen gerechten, gütigen und hilfsbereiten Erzieher, der unter anderem erholungsbedürftigen Schülern einen kostenlosen Urlaub auf dem Hof seines Vaters ermöglichte. Nach eigenem Bekunden fühlte er sich aber in der Rolle eines Lehrers und Erziehers nicht besonders wohl. So war er froh, als sich ihm völlig überraschend ein ganz anderes Tätigkeitsfeld auftat.

Am 13. März 1892 hatte der Präfekt der Propaganda-Kongregation in Rom, Kardinal Ledóchowski (1822-1902), die Gründung einer Apostolischen Präfektur Togo verfügt und sie der Steyler Missionskongregation anvertraut. Apostolischer Präfekt sollte nach dem Willen von P. Janssen der damals 29-jährige P. Bücking werden. Auf Druck der Ordensleitung musste P. Janssen einsehen, dass er mit P. Bücking einen viel zu jungen und unerfahrenen Obern für die Leitung der Steyler Mission vorgeschlagen hatte. Daraufhin wurde der sechs Jahre ältere P. Johannes Schäfer 1892 zum Präfekten bestimmt.

Am 11. November 1894 schiffte sich P. Bücking nach Togo ein und landete am 3. Dezember 1894 in Lomé, dem Haupthafen der deutschen Kolonie Togo, damals eine Stadt mit etwa 7.000 Einwohnern. Dort war P. Johannes Schäfer, erster Apostolischer Präfekt der Togo-Mission, zwei Jahre zuvor mit einigen Steyler Missionaren und Brüdern eingetroffen und hatte im September 1892 in Lomé eine kleine Missionsstation eröffnet. P. Bücking arbeitete sich rasch ein und leistete als Pfarrer der katholischen Gemeinde in Lomé gute Arbeit. So vehement machte er sich Tag und Nacht an die Arbeit, dass sich P. Janssen bemüßigt sah, ihn mit Rücksicht auf seine Gesundheit zur Mäßigung aufzurufen.

Geblättert in der Historie der Steyler Misisionare: Pioniere in Togo, rechts: der spätere Bischof in Papua-Neuguinea, P. Franz Wolf SVD, gebürtig aus Borbeck

Im Frühjahr 1894 erkrankte P. Johannes Schäfer an den Pocken und suchte in der Heimat Heilung. Diesen Umstand nahm die Ordensleitung zum Anlass, seine Amtszeit nicht zu verlängern. Sowohl die Kolonialbehörde als auch P. Janssen waren mit der Arbeit von P. Schäfer nicht zufrieden gewesen. Ohne sich in der Frage der Nachfolge mit Rom abzusprechen, hatte Generalsuperior P. Janssen schon gleich nach der Abreise von P. Schäfer P. Bücking als dessen Nachfolger ins Gespräch gebracht. Doch die Propagandakongregation in Rom entschied anders. Sie übergab am 18. Juli 1894 P. Matthias Dier bis auf weiteres die Leitung der Apostolischen Präfektur der Togo-Mission, die schließlich im Juli 1896 durch offizielle Ernennung durch Rom auf P. Bücking überging.

1898 nahm P. Bücking am dritten Generalkapitel in Steyl teil. Danach kehrte er, ausgestattet mit neuen Kenntnissen in der Methodik und Systematik einer effizienten Missionsarbeit, nach Togo zurück. Erwähnenswert ist vielleicht, dass mit dem 23-jährigen Steyler Missionar P. Franz Wolf am 2. Mai 1899 ein weiterer Borbecker in Togo eintraf, der 1909 zunächst Regionalassistent und ab 1911 Regionaloberer wurde. Über eine Zusammenarbeit mit P. Bücking ist nichts bekannt.

Als Apostolischer Präfekt machte sich P. Bücking zusammen mit P. Franz Müller (1868-1947) und sieben Patres, zehn Brüdern und sechs Schwestern an den Ausbau der bestehenden Hauptstationen und auf die Suche nach geeigneten Standorten für weitereMissionsstationen. Dazu unternahm er mehrere Erkundungsreisen ins Landesinnere. Im Mai 1900 konnte im Bezirk Atakpomé, Knotenpunkt von mehreren Karawanenstraßen, die erste Station eröffnet werden. Dort wurde 1905 auch eine Steyler Schwesternniederlassung gegründet.


P. Franz Müller, Bückings Mitstreiter, bei seiner Ausreise 1896 mit P. August Arand nach Togo, Foto: Society oft he Divine Word (SVD) Generalate Archivs, Rom

Die Errichtung von Missionsschulen lag P. Bücking besonders am Herzen. Unterstützt wurde er dabei vor allem von P. Jakob Hoffmann, der die Landessprache beherrschte, und von P. Heinlein. Auf seine Handwerkerschule in Lomé war P. Bücking besonders stolz. Sie wurde bald Vorbild für andere Afrika-Missionen. An dieser Schule erteilte P. Bücking Religionsunterricht in den oberen Klassen. Als Erzieher hielt er auf Zucht und Ordnung, war aber stets gerecht und freundlich. Auf die qualifizierte handwerkliche Ausbildung legte der gelernte Schreiner besonderen Wert. Wiederholt bat er P. Janssen, nur gut ausgebildete Brüder nach Togo zu schicken. Unter der Leitung von P. Bücking konnte das Steyler Missionsschulwesen systematisch immer weiter ausgebaut werden. In den Missionsschulen ging es primär um Charakterbildung und weniger um Wissensvermittlung.

1897 verlegte die Kolonialbehörde ihr Verwaltungszentrum nach Lomé in die unmittelbare Nähe der Hauptstation der Steyler Missionare. P. Bücking verhielt sich gegenüber den deutschen Kolonialbeamten zunächst reserviert. Was ihm über die Moral einiger Beamter und Offiziere zugetragen wurde, bestärkte den sittenstrengen P. Bücking in seiner distanzierten Haltung. Vielen Europäern, die mit ihm in Berührung kamen, galt er als Glaubenseiferer, lag mit den Kolonialbehörden ständig überkreuz und schuf sich durch seine sture, dogmatische Haltung nicht nur Freunde.

Über die persönlichen Befindlichkeiten der Missionare in Bezug auf Rassenhygiene, bürgerliche Ehe und Polygamie hinaus stießen in Togo zu Beginn des neuen Jahrhunderts in den Nachwehen des Kulturkampfes kontroverse und diametral entgegengesetzte koloniale und missionarische Normgefüge aufeinander. Die in allen deutschen Kolonialgebieten vorherrschende Rechtsunsicherheit in der Sanktionierung von Normabweichungen gab es auch in den kleinen Handlungs- und Beziehungsräumen. Die lokalen Konflikte zwischen Kolonialbeamten und Missionaren waren keine Einzelfälle. Sie verweisen nur darauf, dass Kolonien Gewalträume waren, in denen eine vom alltäglichen Rassismus gespeiste strukturelle Gewaltkultur herrschte, die Zwangsarbeit, Prügelstrafe und Vergewaltigungen implizierte. In den Augen der Kolonialherren galten die Eingeborenen als minderwertig.

Zu den schwerwiegendsten Herausforderungen für P. Bücking gehörte ohne Zweifel die in Togo weit verbreitete Polygamie und das darauf entstehende Problem der Zulassung zur Taufe. Die Konflikte mit der Kolonialverwaltung hatten zwar schon 1900 mit der Ankunft von P. Müller in Atakpamé begonnen, doch verschärften sie sich zunehmend unter dem wenig kompromissbereiten Bücking. An seiner starren Haltung scheiterten alle Versuche, gute Beziehungen zur Kolonialregierung aufzubauen. Ihm war das sittliche Fehlverhalten der Kolonialbeamten und ihr Umgang mit den Einheimischen ein Dorn im Auge (Zwangsarbeit, Vergewaltigung, Züchtigung, Polygamie). Er propagierte das Ideal der katholischen Ehe und Familie und war außerstande zu verstehen und zu akzeptieren, dass die Praktiken der weißen Bevölkerung bezüglich Sex und Gewalt keine Randerscheinungen waren, sondern zum kolonialen Alltag gehörten.

Im Zentrum der Kritik der Missionare stand der deutsche Kolonialbeamte Georg Albert Ferdinand („Geo“) Schmidt. Geboren 1870 in Reppen bei Brandenburg, war er als studierter Land- und Forstwirt nach mehrjähriger Tätigkeit als Pflanzer und Farmer in Britisch-Indien im Dezember 1899 in den Kolonialdienst aufgenommen und im Frühjahr 1900 zum Bezirksleiter von Atakpamé, das damals 2.000 Einwohner zählte, ernannt worden. Er soll im Oktober 1900 ein einheimisches Mädchen vergewaltigt und einen Chief, einen Stammesführer, zu Tode geprügelt haben.

Dass Schmidts Gewaltexzesse bekannt wurden, ist den Steyler Missionaren zu verdanken. Sie führten, an ihrer Spitze P. Müller, mit ihm einen erbitterten verbalen und schriftlichen Schlagabtausch. Sie verstanden sich als Sprachrohr und Anwälte der Armen und Unterdrückten und sahen ihre vornehmste Bestimmung darin, in der einheimischen Bevölkerung den christlichen Glauben und ihre Auffassung von Sauberkeit und Sittlichkeit zu verbreiten. Dabei stellten sie die Strukturen der kolonialen Gewaltherrschaft nicht in Frage. Ihnen war zum Beispiel nicht bewusst, dass sie durch ihre Missionierung tradierte religiöse und kulturelle Praktiken der lokalen Bevölkerung zerstörten.

Auf den zentralen Themenfeldern von Moral, Arbeit, Ökonomie, Religion, Bildung und Kultur gerieten die Missionsstationen und die Kolonialverwaltung immer wieder aneinander. Die humanitär eingestellten Missionare lagen im Streit mit einem ehrgeizigen und karrierebewussten Kolonialbeamten, der für die Durchsetzung seiner hochgesteckten Ziele wie Straßen- und Eisenbahnbau oder Anlage einer Baumwollplantage (die letztlich am Widersand der lokalen Bevölkerung scheiterte) nicht vor Prügelstrafe und Zwangsarbeit zurückschreckte und seine Macht in einem rechtsunsicheren Raum ungehemmt ausleben konnte.

Im kleinen, überschaubaren Atakpamé (in Togo lebten damals unter einer Million Afrikanern nur etwa 300 Deutsche, je ein Drittel davon waren Beamte, Kaufleute und Missionsangehörige) waren die Kolonialbeamten miteinander befreundet. Bei Gerichtsverfahren traten sie in unterschiedlichen Rollen auf – als Zeuge, Anwalt, Gutachter oder Richter. Gerichtsverhandlungen waren pseudojuristische Verfahren, die der bloßen Inszenierung von Rechtsstaatlichkeit dienten. So waren Schmidts Entlastungszeugen durchgängig deutsche Beamte, die selbst Beziehungen zu afrikanischen Frauen unterhielten. In seinem Privatleben unterschied sich Bezirksleiter Schmidt nicht von den übrigen Europäern vor Ort.

Von den Missionaren ist bekannt, dass sie seit Beginn ihrer Missionstätigkeit in Togo jede tatsächliche oder vermeintliche Verfehlung nicht nur nach Berlin, sondern auch dem Vorgesetzten in Steyl, P. Janssen, meldeten, der seinerseits die Beschwerden nach Rom an die für Missionsangelegenheiten zuständige Abteilung „sacra congregatio propaganda fide“ weiterleitete. Generalsuperior P. Janssen droht schon 1893 dem Auswärtigen Amt, wegen des Sexualverhaltens einiger Kolonialbeamter an die Presse zu gehen. In seinem 12-seitigen Erfahrungsbericht aus dem Jahre 1899 beklagte P. Bücking ausführlich und anhand von Beispielen die Zunahme an „Huren, Konkubinen und Mischlingen“ und den menschenunwürdigen Umgang der herrschenden Klasse mit der einheimischen Bevölkerung im Missionsgebiet. Das Thema Zwangsarbeit spielte in seinem „Sittenbild“ eine untergeordnete Rolle. Tatsächlich konnte P. Bücking Tag für Tag erleben, wie die Menschenwürde der indigenen Bevölkerung mit Füßen getreten wurde. Ein schlimmes Beispiel dafür ist das Lied „Bibel und Flinte“, das in den 1890er-Jahren in Togo gesungen wurde. Die erste Strophe ging so:

Was treiben wir Deutsche in Afrika? Hört, hört!
Die Sklaverei wird von uns allda zerstört.
Und wenn so ein Kaffer von uns nichts will,
Den machen wir flugs auf ewig still.
Piff paff, piff paff, hurra!
O glückliches Afrika.

Auch die Schulfrage spielte in dem Konflikt mit der deutschen Kolonialverwaltung eine Rolle. Dabei ging es darum, dass der Unterricht in den Missionsschulen in Englisch und Ewe, der Sprache der Eingeborenen, und nicht in Deutsch erteilt wurde. Der Kolonialverwaltung war dies ein Dorn im Auge. Jesso von Puttkamer, seit 1893 Landeshauptmann von Togo, verstand das Erlernen der deutschen Sprache als nationale Aufgabe. Nach seiner Auffassung müsse dem „Ewe-Neger“ eine Kultursprache beigebracht und dem Land „Deutschtum“ vermittelt werden. P. Bücking und seine Mitbrüder ignorierten die Anweisungen der Verwaltung. Das veranlasste Bezirkschef Schmidt im Januar 1901 zu einer Eingabe an den Gouverneur, in der die mangelnde Kulturleistung der Missionsschulen kritisierte.

Der Konflikt wurde mit gegenseitigen Anschuldigungen öffentlich ausgetragen. Vor dem Obergericht für die Schutzgebiete Togo und Kamerun erhoben die Steyler Missionare in der Person von P. Müller im Jahre 1902 Klage gegen Bezirkschef Schmidt wegen unsittlicher Lebensführung, Vergewaltigung und Prügelstrafe mit Todesfolge. Bezirkschef Schmidt seinerseits wies in seinem Beschwerdebrief vom August 1903 an das kaiserliche Bezirksgericht von Togo sämtliche Vorwürfe zurück und unterstellte den Missionaren, dass sie bewusst Lügen verbreiten würden, um seine Stellung im Bezirk zu untergraben und Unfrieden in Atakpamé zu säen. Um gegen die vermeintlichen Rädelsführer eines angeblich bevorstehenden Aufstands gegen die Kolonialbehörde eine klares Zeichen zu setzen, ließ er einige Missionare und Laienbrüder der Steyler Station 1903 drei Wochen lang in einem Untersuchungsgefängnis einsperren. Erst auf Intervention des Gouverneurs wurden sie wieder freigelassen.

Versuche des Gouverneurs, den Streit zu schlichten, scheiterten am Widerstand von P. Bücking, der sich als Vorgesetzter bei einer internen Besprechung Anfang 1904 in Berlin beharrlich weigerte, Schmidts Hauptkontrahenten, P. Franz Müller, und auch P. Witte aus Togo abzuziehen und nach Hause zu schicken. Schmidt jedoch, der Ende 1903 freigesprochen worden war, musste Atakpamé verlassen, wurde Anfang 1904 nach Kamerun versetzt und fand später in Deutsch-Ostafrika und in der deutschen Gesandtschaft von Mexiko eine neue Anstellung. 1943 ist er gestorben.

Als Fazit von Schmidts Amtszeit in Atakpamé ist festzuhalten, dass er seine Aufgabe als Bezirksleiter – die Aufrechterhaltung und Durchsetzung des staatlichen Gewaltmonopols – auch wegen des Widerstands der Missionare nicht erfüllen konnte. Die einheimische Bevölkerung reagierte auf seine Praktiken und drakonischen Strafmaßnahmen mit Arbeitsverweigerung und Abwanderung in andere Gebiete. Auf der anderen Seite blieben aber auch die Missionierungsversuche ohne tiefgreifende Wirkung. Die Prügelstrafe ist nicht abgeschafft worden, die sexuellen Verhältnisse bestanden weiter, die lokale Bevölkerung bekam nicht mehr Rechte – mit anderen Worten: In Togo veränderte sich so gut wie nichts.

Die unzähligen Briefe nach Berlin, in denen die Missionare Schmidts Treiben schilderten, sind beredete Zeugnisse des grundlegenden Konflikts im kolonialen Raum. Abgeordnete im Berliner Reichstag glaubten, aus ihren Klagen eine Gefährdung der Zivilisation und Kultur in den Kolonien durch brutale Kolonialbeamte ableiten zu können. Schließlich landete die „Togofrage“ gegen den Willen von P. Bücking, der den Streit nicht an die Öffentlichkeit bringen wollte, sogar vor dem Reichstag. Anhand der vorliegenden Dokumente kann man den Eindruck gewinnen, dass der kleine, lokal begrenzte Konflikt in Atakpamé von Vertretern der katholischen Sittlichkeitsbewegung und vom Zentrum seit dem Sommer 1906 zum „Skandal in Togo“ medial aufgebauscht wurde. Die strategisch angelegte Inszenierung, die  von Seiten des Zentrums gegen die Weiterführung der Kolonialkriege angelegt war, gipfelte in der Reichstagsrede des Zentrumabgeordneten Wilhelm Roeren (1844-1920) vom 3. Dezember 1906, in der dieser schwere Vorwürfe gegen Georg Schmidt und die Praktiken der deutschen Kolonialregierung erhob. Allerdings fand Roerens Rede nicht bei allem Zentrumsabgeordneten Zustimmung.

Die Debatte im Reichstag nahm die Kolonialbehörde in Togo zum Anlass, die Bestrafung von P. Müller und die Ausweisung des Apostolischen Präfekten P. Bücking zu fordern. Ohne jede Rücksprache mit P. Janssen in Steyl und P. Bücking in Togo verhandelte die deutsche Regierung direkt mit Rom. Da die Reichsregierung den Vatikan zu raschem Eingreifen drängte, ordnete Kardinal Gotti (1834-1916), Präfekt der Missionskongregation, „um des lieben Friedens willen“ gegen den Protest von P. Janssen bei Kardinal Gotti und beim preußischen Gesandten in Berlin den Rücktritt von P. Bücking vom Amt des Apostolischen Präfekten und die Ausweisung weiterer unbequemen Missionare aus Togo an.

P. Bücking beugte sich schweren Herzens der Entscheidung in der festen Überzeugung, nichts Unrechtes getan, sondern stets nach dem Grundsatz „Frieden und Einheit, aber nicht um jeden Preis“ gehandelt zu haben. Sein Rücktritt, so P. Bücking, sei kein Schuldeingeständnis, sondern erfolge ausschließlich um des Wohls der Mission willen. Während P. Anton Witte in Togo bleiben durfte und 1918 als letzter deutscher Missionar Togo verließ, nahmen P. Bücking und P. Müller schweren Herzens, enttäuscht und tief gedemütigt am 27. November 1907 Abschied von Togo, bestiegen in Anecho einen französischen Dampfer und kehrten über Marseille und Paris nach Steyl zurück. Kurz darauf wurde P. Müller von seinem Orden nach Paraguay in die „Indianermission“ geschickt.

Generalsuperior Janssen nahm sich des psychisch stark belasteten P. Bücking so gut es ging an. Er übertrug ihm rasch eine andere, leichtere Aufgabe und ernannte ihn nach der unfreiwilligen Rückkehr aus der Togo-Mission zum Rektor des eben erst gegründeten Missionshauses St. Rupert in Bischofshofen bei St. Johann im Pongau. Seine Hauptaufgaben bestanden darin, den weiteren Ausbau des Hauses zu begleiten und die Kontrolle über die hauseigene Landwirtschaft zu übernehmen. Das war eine im Vergleich zur Missionstätigkeit in Togo leichte Tätigkeit. Das Missionshaus zählte anfangs nur einige wenige Patres, Brüder und Schüler.

Nach dem Tod von Generalsuperior P. Janssen im Jahre 1909 wählten die Mitglieder des Kapitels der europäischen Region P. Bücking zum Delegierten des Generalkapitels in Steyl. Im Juni 1910 ernannte ihn Janssens Nachfolger P. Nikolaus Blum zum Novizenmeister der Brüder in Steyl. Dieses Amt übte P. Bücking, neben seiner Aufgabe als Delegierter im Generalkapitel in Steyl, fast zwanzig Jahre aus. Die Verantwortung für die jungen Novizen lastete schwer auf dem herzensguten, aber zuweilen zögerlichen und entscheidungsschwachen P. Bücking. Dennoch konnte er in seiner Amtszeit von den insgesamt 600 Novizen 400 zu den ersten Gelübden führen. Viele Novizen behielten den Novizenmeister P. Bücking als eine liebenswerte Persönlichkeit in Erinnerung, der die jungen Menschen nicht mit hochgelehrten Unterweisungen traktierte, sondern allergrößten Wert auf das beharrliche praktische Tun legte.

Im Sommer 1929 rief der Generalsuperior P. Wilhelm Gier den bewährten Novizenmeister aus Steyl ab und ernannte ihn zum Rektor eines kleinen Studienkollegs in Münster, in dem sich Patres durch ein Studium an der Universität auf den Lehrberuf vorbereiteten. P. Bücking hielt zu den Geistlichen der Pfarrkirche St. Antonius in Münster regen Kontakt und leistete oft Amtshilfe im Beichtstuhl. Am 10. Juni 1931 nahm er am Hochamt in der Pfarrkirche teil. Nach der Rückkehr ins Kolleg brach er zusammen, empfing noch die Krankensalbung und starb. Er wurde auf dem Friedhof in Steyl beigesetzt.

Nach seinem Tod wurden die Hauptstationen in Togo angewiesen, ein Requiem für P. Bücking zu feiern. Außerdem wurde sein Lebenslauf in die Landessprache übersetzt und in allen Kirchen verlesen. (FJG)

Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Bücking_(Missionar) – aufgerufen am 04.12.20. – P. Johannes Fleckner SVD (Hrsg.): So waren sie. Steyler Missionare in 19 Ländern, St. Augustin 1991. – Martin Greschel: Christentum und Erster Weltkrieg – Versuch eines globalen Überblicks. In: Teilungen überwinden. Europäische und internationale Geschichte (Hrsg. von Michaela Bachem-Rehm, Claudia Hiepel, Henning Türk), Oldenbourg Verlag 2010. – Rebekka Habermas: Skandal in Togo. Ein Kapitel deutscher Kolonialherrschaft. Frankfurt/M. 2016.

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