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Nach der Gründung des Deutschen Reiches im Jahre 1871 wurden die gerichtlichen Strukturen vereinheitlicht. Es entstand nach dem Gerichtsverfassungsgesetz von 1877 der Aufbau des Gerichtswesens mit der Reihenfolge: Amtsgericht, Landgericht, Oberlandesgericht und Reichsgericht. Bereits am 6. Mai 1873 schlossen der Präsident des Appellationsgerichts in Hamm und der Borbecker Bürgermeister Carl Kruft einen Vertrag. Borbeck wurde ein Amtsgericht zugesagt, wenn es am 1. Oktober 1879 bezugsfertig ist. Die enormen Kosten für das Amtsgerichtsgebäude musste Borbeck bezahlen.
Den Bauplatz erhielt die Landgemeinde Borbeck vom Gutsbesitzer Hermann Wilhelm Leimgardt geschenkt. Gleichzeitig waren in Essen die Amtsgerichte Essen, Steele und Werden eingerichtet worden. Das Borbecker Amtsgericht stand an der Ecke Rechtstraße und Gerichtstraße. Der erste Richter des Borbecker Amtsgerichts hieß Theodor Essing (1841- 1899). Nach ihm wurde 1931 in Borbeck eine Straße benannt. (Ludwig Wördehoff: Borbeck in seinen Straßennamen. Essen 1987, S. 34) Das Gebäude brannte nach einem Fliegerangriff am 12. März 1943 fast völlig aus. Das Amtsgericht Borbeck zog ins Landgerichtsgebäude an der Zweigertstraße.
Da in der Nazizeit die Rechtsverhältnisse anders waren, flechte ich hier einen Satz aus dem Buch "Rechtsgeschichte" von Friedrich Ebel und Georg Thielmann ein: "Neben diesen 'rasserechtlich' motivierten Rechtsänderungen im Familien-, Erb- und Mietrecht gab es ideologisch orientierte Änderungen vor allem für die Bereiche des Eigentums- und Arbeitsrechts." (S. 442) Dem Borbecker jüdischen Rechtsanwalt und Notar Martin Margoninsky (1881 - 1959) wurden seine Zulassungen entzogen. Es gelang ihm jedoch, durch Flucht nach Kanada der Ermordung als Jude zu entgehen. (Bernd Schmalhausen: Schicksale jüdischer Juristen aus Essen 1933 - 1945. Essen 1994, S.93)
Bekannt wurde der Borbecker Rechtsanwalt und Notar Georg Oskar Pfalzgraf (1901-1976), weil er als Soldat am 7. Oktober 1942 mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet wurde. (Erwin Dickhoff / Birgit Hartings: Essener Köpfe. Neuaufl. Essen 2015, S. 270-271) Über seine berufliche Tätigkeit wurde leider bisher nichts gedruckt. Es hat auch in Essen ein nationalsozialistisches Sondergericht gegeben, das für alles Mögliche schwere Strafen verhängte. (Frank Roeser: Das Sondergericht Essen 1942 - 1945. Baden-Baden 2000) Der Borbecker Historiker Ernst Schmidt hatte 1958 bis 1960 veröffentlicht, dass Richter und Staatsanwälte an Sondergerichten Todesurteile für Bagatelldelikte gefällt hatten und nach dem Krieg in Essen unbehelligt weiter tätig waren. Das Amtsgericht Borbeck wurde dabei nicht erwähnt. (Ernst Schmidt: Vom Staatsfeind zum Stadthistoriker. Essen 1998, S. 92 - 95)
Nach dem Krieg wurde in Borbeck ein neues Amtsgerichtsgebäude erbaut auf einem Grundstück, auf dem das alte Rathaus von Borbeck stand, das ebenfalls durch Bomben zerstört worden war. (Das neue Rathaus auf der anderen Straßenseite wurde erst 1971 abgerissen.) Am 3. November 1953 wurde das neue Amtsgerichtsgebäude eröffnet. Im Januar 1967 wurde ein Erweiterungsbau bezogen. Zuständig ist das Amtsgericht Borbeck für die Borbecker Stadtteile einschließlich Vogelheim (Stadtteil 50), der kommunalpolitisch nach Altenessen verschoben wurde.
Neben in Borbeck gibt es noch in Steele ein Amtsgericht in einem Stadtteil. Das Amtsgericht Werden wurde am 1.1.1975 geschlossen. Abgeben musste das Amtsgericht Borbeck Handelssachen an das Amtsgericht Essen. Zuständig ist es für Zivilsachen in erster Instanz, als Familiengericht, in Strafsachen für Kleinkriminalität, außerdem in Betreuungsverfahren, als Nachlassgericht und in Grundbuchsachen.
(Andreas Koerner)