Anna Eleonora Freiin von Staufen

Fürstäbtissin 1645-1646

Anna Eleonora Freiin von Staufen war nur ein Jahr lang Fürstäbtissin im Damenstift Essen. Sie wurde am 24. Januar 1645 einstimmig zur Äbtissin des Stifts Essen postuliert, kehrte vermutlich erst Ende des Jahres krank aus Thorn zurück und starb am 24. April 1646 in Essen. Mit ihrem Tod war die Zeit der Gegenreformation im Stift beendet.

Anna Eleonora ist die Tochter von Georg Leo Herr zu Staufen (gestorben 1602) und Margaretha Truchseß von Waldburg-Trauchburg (gestorben 1612). Die väterliche Herrschaft Staufen im Breisgau war wegen des Fehlens männlicher Erben mit dem Tod des Vaters an Österreich zurückgefallen. Anna Eleonara und ihre Schwester Johanna Helena (gestorben 1638) waren daher darauf angewiesen, ihren Lebensunterhalt auf andere Weise sicherzustellen. Das war in der damaligen Zeit über die sogenannten Pröven oder Präbenden in den Damenstiften möglich.

Zum besseren Verständnis möge ein kurzer Exkurs zu den wirtschaftlichen Grundlagen des Stifts beitragen. Es gab Güter, über die nur das Damenkapitel und die Äbtissin verfügten. Daneben gab es die stiftischen Oberhöfe, aus denen beide Kapitel Einkünfte bezogen. Alle Abgaben an Naturalien wurden auf den Oberhöfen gesammelt und nach einem bestimmen Schlüssel aufgeteilt. Seit dem 14. Jahrhundert bekamen die Damen aus dem stiftischen Grundbesitz 50 Anteile oder „Pröven“, die Kanoniker 20 Anteile. Präbenden waren ursprünglich Schenkungen. Später bezeichnete man damit auch das feste eigene Einkommen aus einem weltlichen oder geistlichen Amt.

Beide Schwestern waren in fünf Stiften präbendiert. Johanna Helena zum Beispiel hatte Präbenden in Buchau, in St. Ursula in Köln (Äbtissin seit 1607 Äbtissin), in Essen, Vreden und Rellinghausen, wo sie jeweils das Amt der Pröpstin innehatte. Anna Eleonara war Dechantin (seit 1612) und Äbtissin in Thorn (seit 1633). Präbenden hatte sie in St. Ursula, im Stift Vreden und im Stift Eltern. Im Damenstift Essen wurde sie bereits 1612 präpendiert. Von 1614 bis 1621 bekleidete sie das Amt der Küsterin. Am 11. August 1621 wurde sie vom Damenkapitel auf Vorschlag ihrer Schwester zur Dechantin gewählt.

Wie sehr Anna Eleonora materielle Interessen verfolgte bzw. verfolgen musste, geht daraus hervor, dass sie das arbeitsintensive, aber wenig ertragreiche Amt der Dechantin nur unter der Bedingung annehmen wollte, dass ihre Bezüge erhöht würden. Mit Nachdruck – unter anderem mit der Androhung der Amtsniederlegung – setzte sie eine zweimalige Erhöhung beim Damenkapitel durch.

Die Umstände ihrer Wahl zur Dechantin in Thorn sind ebenfalls geeignet, die aus der materiellen Unsicherheit erwachsende pragmatische Einstellung der Anna Eleonora zu veranschaulichen. Bereitwillig ließ sie sich nicht zuletzt aus ökonomischen Gründen von der päpstlichen Nuntiatur instrumentalisieren. Um die Wahl einer Protestantin zu verhindern, legte der päpstliche Nuntius dem Essener Damenkapitel die Kandidatin Anna Eleonora ganz besonders ans Herz. Sie sei durch und durch katholisch, zwar äußerst arm, aber von vornehmer Herkunft. Am 17. März 1612 nahm die römische Kurie seinen Vorschlag an.

Auch bei der Wahl einer Koadjukatorin für die alternde Thorner Äbtissin Anna von der Mark erhielt Anna Eleonora Beistand vom päpstlichen Nuntius Carafa. Er verfasste ein negatives Gutachten zu der von der amtierenden Äbtissin als Nachfolgdrin favorisierten minderjährigen Kandidatin. Anna Eleonora hingegen sei eine reife Frau und stehe für kirchliche Disziplin. Der Einsatz des Nuntius war vergeblich. Anna Eleonora verlor die Wahl am 11. März 1631 gegen die fünfzehnjährige Konkurrentin. Doch diese überließ der Verliererin trotz päpstlicher Bestätigung das Amt und heiratete gegen den Willen ihres Vaters Ende 1632 Hermann Friedrich Graf von Berg. Damit war der Weg frei für Anna Eleonora. Im Jahre 1633 konnte sie ihren Eid als Äbtissin von Thorn ablegen.

Bei der Wahl zur neuen Äbtissin im Stift Essen konnte man auf die bis dahin üblichen konfessionspolitischen Strategien verzichten, da die konfessionellen Gegensätze spätestens seit dem Auszug der Jesuiten aus dem Stift Essen nicht mehr durch „Missionierung“ für den katholischen Gauben ausgetragen wurden. Man wollte von katholischer Seite lediglich das Erreichte festigen. Dafür schien Anna Eleonora die geeignete Kandidatin zu sein. Am 24. Januar 1645 wurde Anna Eleonora einstimmig zur Äbtissin des Stifts Essen postuliert. In ihrer Wahlkapitulation hatte sie sich formal dazu verpflichtet, ständig in Essen zu residieren. Am 9. Oktober 1645 erfolgte die offizielle Bestätigung ihrer Wahl durch den Papst. Ende des Jahres kehrte sie krank aus Thorn nach Essen zurück. Dort starb sie nur wenige Monate später am 24. April 1646. (FJG)

Quellen: Ute Küppers-Braun: Frauen des hohen Adels im kaiserlich-weltlichen Damenstift Essen (1605-1803). Münster 1997. – Ute Küppers-Braun: Macht in Frauenhand. 1000 Jahre Herrschaft adeliger Frauen in Essen. Essen 2002.

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