Mehr als 70 Jahre Borbecker Zeitungsgeschichte

Lokale Medien im Rückblick

0 05.04.2019

Auch das wird es nun nicht mehr geben: „Grüße aus den USA“ – „Aus Australien alles Gute in die Heimat“ – „Ein gutes Neues Jahr aus Südafrika“... – so lauteten üblicherweise die Botschaften einer ganz besonderen Ausgabe der BORBECKER NACHRICHTEN zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel. Zahllose Leser und Borbecker in aller Welt nutzten sie, um die Verbindung nach Hause aufrecht zu erhalten. Jetzt gehört dieses wie vieles, wofür diese besondere Zeitung stand und steht, der Vergangenheit an.

Mit der Einstellung zum 31. August 2018 fiel auch eine sicher geplante Sonderausgabe der BORBECKER zu ihrem 70-jährigen Jubiläum ins Wasser - allemal Grund genug für einen Rückblick an dieser Stelle. Denn als ihr Gründer Wilhelm Wimmer vor 65 Jahren starb, übernahmen seine Söhne Walter und Franz Josef das mutige Werk ihres Vaters, der als christlicher Gewerkschaftssekretär tätig war und bereits 1926-1931 beim „Borbecker Lokal-Anzeiger“ als Redakteur gearbeitet hatte – einer Zeitung, die für die wechselhafte Zeitungsgeschichte in Borbeck steht.

1881: Die erste Borbecker Zeitung

Sie geht bis ins Jahr 1881 zurück: Seitdem erschien in der größten Landgemeinde Preußens ein erstes regelmäßiges Publikationsorgan, das unter dem Titel „Borbecker Zeitung – Allg. Anzeiger für Borbeck und Umgebung“ von Robert Siebeck herausgegeben wurde. Wohnhaus und Druckerei, die auch viele andere Drucksachen herstellte, befanden sich in der Gerichtsstraße 5. Und die Zeichen stehen bald auf Expansion: Ab 1883 erscheint eine Nebenausgabe in Altenessen und in Altendorf. Eine Anzeige im Borbecker Adressbuch von 1905 verzeichnet die „Buchdruckerei R. Siebeck“ in Borbeck als „Redaktion und Verlag der Borbecker und Altenessener Zeitung der Volkszeitung für die Bürgermeisterei Stoppenberg und des Stadtanzeigers für Essen-West“.

1915 wird Borbeck, das trotz zahlreichen Gebietsverlusten fast 78.000 Einwohner zählt, nach Essen eingemeindet. Doch die Zeiten für Zeitungen im Ersten Weltkrieg sind schwierig: Mit der Ausgabe vom 30. Juni 1917 teilt Siebeck mit, dass er nach 36 Jahren die „Borbecker Zeitung“ aufgibt. 1918 wird die Druckerei von Otto Wüstenhöfer übernommen, einem Sohn des Bergwerkdirektors der Borbecker Zeche „König Wilhelm“, der sie als „Druckereibetrieb Rob. Siebeck Nachfolger“ weiterführt.

1895: Borbecker Lokalanzeiger

Bereits zum 1. April 1912 aber hat sich in Borbeck-Mitte eine Initiative zur Gründung einer weiteren Publikation formiert. Sie will einen anderen alten örtlichen Zeitungstitel aufnehmen: Denn seit 1895 kam für einige Jahre der „Borbecker Lokalanzeiger" mit dem Untertitel „Amtliches Publikationsorgan für die Bürgermeisterei Borbeck“ heraus, begründet von Redakteur, Drucker und Verleger Fritz Liebeskind. Bis Juli 1914 finden sich nun 34 prominente Kaufleute und Handwerker in einem interessanten Geschäftsmodell zusammen. Sie gründen eine eingetragene Genossenschaft, die den wöchentlich erscheinenden „Lokalanzeiger für Borbeck und Umgegend" auf den Markt bringt. Ein Mitglied, das sich im August 1912 der Genossenschaft angeschlossen hat, übernimmt dabei die Führungsrolle: Josef Lohkamp, Inhaber einer Buchhandlung, Buch- und Papierhandlung, der am Kirchplatz 25 wohnt.

Hauptschriftleiter Wilhelm Wimmer

Ab 1924 erscheint die Zeitung wöchentlich mit dem Titel „Borbecker Lokalanzeiger. Organ für den Bezirk der ehemaligen Bürgermeisterei Borbeck". Sitz von „Redaktion, Druck und Verlag Josef Lohkamp, Essen-Borbeck", ist die Borbecker Str. 149. Die Hauptschriftleitung übernimmt ab Sommer 1926 der damals 27-jährige Wilhelm Wimmer. Er stammte aus einem katholisch-sozialen Elternhaus in der Dellwiger Rauchstraße, hatte nach Volksschule und Lehre im Lebensmittelhandel auf Zeche Christian Levin gearbeitet und sich über die Abendschule und beim Gewerkverein christlicher Bergarbeiter fortgebildet. Über Zeitungen in Herne und Lüdinghausen, wo im Januar 1926 sein Sohn Walter geboren wurde, ist er zurück nach Borbeck gekommen und nun beim „Lokalanzeiger“ zuständig für Politik, Kulturelles und Allgemeines. Sein Kollege, Schriftleiter Alfons Stemmer, kümmerte sich um Lokales, Feuilleton und Sport, ab 1927 sind Redaktion, Druck und Verlag nach dem Borbecker Adressbuch von 1927 in der Prinzenstraße 3 zu erreichen.

Der „Borbecker Lokalanzeiger“ erreicht wechselnde Auflagen: 1927 wird von dreimaligem Erscheinen in der Woche und einer Auflage von 17.000 berichtet, 1928 kommt die Zeitung täglich mit einer Auflage von 9.800. An der Prinzenstraße erscheinen im neu firmierenden Verlag „Essener Vorortzeitungen GmbH" inzwischen der Essen-Borbecker Lokalanzeiger, aber auch die Altenessener Zeitung und das Karnaper Tageblatt. 1931 verliert Wilhelm Wimmer seinen Arbeitsplatz und kehrt in den Lebensmitteleinzelhandel zurück. Grund ist offensichtlich ein Wechsel in der Geschäftsleitung, da in dieser Zeit Otto Wüstenhöfer und sein „Druckereibetrieb Rob. Siebeck Nachfolger“ mit dem „Lokalanzeiger“ zusammenkommen: Wüstenhöfer überschreibt seine Firma 1931 an seine Ehefrau Maria - vermutlich wegen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und „ohne Übernahme der Verbindlichkeiten".

Schwindende Auflagen

1935 – ein Jahr zuvor sind weitere Ausgaben für Kray und Kupferdreh entwickelt worden -, ist „M. Wüstenhöfer“ Herausgeberin des „Borbecker Lokalanzeigers“ mit Verlagssitz in der Prinzenstraße, die Auflage beträgt 6.040 Exemplare. Im Januar 1937 ist die tägliche Auflage auf 5.172 gesunken und der Verlagssitz der „Vereinigte Vorort-Zeitungen GmbH" wechselt in die Gerichtsstraße 5 - an den Ort, an dem ab 1881 die „Borbecker Zeitung“ gedruckt wurde. Unter dieser Adresse vermerkt das Essener Adressbuch nun 1937/38 den „Essener Lokalanzeiger R. Siebeck Nachf. Vereinigte Vorortszeitungen, Wüstenhöfer, M.“ Im Handbuch der deutschen Tagespresse ist - wohl mit falschem Bezug auf die ehemalige „Borbecker Zeitung" 1883 als Gründungsjahr angegeben, als Verleger wird Otto Wüstenhöfer genannt. Hauptschriftleiter ist Walter Wimmers Nachfolger Franz Gebauer, Erich Spohr ist Schriftleiter für Lokales und Sport, R. Winschewsky aus Wattenscheid besorgt das Politik-Resort, weitere Mitarbeiter sind B. Sacker und H. Schnodt, Anzeigenleiter Franz Josten. Ab 1938 heißt der Titel „Essener Lokal-Anzeiger. Heimatzeitung für die Vororte von Essen", der Verlag arrondiert sein Verbreitungsgebiet mit weiteren Lokalausgaben in Überruhr, Steele und Schonnebeck, die Auflage ist Anfang Oktober 1938 jedoch auf 4.500 Exemplare zurückgegangen.

1939 wird der „Essener Lokalanzeiger", wie er nun heißt, vom Verlag Karl Busch (Spieker & Fleischhauer) in Wattenscheid verlegt. Die Redaktion sitzt in der Borbecker Straße 113 gegenüber der Post, später neben der heutigen Barbara-Apotheke. Doch nicht für lange: Zwangsweise erhalten die Abonnenten stattdessen ab 1. Juni 1941 die nationalsozialistische Nationalzeitung. Der zwangsweise eingestellte Lokalanzeiger teilt mit der Gleichschaltung der Presse das Schicksal fast aller Zeitungen, die nicht auf der Linie der Partei liegen. In Borbeck gehört auch die seit 1869 bestehende und der Zentrumspartei nahestehende katholische „Essener Volkszeitung“ dazu, die ab 1902 in der „Borbecker Buchdruckerei und Verlagsanstalt Fredebeul & Koenen" in der Rechtstraße 2 erschien und 1933 von Gauleiter Terboven durch SA besetzt wird, weil sie keine Rede von Göring abdrucken will. Sie brachte als Beilage die „Borbecker Heimatblätter" heraus, zudem seit 1927 sechsmal in der Woche eine Borbecker Lokalausgabe unter dem Titel „Borbecker Tageblatt für die Gemeinden der ehemaligen Bürgermeisterei Borbeck“.

Die BORBECKER: Neustart 1949

Die BORBECKER NACHRICHTEN, die Wilhelm Wimmer ab dem Frühjahr 1949 ins Leben rief, knüpften damals damit an eine bewegte lokale Zeitungsgeschichte an. Mit dem täglichen journalistischen Geschäft, der Verantwortung des Redakteurs, aber auch mit publizistischer Konkurrenz, dem täglichen Kampf um Leser und mit den Gefahren einer Überdehnung verlegerischer Aktivitäten kannte er sich aus. Aber er wusste auch um die Notwendigkeit der Presse - zumal der lokalen Zeitung - als Forum für den demokratischen Wiederaufbau: 1945 gehört Wilhelm Wimmer zu den Mitbegründern der CDU in Borbeck-Dellwig und ist von 1946-1952 Vorsitzender des Bürgerausschusses Essen-Borbeck.

Gleich der allerersten Ausgabe der BORBECKER NACHRICHTEN vom 8. April 1949 fügt er einen sprechenden Untertitel zu. „Borbecker Nachrichten - Mitteilungen der Borbecker Bürger- und Verkehrsvereine, Heimatvereine und angeschlossene Vereinigungen” nennt er das neue Blatt, das von der anstehenden Wiederbegründung des Borbecker Bürger- und Verkehrsvereins im Lokal Van der Mee berichtet. Dazu hatte ein vorbereitender Ausschuss schon Vorarbeit geleistet: Der 1910 gegründete Verein erneuert seine bis 1932 gültige Satzung, bekräftigt den Zweck, Verkehr, Handel und Wohlfahrt im Stadtteil Essen-Borbeck zu fördern und strebt mit 1 Mark Mitgliedsbeitrag pro Jahr eine breite Basis an. Den 1. Vorsitz übernimmt Walter Wimmer selbst, den 2. Vorsitz Rechtsanwalt Kohlmann. Der gesamte Vorstand wird am 2. Mai 1949 bestätigt, wie unter der Überschrift „Im Dienste der Heimat. Nach 15jähriger Zwangspause wieder Bürger- und Verkehrsverein in Borbeck“ am 6. Mai berichtet wird.

1953: Walter Wimmer übernimmt

Am 13. Mai 1953, kurz vor seinem 54. Geburtstag, stirbt Wilhelm Wimmer. Sein Sohn Walter, damals erst 27 Jahre alt, lässt sich in die Pflicht nehmen, nimmt die britischen Lokalzeitungen zum Vorbild, die er in der Kriegsgefangenschaft kennengelernt hatte und setzt das Werk seines Vaters in Borbeck fort. Mit seinem Bruder Franz-Josef, der bis 1986 für den verlegerischen Part verantwortlich zeichnet, erreicht die Zeitung eine Auflage, die zu ihren Spitzenzeiten alle Vorgänger übertreffen sollte. Bis Walter Wimmer 1998, kurz vor dem 50-Jährigen der Zeitung, die Eigenständigkeit aufgeben muss. Die ist heute 20 Jahre her ...

Dr. Christof Beckmann

Für die Daten zur Borbecker Zeitungsgeschichte und Abb.: Andreas Koerner, Borbecker Zeitungsgeschichte bis zum Zweiten Weltkrieg, in: Borbecker Beiträge, 15. Jg., 3/1999, 84-88.

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