1600-1800: Vom großen Krieg bis zum Ende des Stifts

Gegenreformation

Die Zeit der Gegenreformation in Stift und Stadt Essen bringt 1616 eine Religionsordnung, 1628 die Besetzung der Stadt und die erste Berufung der Jesuiten in die Stadt. Der Borbecker Pastor Jacob Burrichter (1615-1636) ordnet die kirchlichen Verhältnisse, begründet das Pfarrarchiv und das Schulwesen. 1624 wird ein Schulgebäude erstellt, der Schullehrer aus mehreren Stiftungen unterhalten. 1628 wird die Borbecker Gottestracht neu geordnet und auf den Sonntag vor Pfingsten gelegt. Die fünf- bis sechsstündige Prozession geht zuerst zum ersten Segen zunächst nach Vogelheim, dann über Bochold zwischen Möllhoven und Schönebeck nach Bedingrade, nach einer Rast weiter nach Frintrop und über die Lipperheide, Dellwig und Gerschede zurück nach Borbeck.

Der seit 1618 in ganz Deutschland tobende Dreißigjährige Krieg sucht jetzt auch das Stiftsgebiet mit wechselnden fremden Besatzern heim: Borbeck wird mehrmals geplündert, 1628 brechen die Kaiserlichen Truppen die Kirche auf und rauben die Gelder der Armenstiftung. Die Äbtissin flieht nach Köln, Abtei und Haus Borbeck verfallen und werden erst unter Anna Salome von Salm-Reifferscheidt (1646-1688) wiederaufgebaut. Sie erneuert 1647 die Bestimmungen über die gemeinsame Nutzung der Borbecker Mark und verabschiedet nach 20-jähriger Vorarbeit eine Landmatrikel mit allen bäuerlichen Anwesen. 1661 brandschatzten brandenburgische Truppen das Dorf, plündern die Kirche und besetzen Schloss Borbeck.

Borbecker Bauernsturm

1662 treten die Stiftsbauern wieder für die landesherrlichen Ansprüche der Fürstäbtissin an: Sie lässt Borbecker Schützen und bewaffnete Untertanen die Stadt Essen besetzen. Der sogenannte „Borbecker Bauernsturm“ wird kurze Zeit später durch das Eingreifen des brandenburgischen Kurfürsten unblutig zu Ende gebracht, der seit 1648 erblicher Essener Schutzvogt ist. Ordensgeistliche der Kapuziner und Jesuiten intensivieren die Glaubensunterweisung und erreichen bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts eine beherrschende Position in der Stiftsverwaltung. Neue Frömmigkeitsformen und Andachten werden eingeführt, 1687 gestattet die Fürstäbtissin den Kirchspielangehörigen eine feierliche Prozession nach Kevelaer (Gnadenort seit 1642) und in der Borbecker Kirche wird ein neuer Hochaltar errichtet. Auch auf der heute zu Oberhausen gehörenden Lipperheide ist seitdem regelmäßige Christenlehre zu halten.

Ausbau der Landesherrschaft

Mit wechselndem Erfolg nehmen nun die Äbtissinnen den Ausbau einer absolutistischen Herrschaft in Angriff. Fürstin Franziska Christine beginnt 1745 mit dem letzten umfassenden Umbau des Borbecker Schlosses, das damals seine heutige Gestalt erhält. Zweimal lässt sie das Schloss vergrößern und gestaltet den Schlosswald zu einem Park mit Kaskaden, geometrischen Beeten, einer Insel, Tempel und Ruinen nach dem Geschmack der Zeit. Die Orden verstärken in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre religiösen Bemühungen und auch in der Bauerschaft Borbeck werden Frömmigkeitsformen neu belebt.

1769 wird die Andacht zu Ehren des zweiten Pfarrpatrons, des Heiligen Donatus begründet, der den bäuerlichen Pfarrangehörigen als Nothelfer gegen Unwetter und Blitzschlag gilt. In ihrer fast 50-jährigen Amtszeit kann die Regentin auf die Unterstützung der Landbevölkerung rechnen und verwirklicht in Steele den seit 1761 verfolgten Plan zum Bau eines Hauses für die Erziehung verwaister katholischer Kinder aus dem Essener Stiftsland, das den Jesuiten zur geistlichen und wirtschaftlichen Leitung übergeben wird.

Die Zeit der regierenden Äbtissinnen geht jedoch ihrem Ende zu: Maria Cunegunda, Prinzessin von Polen und Litauen, Herzogin von Sachsen, ist die letzte der 50 seit dem Jahre 852 im Stift Essen regierenden Äbtissinnen. Sie nimmt ab 1776 nahm nur viermal Schloss Borbeck als Sommerresidenz zum Aufenthalt und regiert mit Hilfe der Orden ihr Land von Koblenz aus. Ohne Rücksicht auf die alten Gewohnheitsrechte sucht sie moderne zentralistische Regierungsgrundsätze zu verwirklichen und greift stark in das Alltagsleben ein: Sie reduziert die vielen kirchlichen Feiertage um 185 auf 18, die Zahl von Hochzeits- und Trauergästen wird eingeschränkt und eine Verordnung gegen kostspielige Trauerkleidung erlassen. Auch beginnt sie Schulwesen im Sinne katholischer Aufklärungspädagogik zu reformieren, doch scheitert die Einführung des allgemeinen Schulzwangs am Widerstand der Stiftsbauern, die bei der Erntearbeit nicht auf ihre Kinder verzichten wollen. Der Finanzierung des Schulwesens werden die Einnahmen aus der Erlaubnis zum Kaffeetrinken (für einen Taler jährlich) zugewendet.

1736 wird die Borbecker Mark durch den stiftischen Oberförster Franz Pas­bach aufgenommen und kartiert. Ihre beabsichtigte Aufteilung kann gegen die Eingesessenen allerdings nicht durchgesetzt werden. Wirtschaftli­chen Weitblick verraten weitere Maßnahmen: Sie erlässt eine Forstordnung zum Schutz der kahlgeschlagenen Wälder, die jedoch ebenfalls am gemeinsamen Widerstand der Stände und der Stadt scheitert. Den Bau einer preußischen Staatslandstraße, die von Gelsenkirchen über Wattenscheid durch Essen, Bochold und Borbeck nach Oberhausen führen sollte, muss sie mit 40.000 Reichstalern aus eigenen Mitteln finanzieren. 1787 schreibt sie eine detaillierte Feuer- und Brand-Verordnung vor und plant 1790 einen völligen Neubau des Schlosses, der aber aus Kostengründen nicht umgesetzt wird.

1791 lässt sie als Privatunternehmerin die Essener Kunststraße bauen, die Eisenhütte Neu-Essen errichten und erwirbt 1793 die 1752 gegründete St. Antoni-Hütte bei Osterfeld. Sie wird nach der Wende zum 19. Jahrhundert mit Neu-Essen und der 1782 gegründeten Sterkrader Hütte zur Gutehoffnungshütte vereinigt. Kurz nach 1790 ist die fürstliche Residenz in Borbeck Geschichte: Maria Cunegunda gibt sie auf und lässt den fürstlichen Haushalt auflösen. Das Schloss selbst wird später kurzfristig Hauptquartier der preußischen Demarkationstruppen unter General v. Lestoq.

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